Carlsen – Nakamura: Weiß “finished in style”

Weltranglistenerster deklassiert die Konkurrenten in Wijk aan Zee
Von Hartmut Metz
Die Rekordjagd von Magnus Carlsen geht weiter. Der Norweger stand bereits eine Runde vor Schluss als Sieger beim Topturnier in Wijk aan Zee fest. In der letzten Runde musste der 22-Jährige zwar gegen den Niederländer Anish Giri ums Remis zittern, doch der einheimische Jungstar konnte Carlsen auch keine Niederlage beibringen. So belegte der Weltrang- listenerste im Schach mit 10:3 Punkten weit vor den Verfolgern Platz eins. Zwei Mannschaftskameraden von der OSG Baden-Baden folgten in dem 14er-Feld: Der Armenier Lewon Aronjan wies 1,5 Zähler Rückstand auf, Viswanathan Anand lag zusammen mit dem Russen Sergej Karjakin gar zwei Punkte zurück – das sind Welten im Schach! Der indische Champion kassierte ausgerechnet in der Schlussrunde gegen den Chinesen Wang Hao seine einzige Niederlage. Die Bestleistung von Garri Kasparow stellte Carlsen beim 75. Jubiläumsturnier an der rauen Küste mit zehn Zählern zwar „nur“ ein – doch die Performance von 2 930 Elo-Ratingpunkten war wieder außerirdisch. Carlsen schraubte so seine aktuelle Elo-Zahl von 2 861 auf noch nie erreichte 2 872. Die Schallmauer von 2 900 rückt damit immer näher. Den unorthodox agierenden Amerikaner Hikaru Nakamura, der mit sieben Punkten Sechster wurde, manövrierte Carlsen in lediglich 31 Zügen aus – ansonsten erdrückte der sportliche Norweger seine Widersacher in ewig dauernden „Seeschlangen“.

W: Carlsen S: Nakamura
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 e5 5.Sb5 d6 6.g3 Jewgeni Sweschnikow, der Vater und Namensgeber der Eröffnungsvariante mit 4…e5 im Sizilianer, hält das Abspiel für harmlos. h5!? Auf der Webseite Chess-news.ru plädiert Sweschnikow für die „kritischere Fortsetzung“ mittels Sf6! 7.Lg5. 7.S1c3 a6 8.Sa3 b5 Bereits eine Neuerung. h4 scheint Sweschnikow logischer. Das kam bereits an gleicher Stätte in Wijk aan Zee anno 1990 zwischen den Engländern John Nunn und Nigel Short aufs Brett. 9.Sd5 Sge7 10.Lg2 Lg4 Carlsen erwartete an dieser Stelle „offen gestanden das Nehmen auf d5“: 10…Sxd5 11.exd5 Se7 12.c3 mit ausgeglichener Stellung. 11.f3 Le6 Der Zug sieht natürlich aus – aber wenn ihn Carlsen mit seinem tiefen Spielverständnis als „sehr seltsam“ geißelt, muss wohl doch Ld7! den Vorzug verdienen. 12.c4 Sxd5 13.cxd5 Sd4 14.Le3 h4 15.0–0 gibt Carlsen als Variante an. 12.c3 h4 13.Sc2 Lxd5? Das schwächt die weißen Felder zu sehr. Sa5 14.Sce3 Tc8 verspricht Ausgleich. 14.exd5 Sa5 15.f4! Ein Zug, auf den fast nur Carlsen kommt! Das „Computer-Kind“ schätzt die Lage wieder einmal unmenschlich gut ein. Sf5 hxg3 16.hxg3 Txh1+ 17.Lxh1 Sf5 18.Dd3 g6 19.Le4 Dd7 oder 19…Db6 20.Kf1 sind schon merklich schlechter für Schwarz. 16.g4! 16.Dg4!? g6 17.Dh3! Lg7 18.g4 Se7 19.0–0 sah vermutlich auch Weiß zu komisch aus, obwohl die Rechner einigen Vorteil versprechen mit einem Plus von mehr als einer Bauerneinheit. h3 17.Le4 Sh4 Dh4+ fürchtet der Anziehende nicht: 18.Kf1 Sh6 19.Tg1 g6 20.Sb4 exf4 21.g5 Sf5 22.Tg4 Dh5 23.De2 Le7 24.Lxf4 und nach 24…0–0 25.Lxf5 gxf5 26.Tg3 Dxe2+ 27.Kxe2 Tfe8 28.Kf1 Sc4 29.b3 Se5 30.Te1 Sg6 31.Sd3 Tac8 32.Ld2 verliert Schwarz kompensationslos den h-Bauern. 18.0–0 „Hier dachte ich schon, dass ich klar besser stehe“, analysierte Carlsen nach der Partie. g6 19.Kh1?! Ein unnötiger prophylaktischer Zug. 19.Dd3 sieht besser aus. Lg7?! Nakamura sollte f5!? wagen. Daraufhin plante Carlsen 20.Ld3! e4 21.Le2. 20.f5 Das Programm „Houdini 3“ bewertet 20.fxe5!? dxe5 (Lxe5?! 21.Sd4!) 21.d6 0–0 22.Dd3 als sehr vorteilhaft für Weiß. gxf5 21.gxf5 Genauso kommt 21.Lxf5 in Betracht. Sg2? Lf6 22.Tg1 mit nur leicht besseren Chancen für Carlsen. 22.f6! „Das hat Nakamura vielleicht übersehen“, mutmaßte der Norweger später. Lf8 Lxf6 23.Df3 Diese Fortsetzung wurde durch den Springerzug nach g2 erst möglich. Th4 24.Lg5! Tf4 25.Lxf4 Sxf4 kostet die Qualität. 23.Df3 23.Lf5 ist ebenfalls sehr stark. Dc7 24.Sb4 Sb7 25.Sc6 Sc5 Sd8 26.a4 bxa4 27.Txa4 macht’s auch nicht besser. Während alle weißen Figuren mitspielen, wirken die schwarzen Pendants nutzlos postiert und unkoordiniert. 26.Lf5 Sd7 27.Lg5 Tg8 28.Dh5 Sb6

29.Le6! Schwarz steht auf verlorenem Posten. Es droht vor allem 30.Se7, wonach die Entscheidung auf dem neuralgischen Feld f7 fällt. Txg5 Sf4 30.Lxf4 exf4 31.Lxf7+! Dxf7 32.Tae1+ Kd7 33.Dxf7+. 30.Dxg5 fxe6 31.dxe6 1:0. Schwarz gab auf wegen Dxc6 32.f7 matt.

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