Italiener startet beim stärksten Turnier der Schach- Historie mit sieben Siegen
Caruana – Aronian: Weiß findet einen fantastischen Zug, der wie ein Patzer aussieht

Von Hartmut Metz
„Allmählich gehen uns die Superlative aus“, räumt selbst der sonst so wortgewaltige Yasser Seirawan ein. Dem US-Großmeister bleibt immer mehr die Spucke weg angesichts der Leistungen von Fabiano Caruana. Der Italiener wurde bereits nach vier Runden nur noch als „Mister Perfect“ bezeichnet, weil der Weltranglistendritte beim stärksten Schach-Turnier aller Zeiten bis dahin sensationell alle Partien gewann. Obwohl alle sechs Teilnehmer in den Top Ten stehen und Caruana auch mal mit einem Remis zufrieden gewesen wäre, baute der in Miami geborene Italiener seine Bilanz weiter aus! Als Wesselin Topalow zu Beginn der zweiten Hälfte erneut aufgeben musste, befand er mit Blick auf die 6:0 Zähler des Spitzenreiters: „In der Geschichte ist das höchstens noch mit den 6,5:0,5 Punkten von Anatoli Karpow im spanischen Linares 1994 zu vergleichen.“
Der Weltranglistensechste schränkte gleich noch ein: „Damals waren die Gegner des Russen aber schwächer!“ Der Bulgare sollte es wissen, denn in dieser Zeit begann sein Aufstieg – und Minuten zuvor war sein König zu Tode gehetzt worden.
Nach dem Opferangriff schmunzelte Fabiano „Fabulous“ Caruana, als Mitkommentator Maurice Ashley „9:1 Punkte am Turnierende“ für realistisch hielt. Daran wollte der Gepriesene keinen Gedanken verschwenden und ergänzte bescheiden: „Was mein Spiel anlangt, bin ich Karpow nicht einmal nahe.“ Tags darauf zerlegte er aber auch noch den Franzosen Maxime Vachier-Lagrave schnell mit Schwarz.
Erst nach dem siebten Sieg stoppte Weltmeister Magnus Carlsen „Mister Perfect“ mit einem glücklichen Remis. Dabei hatte der Weltmeister erneut bange Momente zu überstehen und stand zwischendurch auf Verlust – da Caruana jedoch drei Punkte vor dem Norweger blieb und sich die 100000 Dollar Preisgeld sicherte, ging der neue Weltranglistenzweite lieber auf Nummer sicher. Anders in Runde vier gegen Lewon Aronjan, als der 22-jährige Turniersieger brillant und völlig unerwartet einen Springer opferte.

W: Caruana S: Aronjan
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.d3 b5 7.Lb3 0–0 8.Sc3 d6 9.a3 Sa5 10.La2 Le6 11.Lxe6 fxe6 12.b4 Sc6 13.Ld2 d5 14.Te1 Dd6 15.Sa2 Sd7 16.De2 d4 17.Teb1 Sb6 18.Sc1 Sa4 19.Sb3 Tf7 20.Tc1 Td8 Bisher ist nicht viel passiert. Beide Seiten lavierten harmlos, wobei die ausgeglichene Stellung für Schwarz optisch etwas besser gefällt. Der Turmzug nach d8 statt nach f8 deutet zumindest an, dass Schwarz sich auf der halboffenen f-Linie nicht viel ausrechnet. 21.Sg5!? Tf6?! Die erste Ungenauigkeit. Lxg5 22.Lxg5 Tdf8 23.Tf1 Sc3 24.Dg4 a5 überzeugt im Nachhinein mehr. In der Stellung bestimmt eher Schwarz das Gesetz des Handelns. 22.Dh5 h6 23.Sf3 Tdf8 24.Tf1 T8f7 25.Tae1 Lf8?! Ein unscheinbarer Fehler. Programme halten den Zug für schwach und plädieren für Tf8. 26.h3! Dieser feine Zug plant die Springerüberführung via h2 nach g4 und zeigt das Problem mit dem Läuferzug nach f8 auf: Die schwarzen Türme stehen unglücklich. Vor allem der auf f6 kann in die Bredouille geraten. g6 27.Dh4 De7 Le7! ist etwas nachhaltiger. Nun droht Txf3 mit Läuferangriff auf die Dame. 28.Dg4 (28.Dxh6? verbietet sich wegen Th7 29.Dg5 Txf3 30.Dxg6+ Tg7 31.Dh5 Tff7 und Schwarz hat eine Figur für zwei Bauern erobert.) Kh7 Caruana steht zwar etwas besser, aber der Vorteil bleibt minimal. 28.Dg3 Lg7

29.Sa5!! Ein fantastischer Zug, der auf den ersten Blick wie ein Patzer aussieht. 29.Sh2 Kh7 30.Sg4 Tf4! 31.Lxf4 exf4 32.Df3 e5 33.Sh2 gewinnt zwar die Qualität – aber Weiß kann die Stellung nicht so leicht für seine Türme öffnen. Daher steht der Nachziehende kaum schlechter, insbesondere wenn es ihm gelänge, den g- und h-Bauern zum Königssturm mobilisieren zu können. Sxa5 30.Sxe5!!30.bxa5 scheint die natürliche Antwort zu sein. Txf3! (nur nicht Dxa3? 31.Sxe5 Te7 32.Sxg6 Td7 33.f4) 31.gxf3 Kh7 32.Kh2 Tf6 33.Tg1 Df7 34.Kg2 c5 lässt jedoch Schwarz im Spiel. Sb7 31.Sxg6! Dd8 32.e5 32.f4 überzeugt ebenso. Tf5 33.f4 c5 34.Sh4 Für die Figur erhielt Caruana nicht nur zwei Bauern: Der Springer nimmt überdies den Turm auf f5 ins Visier, und die weißen Königsflügelbauern rücken gefährlich nach vorne. Th5 Hinzu kommt als Problem, dass die schwarzen Figuren reichlich unkoordiniert stehen. Vor allem die Springer leisten am Damenflügel nichts. 35.Sf3 Kh7 Te7 dürfte die zäheste Verteidigung sein, auch wenn sie nicht ausreicht: 36.Dg4 De8 37.Sh4 Sd8 (Td7 38.f5 exf5 39.Sxf5 führt in die Pleite) 38.f5 exf5 39.Sxf5 Txf5 40.Txf5 Kh7 41.De4 Dg6 42.Tef1 (42.bxc5 Sxc5 43.Dh4 Dxf5 44.Dxe7 Sce6±) cxb4 43.axb4 Td7 (Se6 44.Dh4 Tc7 45.Tf6 Lxf6 46.Txf6 Dg8) 44.T1f3 Sc3 45.Lxc3 dxc3 46.Tg3 Dc6 47.Dg4 De6 48.d4 mit Gewinnstellung. 36.Dg4 Thf5 37.Sh4 Kh8 38.Sxf5 Txf5 39.Dg6!+– Nimmt e6 unter Beschuss und bereitet die Bauernwalze mittels g4 vor. De7 40.g4 Tf8 41.f5 De8 42.Dxe8 Txe8 43.f6 Lf8 44.f7 Te7 45.Tf6 Sb6 Kh7 bringt nichts: 46.Lxh6! Lxh6 47.Txh6+ Kg7 (Kxh6 48.f8D+) 48.Th7+! Kf8 49.Tf1 und der f-Bauer entscheidet. 46.Lxh6 Sd7 47.Tef1! cxb4 48.axb4 Lxh6 Sxf6 49.Lxf8 Txf7 50.Txf6. 49.Txh6+ Kg7 50.Th5 1:0 Aronjan gab auf wegen Txf7 (oder Sf8 51.Tg5+ Kh7 52.Tg8) 51.Th7+!! Kxh7 52.Txf7+ Kg6 53.Txd7.

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