Weltranglistenerste Judit Polgar tritt nach Schach-Olympiade ab
Pantsulaia – Polgar: Schwarz versetzt nach Df3? dem Anziehenden den entscheidenden “K.O.-Schlag”

Von Hartmut Metz

Hartmut Metz widmet sich in der aktuellen Meko dem Rücktritt von Judit Polgar. Der Kuppenheimer unterhielt sich mit der Ungarin, die 25 Jahre lang unangefochten die Weltrangliste der Damen anführte, über die Beweggründe. Ein Interview mit Polgar findet sich – wie auch zum Sieg von Arkadij Naiditsch über Magnus Carlsen (siehe Meko der Vorwoche) – in der jetzt erscheinenden Ausgabe des “Schach-Magazins 64“. Und als wären die Interviews mit der deutschen Nummer eins und der weltbesten Dame nicht genug, findet sich auch noch ein Gespräch von Metz mit Viswanathan Anand zum bevorstehenden WM-Match gegen Magnus Carlsen in dem neuen Heft. Diesmal geht der indische Ex-Weltmeister zuversichtlicher und mit optimistischerer Einstellung in den Zweikampf.

Dem Schach bleibt die beste Spielerin aller Zeiten treu – an Wettbewerben will Judit Polgar aber künftig nicht mehr teilnehmen. Bei der Schach-Olympiade im norwegischen Tromsø feierte die 38-Jährige noch einmal einen schönen Erfolg: Mit dem ungarischen Männer-Nationalteam holte die Budapesterin hinter China die Silbermedaille. „Ich hielt es für den richtigen Moment, jetzt nach mehr als 30 Jahren Turnierschach den Rücktritt von diesem schönen Spiel zu erklären“, erläutert Polgar, die ein Vierteljahrhundert lang ununter- brochen die Weltrangliste der Frauen angeführt hatte! Mit zwölf Jahren übernahm sie bereits die Spitze und brach im Alter von 15 Jahren und vier Monaten den Rekord von Legende Bobby Fischer als jüngster Herren-Großmeister.
Eine Weile zählte Polgar auch zu den Top Ten der Männer. Nun will sich die Mutter „mehr Zeit für meine zwei Kinder, den zehnjährigen Oliver und die achtjährige Hanna, nehmen“. Außerdem möchte die Frohnatur die Arbeit ihrer vor zwei Jahren gegründeten „Judit Polgar Foundation“ forcieren und „nun mehr Werbung fürs Schach“ machen. „Besonders gilt dies für die Ausbildung mit meinem Lernprogramm ,Schach-Palast’, das schon an fast 100 Schulen in Ungarn genutzt wird“, berichtet Polgar von ihren Plänen.
Dass sie den WM-Titel der Männer verpasste, bedauert die herausragende Großmeisterin nicht. „Ich bin wirklich extrem glücklich mit dem Verlauf meiner Karriere! Es gibt nicht den leichtesten Hauch von Bedauern oder Grund zur Klage“, betont sie lachend.
Zu ihrem Abschied empfahl Polgar die folgende Partie, die sie bei der EM 2011 „beflügelte. Ich gewann nach dem Sieg über den Georgier Lewan Pantsulaia in Runde sieben auch die nächsten drei Partien und remisierte die letzte, um erstmals eine Bronzemedaille bei der EM zu gewinnen“.

W: Pantsulaia S: Polgar
1.c4 e6 2.Sf3 Sf6 3.g3 d5 4.Dc2 c5 5.d4 cxd4 6.Sxd4 e5 „Ich bemerkte rasch, dass nach diesem Zug nur ein einziger Unterschied zwischen dieser Position besteht und meiner Partie, die ich 2008 in Wijk aan Zee gegen Boris Gelfand in denkwürdigem Stil gewann. In der Begegnung war der Läufer bereits auf g2 gestanden statt der schlecht platzierten Dame auf c2“, erzählte Judit Polgar. 7.Sb3 Nach dem Duell entdeckte Polgar auch noch eine andere Partie mit der Variante: 7.Sf3 Sc6 8.cxd5 Sxd5 9.a3 Le6 10.Ld2 Le7 11.Sc3 0–0 12.Lg2 Tc8 13.Td1 Sd4 14.Db1 Lf6 15.0–0 Sxc3 16.bxc3 Sxe2+ 17.Kh1 Dc7 18.Dd3 Sxc3 19.Tc1 e4 und Sandor Takacs gab in Kecskemet 1927 gegen den späteren Weltmeister Alexander Aljechin auf. Sc6 8.Lg2 Sb4 9.Dd1 dxc4 10.S3d2 Der einzige sinnvolle Zug. 10.Dxd8+ Kxd8 und Weiß verliert Material, weil der Springer bedroht ist und eine Springergabel auf c2 droht. Lf5 11.Sa3? Sieht logisch aus – stärker ist jedoch das Turmopfer 11.0–0! Sc2?! (Dc7 mit leichtem Vorteil überzeugt mehr) 12.e4! Sxa1 13.exf5 und Schwarz verliert früher oder später den Springer auf a1. b5! Ein schönes Qualitätsopfer, durch das der Bauer auf c4 befestigt wird und Weiß Entwicklungsschwierigkeiten bekommt. 12.Lxa8 12.0–0 Tb8 macht es nicht besser für den Anziehenden. Dxa8 13.Sf3 13.0–0 Lh3 14.Sf3 a6. Sd3+! Ein sehenswertes Opfer, von dem die Taktikerin nicht die Finger lassen kann. Ruhigere Naturen hätten gewiss Dc6! gewählt. 14.Ld2 (14.0–0 Lh3 15.Te1 Sg4–+) Lc5 15.0–0 Lh3 16.Lxb4 Lxb4 17.Sc2 Lc5 und Weiß steht in höherem Sinne verloren. 14.exd3 Lxd3 Lg4 15.0–0 Lxf3 16.De1 Lxa3 17.bxa3 0–0 kommt ebenso in Betracht, weil sich 18.dxc4?? verbietet wegen Dc8! 19.De3 e4 20.cxb5 Dh3 mit Matt auf g2. 15.Sxb5 Lb4+ 16.Sc3 16.Ld2 De4+ 17.De2 Dxe2 matt. 0–0 17.Tg1 Der Turm hebt die unangenehme Fesselung des Springers auf. 17.Le3 verteidigt sich ebenfalls zäh: Le4 18.Sxe5 Lxh1 19.Dd4 Sd5! 20.a3 (20.0–0–0 Sxc3 21.bxc3 La3+ 22.Kc2 Le4+ 23.Kd2 Td8 24.Sd7 Lc6) Lxc3+ 21.bxc3 Sxe3 22.fxe3 Td8 23.Dxc4 Ld5 24.Df4 f6 25.Sg4 Lb3 26.e4 Dc8 27.Kf1 Dxc3. Dagegen endet 17.Ld2? fatal: Lxc3 18.bxc3 De4+ 19.Le3 Sg4 20.Kd2 Tb8 21.Te1 Tb2+ 22.Kc1 Tc2+ 23.Dxc2 Lxc2. Se4 18.Ld2 Td8 Tb8 19.Sg5 Sxd2 20.Dxd2 f6 21.Sh3 Df3 22.De3 Dg4 erobert den Springer. 19.Tc1 Sxc3 20.bxc3 La3 21.Le3 21.Ta1 Lb2 und der Läufer nimmt den Bauern auf c3 genauso aufs Korn wie den Turm. Lxc1 22.Lxc1 Tb8! 23.Sd2 Weiß muss verhindern, dass der Turm auch noch auf die erste Reihe eindringt. Dd5 24.Da4 Pantsulaia verteidigt sich hartnäckig. Der Damen-Ausritt verhindert Da5 nebst Dxc3. a5 25.Dd1 25.Da3 e4 26.h3 Dh5 27.g4 Dxh3 28.Dd6 Te8 29.Dd7 hält der Computer für ausgeglichen. 25.Sf1 Df3 26.Dd1 Df6 bietet laut Polgar „großartige Kompensation“. h6 26.Df3? Das verliert die Partie. 26.Sf1 e4 27.Dd2 Tb1 28.f4 exf3 29.Kf2 Dh5 30.h4 hält alles offen. Tb1!! Den K.o.-Schlag übersah Pantsulaia. 27.Kd1 27.Dd1 (27.Dxd5 Txc1 matt) Ta1 28.a3 e4 29.Sf1 De5 30.Dd2 Dd6 31.Db2 Tb1 32.Dd2 Dxa3 33.Kd1 Db3+ 34.Ke1 a4 35.Se3 a3 und der Bauer läuft zur Dame. e4 28.Df4 Ta1 29.Db8+ Kh7 30.g4 Auf den Zug 30.Db2 freute sich Polgar.

Tb1!! 31.Sxb1 Lc2+!! 32.Kxc2 (32.Ke2 Dd3+ 33.Ke1 Dd1 matt) Dd3 matt.

Dd7 „Das ist der einzige Zug in der Partie, in der ich zurückzog“, stellt Polgar amüsiert fest. 31.De5 e3 Da4+ 32.Sb3 gewinnt ebenso. Nur darf Schwarz nicht gleich den Springer auf b3 nehmen wegen cxb3?? (e3! muss erst geschehen) 33.Df5+ Kg8 34.Dc8+ und Dauerschach. 32.fxe3 Oder 32.Dxe3 Da4+ 33.Sb3 Txa2. Da4+ 33.Ke1 Txc1+ 34.Kf2 Txg1 0:1. 35.Kxg1 Dd1+ 36.Kf2 Dxd2+ kostet den Springer.

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