Gates – Carlsen: Weiß zieht (in Gewinnstellung) – und verliert (einzügig)

Microsoft-Gründer unterliegt Weltmeister in nur neun Zügen
Von Hartmut Metz
Erst Google vorgeführt, dann Facebook-Gründer Mark Zuckerberg eine Lehrstunde erteilt und anschließend auch noch Microsoft-Gründer Bill Gates matt gesetzt – was im Geschäftsleben unmöglich erscheint, erledigte Magnus Carlsen binnen weniger Tage en passant. Der neue Weltmeister demontiert nicht nur seine Konkurrenten auf dem Schachbrett wie Anfang der Woche in Zürich, wo der 23-Jährige das bisher stärkste Turnier der Geschichte vor dem Armenier Lewon Aronjan und Fabiano Caruana (Italien) gewann. Auch die Wirtschaftsmogule beeindruckt Carlsen. „Wow, das war schnell!“, raunte Gates, nachdem er in nur neun Zügen matt gesetzt wurde und die ganze Show 62 Sekunden dauerte. Allerdings spielte der Weltrang- listenerste wegen der eigentlich viel zu knappen Bedenkzeit äußerst riskant und stand nach acht Zügen auf Verlust – der Norweger hatte jedoch die Rechnung mit dem „Wirt“ gemacht, Gates nutzte seinen Figuren- gewinn nicht und stürzte ab wie sein Windows-Programm manchmal… „Er fiel auf meine Taktik rein, seine Züge waren aber ganz vernünftig“, lobte Carlsen seinen 58-jährigen Widerpart in einer norwegischen TV-Talkshow und ergänzte wohlwollend, „Bill Gates spielt besser als Mark Zuckerberg, wobei Letzterer großes Talent für das Spiel besitzt.“

Wenige Tage vor der TV-Sendung weilte der Champion auf Einladung von Paypal-Erfinder Peter Thiel im Silicon Valley. Carlsen bekam als Ehrenvorsitzender der Kampagne „First Move“ einen Scheck über eine Million Dollar für Schulschach-Projekte in den USA überreicht. In einem Simultan fegte er ein Google-Schachteam mit 10:0 von den Brettern. Mit Zuckerberg traf sich der 23-Jährige danach und war bei der Lektion von den schachlichen Lern- fähigkeiten des Facebook-Gurus beein- druckt. Die beiden wollen Kontakt halten. „Gut, dass er bei Facebook ist“, scherzte Carlsen später in dem beliebten sozialen Netzwerk. Und bei einer Podiumsdiskussion zeigte er sich ebenfalls schlagfertig, als die Frage auftauchte, welche Elo-Weltranglistenzahl wohl Gott besäße: „Der hat sicher Besseres zu tun, als Schach zu spielen!“
In der Partie gegen den zweitreichsten Mann der Erde hinter dem Mexikaner Carlos Slim bekam Carlsen die schwarzen Steine und nur 30 Sekunden Bedenkzeit. Davon benötigte der Weltmeister zwölf Sekunden, Gates verbrauchte 50 seiner 120 Sekunden, bevor sein König ein Matt ereilte. Gates grämte sich jedoch nicht. „Das Ergebnis steht schon vorher fest“, hatte der Computer-Titan bereits vor dem ersten Zug geahnt und gestand auf die Frage, wann er sich intellektuell überfordert fühle: „Wenn ich eine Partie mit ihm spiele.“

W: Gates S: Carlsen
1.e4 Sc6 Solch einen Zug spielt Carlsen sonst nie gegen den Aufzug des Königsbauern – allein der Russe Alexander Morosewitsch entwickelte einige Zeit einen Hang dazu. 2.Sf3 d5?! Auch die Fortsetzung ist zweifelhaft – doch Carlsen hat sicher schon seine Angriffsideen im Hinterkopf. 3.Ld3? Der Läufer verstellt die eigenen Reihen. Dagegen verspricht 3.exd5 Dxd5 4.Sc3 Da5 5.Lb5 Ld7 6.d4 Weiß einigen Raum- und Entwicklungsvorteil. Sf6 4.exd5 Dxd5 5.Sc3 Dh5 6.0–0 Lg4 7.h3? Nach 7.Le2 hätte es Carlsen extrem schwer gehabt, mit seinen verbleibenden 18 Sekunden ein Matt zu erzwingen. Se5?! Ein Fehler – doch der Weltmeister baut darauf, dass der Hobbyspieler die Tricks nicht durchschaut und blinden Auges ins Mattnetz läuft. So kommt es auch. Lxf3 8.Dxf3 Dxf3 9.gxf3 0–0–0 beschert Schwarz leichten Vorteil, den der norwegische Endspielkünstler wohl gegen einen anderen Großmeister verwerten würde – angesichts der knappen Bedenkzeit ist diese Variante allerdings keine Option, weil das Matt noch zahlreiche Züge entfernt liegt. 8.hxg4! Sfxg4 Gates steht auf Gewinn! 9.Sxe5?? Der Patzer, auf den Carlsen guten Mutes vertraut hatte. Mittels 9.Te1 verschafft Weiß seinem Köng eine Fluchtroute über f1 nach e2: Sxf3+ 10.Dxf3 (10.gxf3?? Dh2+ 11.Kf1 Dxf2 matt) Dh2+ 11.Kf1 Dh1+ 12.Ke2 und der Monarch entkommt. Dh2 matt.


pgn-Download