Bogoljubow – Aljechin: Weiß “retuschiert” die Figuren weg – und gewinnt das Endspiel leicht

Zu füllig? Optimist Bogoljubow wurde nie Schach-Weltmeister (Teil III)
Von Hartmut Metz
Jefim Bogoljubow war nicht nur ein ewiger Optimist. Zahllose Anekdoten rankten sich so um den Triberger, der vor 125 Jahren in der heutigen Ukraine geboren wurde (dritter und letzter Teil der Serie zum Jubiläum). Aber genauso stand seine Körperfülle häufiger im Mittelpunkt. Die nahm vor allem nach dem Ersten Weltkrieg in der neuen Heimat im Schwarzwald zu. So gab der Großmeister in einem Örtchen in der Schweiz ein Simultan. Ein Fotograf sollte dieses denkwürdige Ereignis festhalten. Vorn stand der Großmeister, dahinter war die lange Reihe der Gegner zu sehen – doch als die Organisatoren die Fotos ausgehändigt bekamen, vermissten sie Bogoljubow darauf! Der deshalb zur Rede gestellte Fotograf begründete unaufgeregt: „Ach, der Dicke da vorn, den habe ich wegretuschiert. Der hatte ja gar nichts damit zu tun!“ Ebenfalls in der Schweiz begab es sich, dass Ossip Bernstein seinen einstigen Landsmann nach vielen Jahren wieder einmal traf. Beim Berner Turnier bemerkte der Russe angesichts seines ziemlich füllig gewordenen Freundes: „Gut siehst du aus. Der reinste Doppelbauer!“
Bogoljubow nahm’s heiter, wie eine Anekdote aus Göteborg belegt: Nach dem Turniersieg des ebenfalls vor 125 Jahren geborenen Richard Reti klopfte ihm Bogoljubow gönnerhaft auf die Schulter und befand: „Trotzdem wirst du niemals Weltmeister, du bist dafür viel zu dick!“ „Aber du bist ja selbst viel dicker als ich!“, konterte Reti erstaunt. „Ja, aber ich bin Bogoljubow!“, kam es gewohnt „bescheiden“ zurück.
Weltmeister wurde der badische Spieler, der am 18. Juni 1952 in Triberg starb, aber auch selbst nie. Die Körperfülle? Vielleicht. Als er 1929 endlich die Verhandlungen mit Weltmeister Alexander Aljechin zum Abschluss gebracht und das Preisgeld halbwegs zusammen hatte, war der 40-Jährige bereits über seinen Zenit hinaus. Auf der in Wiesbaden beginnenden Tour, die bis nach Holland führte, unterlag der Herausforderer gegen seinen früheren Mitgefangenen im Rastatter Internierungslager 1914 mit 9,5:15,5. Fünf Jahre später versuchte „Bogo“ nochmals sein Glück. Am 1. April 1934 begann die WM in Baden-Baden. Drei Partien wurden im Kurhaus ausgefochten. Eine gewann Aljechin, zwei endeten friedlich. Das Match, das überwiegend in Süddeutschland ausgetragen wurde, ging erneut deutlich mit 15,5:10,5 an den Titelverteidiger.

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Nachstehend Bogoljubows überzeugendster Sieg im WM-Duell 1929.

W: Bogoljubow S: Aljechin
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 dxe4 5.Sxe4 Le7 6.Lxf6 gxf6 Ein dynamischer Versuch. Beim Nehmen mit dem Läufer steht Weiß wegen des agileren Läufers etwas besser. 7.Sf3 f5 8.Sc3 c6 9.g3 Sd7 10.Lg2 Dc7 11.De2 b5 12.Se5 Lb7 13.0–0–0 Sb6?! Sxe5 ist solider. 14.Dh5! Tf8 15.f4 b4 16.Se2 Sd5 17.Lxd5! cxd5 18.Kb1 a5 19.g4! fxg4 20.f5! Weiß öffnet mit mehreren starken Zügen die Linien in Richtung König. exf5 21.Dxf5 a4 22.The1 Ein guter Zug. 22.Thf1 La6 23.Tf2 b3 24.cxb3 axb3 25.axb3 gefällt dem furchtlosen Rechner allerdings mehr. a3 23.b3? Ein automatisch ausgeführter Zug, um die Stellung geschlossen zu halten. 23.Sf4! ist brandgefährlich für Schwarz: Ta6 (Dd6 24.Sh5 axb2 25.Sg7+ Kd8 26.Sxf7+ Txf7 27.Dxf7 und Weiß gewinnt) 24.Sxg4 Lc8 25.Txe7+! Kxe7 26.Sxd5+ Kd8 27.Dg5+ f6 28.Sgxf6 h6 29.Dh4 Dg7 30.Sh7+ (30.Se4+ reicht ebenso) Kd7 31.Sxf8+ Dxf8 32.Dh3+ Kd8 33.Dg3 Tc6 34.Te1 axb2 35.Dh4+ Kd7 36.Te7+ Kd6 37.Dg3+ Kxd5 38.Te5+ Kxd4 39.De3+ Kc4 40.Dd3 matt. Lc8 24.Dxh7 Le6 25.Dd3 0–0–0 26.c3 Kb7 27.Tc1 Db6 28.cxb4 28.Sf4 war wie schon ein paarmal zuvor überzeugender. Lxb4?! Tc8! gönnt dem Gegner lediglich ein kleines Plus. 29.Tc6 Da5 30.Tec1 Tc8 31.Sf4 Ld6? Txc6 ist Pflicht. 32.Sxc6 Db6 33.Sxe6 fxe6 34.Se5 mit einigem Vorteil für Bogoljubow. 32.Sxe6 Auf den Trick 32.Txd6?? fällt Bogoljubow natürlich nicht herein. Txc1+ 33.Kxc1 De1+ 34.Kc2 Tc8+ 35.Tc6 Txc6+ 36.Sxc6 Df2+ 37.Dd2 Lf5+ 38.Kc3 Dxd2+ 39.Kxd2 Kxc6 40.Se2 Le4 41.Ke3 f5 42.Kf4 Kb5 43.Ke5 Kb4 44.Sf4 Der einzige Zug! 44…Kc3 45.Sxd5+ Kb2 46.Sb4 Kc3 47.Sd5+ Kb2 48.Sb4 mit Remis. fxe6 33.Dh7+! Tc7 34.Txc7+ Lxc7 35.Dd7 35.Sd7 überzeugt noch mehr: Te8 36.Sc5+ Ka8 37.Dd7 Tb8 38.Dxe6. Db6 36.Sd3 Td8 Kb8 37.Tc6 Da7 38.Tc5 und Schwarz hat keine ausreichende Verteidigung mehr: Tf1+ 39.Kc2 Db7 40.De8+ Ka7 41.Da4+ Kb8 42.Sb4 Lb6 43.Sc6+ Kc7 44.Sa5+ Lxc5 45.Sxb7.

37.Txc7+!! Dxc7 38.Sc5+ Kb6 39.Dxc7+ Kxc7 40.Sxe6++– Kd7 41.Sxd8 Kxd8 42.b4

Das Bauernendspiel ist leicht gewonnen. Kd7 43.Kc2 Kc6 44.Kb3 Kb5 45.Kxa3 Kc4 46.b5 Kxb5 47.Kb3 Ka5 48.a4 Ka6 49.Kb4 Kb6 50.a5+ Kc6 51.Ka4 1:0.


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