Bogoljubow – Mieses: Weiß nutzt seinen “Heimvorteil” – in Baden-Baden – spektakulär

Jefim Bogoljubow „von Gott geliebt“ – aber nicht von den Sowjets
Von Hartmut Metz
Bogoljubow heißt im Russischen „von Gott geliebt“ – so fühlte sich der vor 125 Jahren geborene Schach- meister Jefim Bogoljubow wohl auch (Teil II, Fortsetzung der Schachspalte aus der Vorwoche). Stets zuversichtlich und von sich überzeugt – das führte zu mancher Anekdote. Der nach seiner Weltkriegs-Internierung in Triberg gebliebene Russe, der dort Frieda Kaltenbach kennen lernte und Vater zweier Töchter (Sonja und Tamara) wurde, kündigte gerne mal etwas großspurig ein Matt an. „Matt in vier Zügen!“, bekam etwa Savielly Tartakower zu hören, der darauf stoisch mit dem berühmten Satz konterte: „Ich verbitte mir jegliche Belästigung!“ Noch mehr Spott zog sich der ansonsten so gemütliche Großmeister laut einem Turnierbericht zu, in dem es hieß: „Bogoljubow kündigte seinem Gegner Johner ein Matt in zwei Zügen an. Die Partie wurde später mit Endspielvorteil für Johner abgebrochen …“ Seinen großen Worten ließ er aber durchaus entsprechende Taten folgen:
Zweimal wurde er 1924 und 1925 sowjetischer Meister – die Staatsbürgerschaft hatte der Triberger behalten und versuchte sich bis 1926 mit den Kommunisten zu arrangieren. Da der Russe aber immer wieder Restriktionen der Partei und der Schach-Apparatschiks im Verband ausgesetzt war, wurde Bogoljubow 1927 doch Deutscher und gewann von 1928 bis 1939 achtmal den nationalen Titel.
Sein größter Erfolg blieb indes der Triumph 1925 in Moskau. Dort distanzierte er mit 15,5:4,5 Punkten Ex-Weltmeister Emanuel Lasker um 1,5 und den amtierenden Champion José Raoul Capablanca sogar um zwei volle Zähler. Laut den nachträglich berechneten historischen Elo-Ratingzahlen stieg Bogoljubow so 1927 zum Weltranglistenersten auf. WM-Kämpfe gegen Alexander Aljechin konnte der Wahl-Badener aber erst 1929 und 1934 arrangieren (Fortsetzung und letzter Teil nächsten Samstag).

Baden-Baden 1925
Quelle: http://soloscacchi.altervista.org/

Beim „Heimspiel“ im April 1925 in Baden-Baden musste sich Bogoljubow (13 Punkte aus 20 Partien) mit Platz vier begnügen. Aljechin (16) siegte beim zweiten legendären Turnier in der Kurstadt nach 1870 vor Akiba Rubinstein (14,5) und Fritz Sämisch (13,5). Gegen Jacques Mieses gelang Bogoljubow in der fünften Runde ein spektakulärer Sieg.

W: Bogoljubow S: Mieses
1.d4 f5 2.g3 Sf6 3.Lg2 e6 4.Sf3 d5 5.0–0 Ld6 6.c4 c6 7.Sc3 Sbd7 8.Dc2 Se4 9.Kh1 Der Zug sieht unnütz aus – Bogoljubow vertraut jedoch auf seinen Plan, den Läufer nach f4 zu bringen und anschließend auf der halboffenen g-Linie zu spielen. Df6 10.Lf4! Lxf4 11.gxf4 Festigt den Punkt e5. Weiß steht nun deutlich angenehmer. Dh6 12.e3 Sdf6?! Spielt etwas blauäugig auf Angriff am Königsflügel. 0–0 ist angebracht. 13.Se5 Sd7 Mit den Springerzügen vergeudete Mieses Zeit. 14.Tg1 Sxe5 15.dxe5 Sxc3 16.bxc3 Ld7 Die Eröffnung lief nicht gut für Schwarz: Er blieb auf dem schlechten Läufer auf d7 sitzen, der durch die eigenen Bauern blockiert wird. Zudem kann Weiß auf den halboffenen Linien b und g mit den Schwerfiguren operieren. Bogoljubow steht daher klar besser. 17.Tad1?! 17.Db3! ist stärker, um den folgenden schwarzen Vorstoß zu verhindern. b5 18.cxd5 cxd5 19.a4 bxa4 20.Db7 Ke7 21.Txa4 Thb8 22.Dc7 Tc8 23.Dd6+ Ke8 24.Ta6! Txc3 25.Lxd5 Td8 (25…exd5? 26.Dxh6 gxh6 27.Tg8+ Ke7 28.Txa8) 26.Lf3 und Weiß steht auf Gewinn. b5! 18.Db2 0–0 19.Da3 Tfd8 20.cxb5 cxb5 21.Da6 Dh5? Dh4 empfiehlt sich: 22.Txd5 exd5 23.Lxd5+ Kh8 24.Lxa8 Txa8 25.Db7 Td8 26.e6 Dxf2 27.e7 Te8 28.Dxd7 Df3+ 29.Tg2 Df1+ 30.Tg1 Df3+ mit Dauerschach.

22.Lxd5! exd5 Tab8! verteidigt sich zäher, weil 23.Lxe6+ Kh8!! Dauerschach-Chancen bietet: 24.Ld5 (24.Txd7 Txd7 25.Lxd7 Df3+ 26.Tg2 Dd1+ 27.Tg1 Df3+) Tb6 25.Da5 Le6 26.Dxa7 Alles andere verliert sogar. g6! 27.Lb7 Txd1 28.Dxb6 Txg1+ 29.Kxg1 Dd1+ 30.Kg2 Dg4+.

23.Txg7+!! Das hatte Mieses sicher übersehen. Kxg7 24.Df6+ Kg8 25.Tg1+ Dg4 26.Txg4+ fxg4 Mit zwei Türmen und Läufer verfügte Schwarz über mehr als genügend Kompensation für die Dame – wären nicht noch die Freibauern, die Bogoljubow umgehend mobilisiert. 27.f5 Tdc8 28.e6 Lc6 Das Beschwichtigungsopfer Lxe6 29.Dxe6+ Kg7 30.Dxd5 bremst Weiß kaum. 29.Df7+ Kh8 30.f6 Tg8 d4+ wendet die Niederlage nicht ab. 31.Kg1 Tg8 32.exd4 Ld5 33.Dd7 Tad8 34.f7 Txd7 35.fxg8D+ Kxg8 36.exd7 und die nächste Dame entsteht auf d8. 31.Dc7 Tac8 32.De5 d4+ 33.Kg1 Ld5 34.f7+ Tg7 35.Dxd5 1:0.


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