Kamsky – Mamedjarow: Ein Zweckopfer heiligt die Mittel: Schwarz gibt im nächsten Zug auf! (Houdini setzt Matt in 9)

Topfavorit Aronjan scheitert frühzeitig beim Weltcup in Tromsø
Von Hartmut Metz

Kaum gelobt schon rausgeflogen: Gata Kamsky schied im Weltcup-Viertelfinale in Tromsø aus. Der Weltcup-Sieger von 2007 zog in der zweiten Partie gegen Jewgeni Tomaschewski den Kürzeren. Zuvor war dem US-Amerikaner aber eine Glanzpartie gelungen, die in der nachstehenden Meko analysiert wird.

Magnus Carlsen verzichtet auf das Heimspiel: Im norwegischen Tromsø kämpften 128 Schachspieler beim Weltcup um die Chance, doch noch einen von zwei Plätzen für das nächste WM-Kandidatenturnier zu ergattern. In diesem wird der nächste Herausforderer des Weltmeisters ermittelt. Carlsen ist mindestens wieder dort dabei – und wenn es optimal für den Weltranglistenersten läuft, wartet er ohnehin geduldig auf den Sieger des Kandidatenturniers und verteidigt gegen diesen den WM-Titel. Der 22-Jährige weilte vor wenigen Tagen in Chennai, um im Heimatort von Weltmeister Viswanathan Anand die Spielbedingungen zu inspizieren. Vor dem Match im November wurde der Herausforderer des „Tigers von Madras“ freundlich aufgenommen und in einer Schule nicht nur wegen seiner Simultanvorstellung groß gefeiert. Angespannter zeigen sich die schärfsten Rivalen Carlsens daheim in Tromsø: Der Weltranglistenzweite Lewon Aronjan, der 2005 den Weltcup gewann, flog bereits wie das Gros der 128 Starter aus dem mit 1,28 Millionen Dollar Preisgeld dotierten Wettbewerb. Als Favorit auf die rund 80 000 Dollar Siegprämie gelten nun die bis dato relativ souverän ins Viertelfinale eingezogenen Fabiano Caruana (Italien) und der russische Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik.
Eine starke Vorstellung bietet auch Gata Kamsky. Der für die USA spielende Tartare war zwar nach einem verpassten hübschen Damenopfer mit baldigem Matt in Runde zwei schon fast ausgeschieden. Doch dank gewohnter Zähigkeit riss Kamsky das Ruder im Schnellschach herum und schlug den Russen Alexander Schimanow nach Verlängerung mit 3:1. Dass der von 1996 bis 2004 pausierende Vizeweltmeister von 1995 aber auch taktisch schlagkräftig ist, bekam Schachrijar Mamedjarow im Achtelfinale zu spüren. Der 39-jährige Kamsky spielte eine brillante Angriffspartie. In der Form könnte er seinen Weltcup-Sieg von 2007 wiederholen!

W: Kamsky S: Mamedjarow
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.f4 d6 7.Le3 Sf6 8.Df3 a6 9.Ld3 9.0–0–0 ist eine Alternative. Doch Kamsky hat in der Scheveninger-Variante andere Pläne mit der kurzen Rochade, wie sich gleich zeigt. Le7 10.0–0 0–0 11.Kh1 Ld7 12.Tae1 Die Spielweise ist weniger extrem als bei gegensätzlicher Rochade. Dort rollt Weiß mit g4, g5 an, während Schwarz mit dem Bauernvorstoß b5 nebst b4 Konterchancen sucht. Im vorliegenden Fall muss sich Kamsky nun weniger Sorgen um seinen Monarchen machen, ihm fehlen dafür aber Bauernzüge am Königsflügel zur Unterstützung der Attacke. b5 13.a3 Tab8 14.Sxc6 Lxc6 15.Dh3 Weiß hat das etwas einfachere Spiel, wirken doch die Angriffsmöglichkeiten mit Blick gegen h7 gefährlicher als die schwarzen Bemühungen am Damenflügel. Tfd8?! Eine nicht ganz überzeugende Neuerung. Tbd8 wurde schon vor 50 Jahren von Viktor Kortschnoi gegen Arkadij Nowopaschin 1963 bei der UdSSR-Meisterschaft in Leningrad versucht. 16.Ld4 (16.e5? erweist sich als Schnitzer, denn dxe5 17.fxe5 Dxe5 18.Txf6 pariert Schwarz mit Txd3!, was die Mattdrohung auf h7 aufhebt und ihm bessere Aussichten gewährt) e5 (h6 schwächt die Bauernkette vor dem König. 17.Te3) 17.fxe5 dxe5 18.Sd5 Lxd5 19.exd5 exd4 20.Txf6 g6 21.Tc6 ist für Weiß etwas besser. 16.Ld2!? Nicht viel bringt nach Ansicht des ukrainischen Großmeisters Michail Golubew 16.e5!? dxe5 17.fxe5 Dxe5 18.Lf4 Dh5 19.Dxh5 Sxh5 20.Lxb8 Txb8 21.Le4 Le8 Das Endspiel ist nur minimal günstiger für Weiß. Am logischsten sieht erneut 16.Ld4! aus: e5 17.fxe5 dxe5 18.Sd5 Lxd5 19.Lxe5! Dxe5 20.exd5 Dxd5 21.Txf6! Dxd3!! 22.cxd3 Lxf6 und ungeachtet des Vorteils von Dame gegen Turm und Läufer sollte Schwarz die Stellung halten können. Der Anziehende hat die Schwäche d3 und keine Ansatzpunkte im feindlichen Lager. d5 Als Fehler entpuppen sich Sd7? 17.Sd5!± exd5 18.exd5 Sf8 19.dxc6 Lf6 20.b3± und vor allem 16…e5? 17.Sd5 Lxd5 18.exd5 e4 19.Txe4!± Sxe4 20.Lxe4 g6 21.f5 Dd7 22.Lc3 Tdc8 23.fxg6 Dxh3 24.gxf7+ Kf8 25.gxh3 Txc3 26.bxc3 h6 27.Ld3 Tc8 28.c4 Tc5 (bxc4? 29.Lf5 Tb8 30.Le6 Kg7 31.Tg1+ Kf6 32.Tg4 c3 33.Tf4+ Kg7 34.Tc4 Lf8 35.Txc3+–) 29.cxb5 axb5 30.Tf5 mit deutlich besserer weißer Position. 17.e5 Se4 Nun wird es wild. 18.f5! Sxd2! 19.fxe6! Se4! 20.exf7+ Beide Seiten spielten eine Serie von starken Zügen. 20.Txf7 überzeugt weniger: Kh8 21.Dg4 Dxe5 22.Sxe4 (22.Lxe4? Ld6–+) Lf6! (dxe4 23.Txe7 Te8 ergibt Ausgleich) 23.Tf1 dxe4 24.T1xf6 Tg8 25.Tf5 Dxe6 26.Le2 Ld5 mit beiderseitigen Chancen. Kh8 21.Sxd5! 21.e6?! beantwortet Mamedjarow mit g6! Lxd5 22.Txe4! g6! Der einzige Zug. Lxe4?? 23.Lxe4 g6 24.Lxg6 oder 22…h6? 23.Df5! Lxf7 (Dc8 24.e6 Lxe4 25.Lxe4 nebst Matt auf h7) 24.Tc4! g6 25.Txc7 gxf5 26.Txe7 Tf8 27.Lxf5 und Weiß gewinnt. 23.Tef4!? Objektiv gesehen nicht die beste Fortsetzung – indes heiligt der Zweck die Mittel. Schwarz patzt sofort! 23.Te3 Tb6 24.e6 Kg7 25.Dg4 Dc5 26.Tfe1 gleicht aus. Kg7? Dxe5! 24.Lxg6 Dg7 25.Ld3 h6 26.Tg4 Lg5 27.Dg3 Lxf7 28.h4 Lh5 29.hxg5 Lxg4 30.Dxg4 Dxg5 31.De4 Dh5+ 32.Kg1 Dc5+ 33.Tf2 Td7 sollte ungeachtet des offenen Königs für ein Remis reichen. 24.e6!± Tf8 Lg5 beantwortet Weiß mit 25.f8D+ Txf8 26.Tf7+ Txf7 27.Txf7+ Dxf7 28.exf7 Lxf7 und merklich besserer Stellung. 25.De3! Lc5 26.De1! Die hübschen Damenmanöver drohen unangenehme Schachs auf den schwarzen Feldern. Ld6? Mamedjarow verliert die Übersicht. Allein Le7 pariert die schlimmsten Drohungen, gleichwohl 27.c4! bxc4 28.Dc3+ Kh6 29.Lxc4 Lxc4 30.Txc4 Dd6 31.Tc6 Dd5 alles andere als erbaulich für Schwarz aussieht. 27.Th4! Droht ein Turmopfer auf h7, gefolgt von 29.Dh4+ Kg7 30.Df6+ Kh7 31.Dxg6+ Kh8 32.Dh6 matt. Le7 28.De3! Das ist noch stärker als 28.Th3. h5 Lxh4 hält die Stellung genauso wenig. 29.Dd4+ Kh6 30.Dxh4+ Kg7 31.Df6+ Kh6 32.Tf4 Dxf4 (Tb6 33.Th4 matt) 33.Dxf4+ Kg7 34.De5+ Kh6 35.Dxd5 und Weiß gewinnt. 29.Dd4+ 29.Txh5 setzt auch rasch matt. Lxg2+ 30.Kxg2 Db7+ 31.Kh3 gxh5 32.Dg3+ Kh8 33.De5+ Lf6 34.Dxf6 matt. Kh6 30.Txh5+! Schwarz gab auf wegen Kxh5 (gxh5 31.Tf6+ Kg7 32.Tg6+ Kh7 33.Dg7 matt) 31.Dxd5+ Kh6 32.De4 Tg8 33.Tf3 Dc5 34.fxg8D Txg8 35.Df4+ Kg7 36.Df7+ Kh6 37.Dxg8. 1:0.

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