Schach hat manchen Schriftsteller zu genialen Werken inspiriert
Fischer – Benkö: Auf die Dame kommt es an

Von Hartmut Metz
Die größte Tragik mit Schach verbindet Stefan Zweig. Im Exil in Brasilien vollendete der Wiener Autor die „Schachnovelle“, verschickte die Typoskripte an drei Verleger – und beging tags darauf am 23. Februar 1942 in Petropolis zusammen mit seiner Gattin Lotte Selbstmord. Das anfänglich nur 300 Mal gedruckte Werk sollte das berühmteste von Zweig werden: Weit mehr als 1,2 Millionen Exemplare wurden von der fesselnden Geschichte über den tumben Schach-Weltmeister Czentovic verkauft. „Königin der Spiele oder Tummelfeld von Verrückten? Schach nimmt eine einzigartige Stellung in der westlichen Kultur ein und hat unzählige Schriftsteller inspiriert. Spektakulär und raffiniert, perfid und humorvoll, realistisch und grotesk – die Rolle des Schachspiels in der Literatur scheint unerschöpflich“, schreiben Richard Forster und Ulla Steffan. Die beiden haben im Unionsverlag das wunderbare Bändchen „Auf die Dame kommt es an“ (14,95 Euro) zusammengestellt, das auf 192 Seiten Ausschnitte aus der Weltliteratur kredenzt, die sich mit dem königlichen Spiel befasst. Es sind 15 Beispiele, die die Magie der Könige, Figuren und Bauern erspüren und selbst dem größten Laien verständlicher machen.

Buchautor Richard Forster

Die schillernden Protagonisten – manche fiktiv, für manche gab es reale Vorbilder – enden oft traurig, aber sie konnten ihrem Schicksal nicht entrinnen. Denn wie befindet Ernst Strouhal, Autor von „In der Nabokovfalle“: „Jedenfalls entschloss er sich, das Schach aufzugeben, was keine einfache Sache ist, wie jeder weiß, der einmal auf Entzug war.“
Ob nun „Der Schachspieler“ von Friedrich Dürrenmatt“, „Das Schachproblem“ von Krimi-Königin Agatha Christie oder „Die Lüneburg-Variante“ von Paolo Maurensig: Die ausgewählten Kapitel machen Lust auf die jeweils gesamte Geschichte.
Wer indes gleich ohne den Umweg über „Auf die Dame kommt es an“ zum überragenden Roman greifen will, erwirbt nicht etwa Zweigs „Schachnovelle“, sondern besser „Lushins Verteidigung“! Vladimir Nabokov glänzt dabei zum einen durch seine gewohnt wunderbare wie gewaltige Sprache. Der Autor von „Lolita“ war zum anderen auch ein Kenner der Szene und entwarf selbst Schachprobleme.
Am amüsantesten für Insider ist eine Kurzgeschichte: Der amerikanische Pulitzer-Preisträger Art Buchwald hat seinen Landsmann Bobby Fischer wohl ziemlich gut verstanden. In der nur vierseitigen Satire „Schachmatt“ treibt er die Forderungen des ungehobelten US-Weltmeisters auf die Spitze. Das fiktive Gespräch mit Präsident Richard Nixon nimmt dabei am Ende eine überraschende Wende. So exzentrisch Fischer abseits der 64 Felder war, so genial agierte er auf diesen. In der nachstehenden Partie, die er 1963 bei der US-Meisterschaft gegen Pal Benkö gewann, bewies der vielleicht größte Schachspieler aller Zeiten auch: „Auf die Dame kommt es an“!

W: Fischer S: P. Benkö
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.f4 Sf6 5.Sf3 0–0 6.Ld3 Lg4? Sc6 oder Sa6 empfahlen die Kommentatoren später. 7.h3 Lxf3 8.Dxf3 Sc6 9.Le3 e5 10.dxe5 dxe5 11.f5 gxf5 Der Bauernvormarsch g4 nebst g5 ist eine unangenehme Drohung. Ein Beispiel: Sd4 12.Df2 a6 13.0–0–0 b5 14.g4 Te8 15.g5 Sd7 16.h4 gxf5 17.exf5 Sc5 18.f6 Lf8 19.Lf5 Sce6 20.Le4 Tb8 21.h5 b4 22.Sd5 c6 23.g6 cxd5 24.gxf7+ Kxf7 25.Lg6+ hxg6 26.hxg6+ Kxg6 (26…Kg8 27.Th8+ Kxh8 28.Dh4+ Kg8 29.Dh7 matt) 27.Tdg1+ Kf7 28.Th7+ Lg7 29.fxg7+. 12.Dxf5! 12.exf5 gestattet e4! mit Gegenspiel. Sd4 13.Df2 Se8 14.0–0! Sd6 15.Dg3 Kh8?! f5!? sieht gefährlich aus für den schwarzen König, weil ein weiterer Bauernschutz verschwindet. Doch scheint dies mehr Widerstand zu leisten als die Partiefortsetzung. 16.Lg5 De8 17.exf5 S4xf5 18.Dg4. 16.Dg4 c6 17.Dh5 De8? Ein unmerklicher Fehler, der verliert. Se6 oder c5 halten die Partie in Gang. 18.Lxd4! exd4

19.Tf6!! Blockiert den schwarzen f-Bauern. 19.e5? f5! 20.Dxe8 Sxe8 21.Se2 Lxe5 22.Txf5 Txf5 23.Lxf5 Sd6 lässt den Nachziehenden ausgleichen. Kg8 dxc3 20.e5 und 19…Lxf6 20.e5 gestatten das angestrebte Matt auf h7. 20.e5 h6 21.Se2! Der stärkste Zug. 21.Txd6 gewinnt auch, aber nicht so klar. Dxe5! 22.Dxe5 Lxe5 23.Se4 Lxd6 24.Sxd6. Benkö gab auf wegen Sb5 (Lxf6 22.Dxh6) 22.Df5 Lxf6 23.Dh7 matt. 1:0.

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