Napoleon – Allgaier: Damenfang oder Matt in 3 – Ubicumque felix Napoleo!

Erster deutscher Schachmeister vor 250 Jahren geboren
Von Hartmut Metz
Napoleon Bonaparte musste eine seiner ersten Niederlagen gegen ihn hinnehmen. Doch die erlitt der französische Kaiser 1809 noch auf einem der kleinsten Schlachtfelder: dem Schachbrett. Am Wiener Hof trat Napoleon zum Zeitvertreib gegen den Schachautomaten an – und verlor in 24 Zügen. Der Automat von Baron Wolfgang von Kempelen galt als Sensation, konnte sich doch niemand erklären, warum die Maschine „denkt“. Sie war jedoch ein Wunderwerk der Mechanik. Der Tüftler von Kempelen hatte darin einen kleinen Schachmeister versteckt, der durch Hebel die Figuren auf dem Brett bewegte. Hinter diesem saß eine mit Turban orientalisch gekleidete Figur, der „Türke“. Vor jeder Vorstellung öffnete der Erfinder mehrere Türen des Schachautomaten, so dass die Schaulustigen niemanden im Kasten unter dem Brett wähnten. In Schönbrunn 1809 saß vermutlich Johann Baptist Allgaier im „Türken“. Der vor 250 Jahren – am 19. Juni 1763 – geborene Schussenrieder ist der erste bedeutende deutschsprachige Schachmeister. Ihm gefiel das von seinem Vater Georg nahegelegte Studium der katholischen Theologie wenig, weshalb der Württemberger nach Polen auswanderte und dort von einem Juden das königliche Spiel erlernte. Bei einem Wettkampf Ende der 1780er Jahre in Wien gewann Allgaier die stattliche Summe von 1 500 Gulden und galt fortan als bester Spieler der Kaiserstadt.
Der Soldat im österreichischen Militär popularisierte Schach in Adelskreisen und im niederen Volk. 1795 und 1796 erschien Allgaiers zweiteiliges Lehrbuch „Neue theoretische praktische Anweisung zum Schachspiele“. Es erlebte zu seinen Lebzeiten bis 1823 vier Auflagen, bis 1841 wurden es gar sieben. Der „deutsche Philidor“, wie man Allgaier später in Anlehnung an sein französisches Vorbild nannte, verwies dabei erstmals auf die Ausarbeitung von Plänen auf dem Brett. Er zeigte bestimmte Endspiele und fügte in der dritten Auflage 1811 Eröffnungstabellen sowie ein Kapitel über psychologische Besonderheiten des Schachspiels hinzu!
Allgaier erwies sich als mutiger Angriffsspieler. Bis heute trägt eine tollkühne Variante im Königsgambit seinen Namen. Nach den Zügen 1.e4 e5 2.f4 exf4 3. Sf3 g5 4.h4 g4 5.Sg5 h6 opfert Weiß im Allgaier-Gambit den Springer auf f7. Einzelne Partien sind bis auf die nachstehende, die er angeblich gegen Napoleon gespielt hat, keine von ihm erhalten – außerdem fehlt es auch an einem Porträt des Schachmeisters, weshalb niemand weiß, wie der „bescheidene“ Mann aussah. Aus Gesundheitsgründen wurde Allgaier 1816 nach dem endgültigen Waterloo von Napoleon aus dem Militärdienst entlassen. Eine karge Pension bescherte dem Asthmatiker trotz seiner Berühmtheit bis zu seinem Tod am 2. oder 3. Januar 1823 ärmliche Jahre, die er durch das Schachspiel etwas aufbesserte.

W: Napoleon S: Schachautomat
1.e4 e5 Johann Baptist Allgaier führte die schwarzen Steine im Schachautomaten. 2.Df3? Ein Anfängerfehler. Als wenig geschickter Kriegsherr auf dem Brett versucht Napoleon primitiv das Schäfermatt, was jedoch die eigene Dame den feindlichen Attacken aussetzt. Sc6 3.Lc4 Sf6 Pariert die Mattdrohung auf f7 und entwickelt eine weitere Figur. 4.Se2 Lc5 5.a3? Weitere Zeitverschwendung. Napoleon sollte mit 5.d3 seinem zweiten Läufer mehr Raum geben. 5…Sb4 ist nicht zu fürchten, weil 6.Lb3 den Angriff auf c2 pariert. d6 6.0–0 Lg4 Mit Tempo bringt der „Schachautomat“ seine letzte Leichtfigur ins Spiel und besitzt bereits Entwicklungsvorsprung. 7.Dd3 Sh5 8.h3 Lxe2 9.Dxe2 Sf4 10.De1? 10.Dg4 hält Napoleon im Spiel. Sd4? Der Zug reicht zum Sieg, aber Dg5! sorgt für ein baldiges Matt: 11.g4 (11.g3 Dxg3+ 12.Kh1 Weiß darf wegen der Fesselung des f-Bauern durch den Läufer auf c5 nicht nehmen. Dg2 matt) Sxh3+ 12.Kh2 Dh4 13.f3 Sf2+ 14.Kg2 Dh3+ 15.Kg1 Dh1 matt. 11.Lb3 11.Dd1 Dg5 12.Dg4 Dxg4 13.hxg4 b5 14.Ld5 c6 15.b4 cxd5 16.bxc5 Sxc2 17.Ta2 Sd4 18.cxd6 Sde2+ 19.Kh2 Sd3 20.Lb2 d4 21.a4 b4 und Weiß bringt nur unter schweren Opfern Figuren ins Spiel. 14.Lb3 erlaubt einen gewaltigen Angriff: Sde2+ 15.Kh2 g5! 16.d4 h5 17.Lxf4 hxg4 matt. Bei 16.g3 (statt 16.d4) folgt erneut h5! 17.gxf4 hxg4+ 18.Kg2 gxf4 19.Te1 – 19.Tg1 f3+ 20.Kf1 g3 21.d4 g2+ 22.Ke1 (22.Txg2 Th1+ 23.Tg1 Txg1 matt) f3+ 20.Kf1 Th1 matt. Sxh3+ Dg5 setzt erneut matt – doch der im Schachautomaten versteckte Allgaier wählt einen effektvollen Schluss fürs Publikum. 12.Kh2 12.gxh3 Sf3+ 13.Kg2 Sxe1+. Dh4 13.g3 Sf3+ 14.Kg2 Sxe1+ Sf4+ 15.Kxf3 Dh5+ 16.g4 Dh3 matt. 15.Txe1 Dg4 16.d3 Lxf2 17.Th1 Dxg3+ 18.Kf1 Ld4 19.Ke2 Dg2+ 20.Kd1 Dxh1+ 21.Kd2 Dg2+ 22.Ke1 Sg1 23.Sc3 Lxc3+ 24.bxc3 De2 matt.

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