(Fast) der einzige Lichtblick aus Kuppenheimer Sicht: Ein Remis gegen Silvia Spiegelberg (Foto: Deutsche Schachjugend)

Rochade Kuppenheim steht wegen eines 4:4 vor dem Abstieg / Protest nach unmöglichem Zug: Fünf Minuten statt sieben Sekunden Bedenkzeit für Narbawi
Von Hartmut Metz
In 35 Jahren Vereinsgeschichte glaubt man, alles erlebt zu haben – doch in der Oberliga gab es nun ein Novum für die Rochade Kuppenheim: Die Schach- gemeinschaft gewann gegen Dreisamtal drei Bretter kampflos und kam dennoch nicht über ein 4:4 hinaus! Mit jeweils 5:11 Punkten stehen damit beide Mannschaften vor dem Abstieg. Die Hausherren ließen zur Überraschung der Rochade die vordersten Bretter unbesetzt, weil ihre Spitzen gleichzeitig in der eidgenössischen Nationalliga A antraten und lieber dort zeitgleich ihre Fränkli verdienten. Dass Branko Filipovic und Hans-Jürg Känel wegen des Saison- auftakts in der Schweiz fehlen würden, hatten die Gäste auf der Rechnung – dass aber auch noch Kaspar Kappeler aufgeboten würde, traf die Kuppenheimer unerwartet. So kamen zwar Timothée Heinz, Jean-Luc Roos und Hubert Schuh zu kampflosen Zählern. Die Kuppenheimer hatten indes nicht mit diesem Coup gerechnet und waren an den folgenden Brettern auf andere Gegner vorbereitet. Mit ein Grund, dass Hartmut Metz gegen Hans-Elmar Schwing sang- und klanglos unterging. Auch Velimir Kresovic zog gegen Max Scherer chancenlos den Kürzeren. Als zudem Jochen Klumpp am letzten Brett seinen Vorteil gegen Silvia Spiegelberg nicht ausbauen konnte und remisierte („Ich übersah einen Damenzug von ihr, danach hatte ich nicht mehr viel“), stand es nur noch 3,5:2,5 für den Tabellenachten.
Das Zittern begann. Günther Tammert probierte alles bis zum letzten Bauern, doch mehr als ein Unentschieden kam auch bei ihm nicht heraus. Vlatko Duilovic war meist positionell am Drücker und verdiente sich deshalb den halben Zähler gegen den Taktiker Tammert. Daher hing alles vom siebten Brett ab: Eröffnungsexperte Joachim Kick stand wie immer sehr gut, büßte indes nach und nach seinen Vorteil ein. Im letzten Zug vor der Zeitkontrolle machte Parwis Narbavi mit sieben Sekunden auf der Uhr in kritischer Stellung einen unmöglichen Zug mit der Dame vom Feld g5 nach e2! Den musste er nach sofortiger Reklamation von Kick zurücknehmen – doch danach vergingen rund fünf Minuten, bis der Schiedsrichter die komplizierten elektronischen Uhren frisch gestellt hatte! Genug Zeit für Narbavi, die beste Fortsetzung zu finden und mit einer verbliebenen Sekunde auf der Uhr auszuführen. Obwohl dem stets fairen Narbavi keine Absicht unterstellt wird, bedeutete dies in schwieriger Stellung von ihm eine Wettbewerbsverzerrung. Die Rochade Kuppenheim legte umgehend Protest ein. Kick ruinierte anschließend die Remisstellung mit je einem Turm, ungleichfarbigen Läufern und jeweils drei Bauern entnervt.
Das 4:4 hilft vermutlich keiner Mannschaft. Beide Klubs brauchen bei drei Absteigern Schützenhilfe, um Ettlingen und Freiburg-Zähringen 1887 (beide 6:10) zu überflügeln. Die Bundesliga-Reserve des SV Hockenheim (3:13) steht als erster Absteiger fest. Die Rochade hat mit dem Tabellenzweiten OSG Baden-Baden III zudem die höchste Hürde zu nehmen und ist nichts mit den Leistungen dieser Saison zu erwarten – die einzige Hoffnung besteht darin, dass Kuppenheim gegen den Überverein des Bezirks meist zu großer Form auflief und schon manche Sensation im Pokal schaffte … Sollte ein Protest jedoch fruchten und Kuppenheim eine Wiederholungspartie zwischen Kick und Narbawi zugestanden werden, könnte die Rochade ebenfalls auf sechs Zähler kommen – und dann könnte sogar theoretisch noch Waldshut-Tiengen (8:8) wegen der schlechteren Brettpunkte absteigen, sofern der Tabellenfünfte gegen Zähringen verliert und die Teams dahinter alle siegen! Von einem Ettlinger Sieg über Hockenheim II darf dabei fest ausgegangen werden.
Unabhängig von einer BSV-Entscheidung und der kläglichen Kuppenheimer Vorstellung wirft das Match mehrere Fragen auf: Das beginnt bereits mit der Aufstellung der Dreisamtäler – in jeder anderen Sportart ist es zum einen nicht möglich, Spieler einzusetzen, die zur selben Zeit für Dritte auflaufen. Zum anderen verzerrt es den Wettbewerb, wenn die Spieler nicht aufrücken müssen. Zum Beispiel im Tischtennis (und vermutlich allen anderen Sportarten genauso) kann man nur hintere Positionen abschenken.
Auch wenn Narbawi als bekanntem Sportsmann keine Absicht unterstellt wird und er sich nach dem Fauxpas entschuldigte – theoretisch eröffnen die elektronischen Uhren mit dem Fischer-Modus Manipulationen Tür und Tor. Im Prinzip kann jeder in Zeitnot einen unmöglichen Zug ausführen. Der Gegner bekommt zwar danach eine Zeitgutschrift – bis die komplizierten Uhren aber neu gestellt sind, kann der Unhold minutenlang ungestört nachdenken! Der Schiedsrichter bekam den unmöglichen Zug nicht mit – und war danach ratlos, weil Narbawis Uhr natürlich plötzlich 37 statt 7 Sekunden Bedenkzeit anzeigte. Im Nachhinein kam den Kuppenheimern erst in den Sinn, dass der Referee am besten auf die Uhr gedroschen und ergänzt hätte: „Bei 30 Restsekunden ist die Partie auf Zeit verloren“ – aber wer denkt an so etwas, zumal überall mit anderen Bedenkzeiten (und mal mit und mal ohne Zeitgutschrift) gespielt wird?

    SGEM Dreisamtal 2205     SGR Kuppenheim 2205 4 4 4
1 1 Filipovic,Branko 2401   1 Heinz,Timothée 2357 + 0.56
2 2 Kaenel,Hansjuerg 2284   3 Roos,Jean-Luc 2242 + 0.56
3 3 Kappeler,Kaspar 2255   4 Schuh,Hubert 2331 + 0.39
4 4 Schwing,Hans-Elmar 2285   6 Metz,Hartmut 2264 1 0 0.53
5 5 Scherer,Max 2242   7 Kresovic,Velimir 2146 1 0 0.63
6 13 Duilovic,Vlatko 2123   8 Tammert,Günther 2140 ½ ½ 0.47
7 14 Nabavi,Parwis 2123   9 Kick,Joachim 2073 1 0 0.57
8 18 Spiegelberg,Silvia 1929   10 Klumpp,Jochen 2086 ½ ½ 0.29

 

Partien online nachspielen: (Dank an Stefan Haas)

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