Gustafsson vs. Kramnik: schwarzer Bauer a3 sucht Frau

Jan Gustafsson „entsetzen“ Patzer bei Dortmunder Turnier
Von Hartmut Metz
Verkehrte Welt für Wladimir Kramnik! Der oft für sein ruhiges positionelles Schach gescholtene Russe trumpfte bei seinem Lieblingsturnier in Dortmund auf wie nie. In der letzten Runde zerrte der Ex-Weltmeister im Schauspielhaus den schwarzen König nach fulminanten Opfern in die Brettmitte. Kontrahent Georg Meier bewies Humor: Der Großmeister aus Trier gab nicht auf, sondern gönnte dem „Kombinationsteufel“ Kramnik das grandiose Schlussbild mit dem Matt. Auch dem Hamburger Jan Gustafsson hatte der 37-Jährige eine besondere Lektion erteilt – doch alle genialen Züge waren vergebens. Der Weltranglistendritte konnte sein Abonnement bei den Schachtagen nicht auf elf Turniererfolge ausbauen. Der Italiener Fabiano Caruana siegte vor dem punktgleichen Sergej Karjakin (beide 6). Für Kramnik (5,5) blieb nach neun Runden nur der geteilte dritte Platz. Weil das Feld von sechs auf zehn Spieler aufgestockt wurde, durften auch gleich vier deutsche Großmeister teilnehmen. Der Beste aus dem Europameister-Team des Vorjahres, Lokalmatador Arkadij Naiditsch, hielt glänzend mit. Der Rest war zumindest eine wahre „Belebung“, die die sonst übliche Remis-Flut verhinderte, befand Peter Leko. Der Ungar holte wie Naiditsch 5,5 Punkte.
Während Meier (4) und der Mülheimer Daniel Fridman (3,5) noch als Siebter und Achter im Rahmen der Erwartungen blieben, fungierte Gustafsson (1,5) als Opferlamm. Dem Baden-Badener Bundesligaspieler gelang im Gegensatz zu seinen Vereinskameraden Naiditsch und Meier überhaupt nichts. „Ich bin entsetzt“, ordnete der Liebling der Fans seine Leistung mit nur drei Remis ein. Selbst der ebenso überforderte Pole Mateusz Bartel (2) war besser. Immerhin sorgten sie als Punktelieferanten dafür, dass sich täglich mehr als 40000 Besucher im Internet für ihre unterhaltsamen Niederlagen begeisterten. Selbst Stoiker Kramnik geriet nach seinem fantastischen Sieg in Runde zwei über Gustafsson ins Schwärmen.

W: Gustafsson S: Kramnik
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 Normalerweise sitzt Kramnik bei der Königsindischen Verteidigung auf der anderen Seite. Mit Weiß trieb der Russe dereinst selbst Eröffnungstheorie-Guru Garri Kasparow Königsindisch aus! 5.Sf3 0–0 6.Le2 e5 7.Le3 c6 8.0–0 exd4 9.Sxd4 Te8 10.f3 d5 11.cxd5 Sxd5! 12.Sxd5 12.Lf2 ist auch möglich. cxd5 13.Tc1 a5 Der Zug sehe „absurd aus“, urteilte Kramnik. Da dem Computer aber dieser gefalle, erinnerte sich der Ex-Weltmeister an seine “Vorbereitung vor einigen Jahren” mit den weißen Steinen! Sc6 14.Sxc6 bxc6 15.Txc6 Lb7 16.Tc1 dxe4 17.Dxd8 Taxd8 18.f4 Ld4?! 19.Kf2 Lxe3+ 20.Kxe3 Kf8 21.Tc7 Te7 22.Tfc1 geschah in Gustafsson-Maze, Aix-les-Bains 2011. 14.Db3 a4 15.Dxd5 Dxd5 16.exd5 a3 17.b3 17.bxa3 scheint im Nachhinein die sicherere Wahl. Sc6! Txe3? verliert umgehend: 18.Txc8+ Lf8 19.Kf2 Te5 20.d6 Tea5 21.Lb5 Kg7 22.d7 und der Bauer ist nur noch durch ein Figurenopfer aufzuhalten. 18.Sc2 Txe3! Ein unerwartetes Qualitätsopfer. 19.Sxe3 Sb4 20.Tc4? 20.Tc7 reicht für ein Remis, analysierten mehrere Großmeister mit Computern. Ld4 21.Te7 Sxd5 22.Te8+ Kg7 23.Kh1 Sxe3 24.Tc1 Sd5 25.Tcxc8 Txc8 26.Txc8 Sc3 27.Txc3 Lxc3 mit Ausgleich. Sxa2 21.Ta4? Verliert endgültig. 21.Sc2 Sc3 22.Ld3 a2 23.Te1 Ld7 24.Tc7 hält das Gleichgewicht. Txa4 22.bxa4 Ld4 23.Kf2 Sb4 24.Tc1 a2! 25.Txc8+ Kg7 26.Tc1 Sxd5 27.Td1 Sxe3 Der Bauer auf a2 entscheidet die Partie. 0:1.
Sein Matt zum Turnierabschluss gegen Meier gefiel Kramnik fast genauso wie die erste Partie.
W: Kramnik S: Meier
1.c4 Sf6 2.Sc3 c5 3.Sf3 e6 4.e3 Sc6 5.d4 d5 6.cxd5 Sxd5 7.Lc4 cxd4 8.exd4 Le7 9.0–0 0–0 10.Te1 Lf6 11.Lb3 Sde7 12.Lf4 Eine interessante Neuerung! Lxd4 13.Sxd4 Sxd4 14.Lc4 Für den geopferten Bauern hat Kramnik Druckspiel und das Läuferpaar. Sec6 15.Tc1 Df6 16.Lc7 e5?! Befestigt zwar den Springer auf dem prächtigen Feld d4, gönnt aber auch dem Schimmel d5. De7 hält die Waage. 17.Sd5 Dg5 18.f4! exf4 19.Lxf4 Dh4?! Dg4 ist präziser. 20.Lg3 Dd8?! Dg5! verhindert 21.Sc7? wegen des Zwischenzugs Lg4 22.Da4 Tad8 und Schwarz steht plötzlich sehr gut. 21.Sc7 Tb8 22.Sb5 Ta8 23.Ld6 Te8?? Sxb5! leistet mehr Widerstand. 24.Lxf8 Dxf8 25.Lxb5 Le6 26.Lxc6 bxc6 27.Txc6 Lxa2 28.b3 Db4 29.Te3 g6 30.Dc2 Dd4 31.Tcc3 Td8 32.Tcd3 Da1+ 33.Kf2 Tb8 34.Td1 Df6+ 35.Kg1 Db6 36.Tdd3 Da6 hält mit knapper Not den Läufer auf a2. Weiß steht dennoch auf Gewinn.

Check, Check, Check! Cha, Cha, Cha!

24.Lxf7+! Kxf7 25.Dh5+ g6 Kf6 26.Txe8. 26.Dxh7+ Kf6 27.Sxd4 Sxd4 Txe1+ 28.Txe1 Dxd6 29.Tf1+ Ke5 (Lf5 30.Sxf5 gxf5 – Dc5+ 31.Se3+ mit ebenfalls baldigem Matt – 31.Txf5+ Ke6 32.Df7 matt) 30.Sf3+ Kd5 31.Td1+ Kc5 32.Txd6. 28.Dh4+ Kf7 29.Tc7+ Ld7 Dxc7 30.Tf1+ Lf5 31.Lxc7 ist hoffnungslos. 30.Dh7+ Kf6 31.Tf1+ Ke6 32.Dxg6+ Kd5 Meier beweist Humor und gönnt seinem Widersacher wie dem Publikum ein sehenswertes Schlussbild – nach dem nächsten Zug!

33. Matt in einem!
 

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