Pfleger – Tal: Weiß pariert alle Drohungen und wickelt ab zum Remis

Deutscher Schach-Guru Helmut Pfleger feiert 70. Geburtstag
Von Hartmut Metz
Helmut Pfleger hat seinen Frieden geschlossen mit dem Etikett des „Märchenonkels“. Man muss kein Psychoanalytiker wie der Münchner sein, um zu wissen, dass ihn Großmeister-Kollegen damit verächtlich machen wollen, ja „herablassend und despektierlich“ behandeln. Neid schwingt mit, weil Pfleger statt mit tiefgründigen Partieanalysen durch Anekdoten und Wortwitz den Laien für das königliche Spiel begeistert – und so maximalen Erfolg feierte. „Natürlich hat mich die Kritik gewurmt. Heutzutage tut sie das aber viel weniger“, bemerkt der Arzt, denn zahllose lausige Hobbyspieler vergöttern ihn ob seiner leicht verständlichen wie unterhaltsamen Kost. Seit 32 Jahren veröffentlicht der Jubilar, der am Dienstag 70 wird, in der „Zeit“ seine Schachkolumne. Mehr als 1 600 Ausgaben sind es seitdem. Egal, welche Veränderungen es im Magazin des renommierten Wochenblatts gab – Pflegers Schachaufgabe blieb ein Fels in der Brandung und überlebte jede Veränderung. „Ich versuche, den Zuschauern das Schach mit Metaphern und Allegorien näher zu bringen, ohne mich auf den rein technischen Part zu beschränken. Das mache ich, weil man ansonsten viele einfach abschrecken würde“, erläutert der frühere Nationalspieler seine Herangehensweise.
Gleiches galt für all die Fernsehsendungen, mit denen er ab 1977 bei späteren WM-Kämpfen zwischen Anatoli Karpow, Viktor Kortschnoi und Garri Kasparow Millionen vor die Bildschirme lockte. Das stärkte das Selbstwertgefühl des Großmeisters ungemein: „Ich bin im Fernsehen!“, gewährte Pfleger in einem aktuellen Interview im Magazin „Schach“ ungewohnt tiefe Einblicke in sein Seelenleben, das seit seiner Kindheit von dem dominierenden Vater bestimmt wurde.
Dabei hätte Pfleger durchaus früh Anlass gehabt, auf seine Leistungen stolz zu sein. Siege über Legenden wie Kortschnoi oder Bent Larsen finden sich in seiner Vita. Bei der Schach-Olympiade in Tel Aviv 1964 wurde er im Turnierbuch als die „Entdeckung“ gefeiert, weil er mit beachtlichen 12,5:2,5 Punkten wesentlich zur deutschen Bronzemedaille beitrug. Mitte der 70er Jahre zählte Pfleger zu den Top 50 der Welt, obwohl er wöchentlich „80 Stunden in der Facharztausbildung zum Internisten“ arbeitete und nur im daraus resultierenden dreimonatigen Urlaub ans Turnierbrett ging. „Schach bedeutete mir ein Leben lang viel, aber nie versank ich in ihm“, bekennt Pfleger und schiebt nach, „keinen Augenblick dachte ich daran, Berufsspieler zu werden.“ Bis vor drei Jahren betrieb der Mediziner seine Praxis als Psychoanalytiker. Die britische Kommentatoren-Legende Daniel King, der am 28. August mit seinem 50. Geburtstag ebenfalls ein Jubiläum feiert, schätzt an seinem Kollegen: „Helmut wirkt vor allem sehr menschlich und besitzt Empathie“, äußerte der Großmeister im Doppel-Interview mit Pfleger in der aktuellen August-Ausgabe vom „Schach-Magazins 64“.
Nachstehend das Duell von Pfleger gegen den „Hexer von Riga“, Michail Tal. Das Remis 1973 in Tallinn gegen den Ex-Weltmeister wurde bei einer Umfrage einmal zu einer der „spannendsten Remispartien“ der Schach-Historie gewählt.

W: Pfleger S: Tal
1.d4 g6 2.Sf3 Lg7 3.e4 d6 4.Le2 c5 5.dxc5 Da5+ 6.Sbd2 Dxc5 7.0–0 Sf6 8.c3 0–0 9.Sb3 Dc7 10.Dc2 Sbd7 11.h3 b6 12.Te1 Lb7 13.Lf1 e5 14.Lg5 d5 h6 ist präziser, um den Läufer zu einer Erklärung zu zwingen. Weiß muss sich dann entscheiden, ob er ihn auf f6 abtauscht, was weniger ratsam ist, oder den Läufer auf h4 oder d2 passiver aufstellt. 15.exd5 Sxd5 16.Tad1 h6 17.Lc1 Tad8 18.Sbd2 S5f6?! Sc5! ist aktiver und verheißt Schwarz klar bessere Aussichten. 19.b3 Tfe8 20.Sc4 Lf8 Verhindert 21.Sd6. Den Abtausch 20…Lxf3 21.gxf3 fürchtet Pfleger nicht. Der Zug zerstört zwar die weiße Bauernformation, doch dafür verschwindet der starke Läufer auf b7 vom Brett. 21.Sfxe5! Der Auftakt zu einem wilden Schlagabtausch. Sxe5 22.Txd8 Seg4 Sf3+ 23.gxf3 Txd8 24.Se5 Te8 25.f4 Sd7 26.Sf3 Txe1 27.Sxe1 ergibt ebenso Ausgleich. 23.hxg4 Nach dem schwarzen Zwischenzug muss Weiß wegen des drohenden Matts auf h2 nehmen. Txe1 Sxg4 24.Se5! Dxd8 25.Td1 Dh4 26.Sxg4 Dxg4 27.Le3 verspricht keinen Vorteil. 24.Dd2 Sxg4 25.Txf8+ Kxf8 26.La3+ Kg8 27.Ld6 Nur so pariert Pfleger alle Drohungen und sammelt den Turm auf e1 ein. Txf1+ Tal bleibt auch keine Wahl. Der Turm kann weder gedeckt werden noch eine neue Drohung auf h2 aufgestellt werden. 28.Kxf1 Dd7 29.f3 Df5 30.Se3 Pfleger hat genug gekämpft und wickelt ab. Db1+ 31.Ke2 Sxe3 32.Kxe3 Dg1+ 33.Df2 remis.

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