Gaprindaschwili feiert 75. Geburtstag / Dufter Zug: Parfüm „Nona“ mit Schachfigur-Flakon
Gaprindaschwili – Servaty: Weiß hat sich – zwei Türme weniger – weit aus dem Fenster gelehnt, was nun?

Von Hartmut Metz
Erfolge eines einzelnen Sportlers können ganze Nationen prägen. Kinder wollen plötzlich wie ihr Vorbild sein und eifern ihrem Helden nach. Weitere Erfolge sind die Folge. Im Schach hat niemand ein Land so geprägt wie Nona Gaprindaschwili. Die am 3. Mai vor 75 Jahren in Sugdidi geborene Georgierin begeisterte ihre Landsleute so, dass Horden von Großmeisterinnen in ihre Fußstapfen traten und noch lange nach ihrem Abgang als Weltmeisterin die Szene beherrschten. Deshalb wurden mehrere WM-Titelkämpfe zwischen zwei Georgierinnen ausgefochten. Selbst Gaprindaschwili traf mehrfach auf ihre Landsleute und wurde erst nach 16 Jahren auf dem Thron von Maja Tschiburdanidse abgelöst. Die damals 17-Jährige streckte die georgische WM-Vorherrschaft danach auf fast drei Jahrzehnte (1962 bis 1991). Die Jubilarin war zu Hochzeiten in ihrer Heimat so populär, dass sogar ein Parfüm nach ihr benannt wurde! Zudem gab es neben „Nona“ auch noch „Nana“ zu kaufen. Der Duft trug den Vornamen ihrer WM-Rivalin von 1975, Nana Alexandria. Beide Flakons wurden als Schachfiguren vertrieben.
Gaprindaschwili lernte das königliche Spiel bereits mit fünf Jahren und gewann schon mit 15 die georgische Meisterschaft. Als erste Frau überhaupt errang sie 1978 den Titel als Herren-Großmeister – ausgerechnet in dem Jahr, als die Ausnahmekönnerin das WM-Finale verlor. Ihre Beliebtheit blieb auch in der Zeit danach ungebrochen. 1989 wurde das Ehrenmitglied des Schach-Weltverbandes FIDE zur Präsidentin des Nationalen Olympischen Komitees von Georgien gewählt, obwohl Schach bei den Spielen gar nicht dabei ist.
Auf eine ihrer schönsten Partien wird die dreifache Senioren-Weltmeisterin (1995, 2009 und 2014) häufig angesprochen: In Dortmund 1974 brachte Gaprindaschwili gegen Rudolf Servaty ein geniales doppeltes Turmopfer.

W: Gaprindaschwili S: Servaty
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 g6 5.c4 Lg7 6.Le3 Sf6 7.Sc3 Sg4!
Der stärkste Zug. 8.Dxg4! Die beste Entgegnung. Der Zwischenzug 8.Sxc6 gewinnt keine Figur: Sxe3! 9.Sxd8 (9.fxe3 ist noch schlechter. bxc6 und Schwarz hat den schönen Läufer auf g7 für den schwachen Springer auf c3 und überdies die deutlich bessere Bauernstruktur) Sxd1 10.Txd1 Kxd8 spielt sich für Schwarz angenehmer. Sxd4 9.Dd1 Die Dame weicht zurück, um das drohende Springerschach auf c2 zu parieren und später einen vielleicht einmal drohenden Bauernvorstoß d7–d5 zu verhindern, mit dem der Läufer auf c8 die Dame auf g4 attackiert. e5?! Der Springerrückzug nach c6 oder gar e6 scheint geboten. Durch den Bauernvorstoß schwächt der Nachziehende die Felder d5 und d6. 10.Sb5!? 10.Ld3 d6 11.0–0 0–0 12.Sd5 Le6 13.Dd2 Dd7 14.Tac1 spielt auf leichten positionellen Vorteil. 0–0 11.Le2 Dh4? Da5+! 12.Sc3 d6 13.0–0 Le6 gleicht aus. 12.Sxd4! exd4 13.Lxd4 Dxe4 14.Lxg7 Dxg2? Kxg7 15.0–0 ist nicht sonderlich angenehm für Schwarz, weil die schwarzen Felder um den König geschwächt sind und der d-Bauern rückständig bleibt. Servaty könnte aber noch ums Remis kämpfen.

15.Dd4!! Leitet ein grandioses doppeltes Turmopfer ein. 15.Lf3?? kontert Servaty dagegen mit Te8+ 16.Kd2 Dxf2+ 17.Kc1 Kxg7 Gewiss glaubte er, Gaprindaschwili habe dieses Turm-Zwischenschach nach 15.Lf3 übersehen. Dxh1+ 16.Kd2 Dxa1 Alle anderen Fortsetzungen verlieren auch: Dxh2 17.Lf3 Te8 18.Th1 Dc7 19.Lh8! und f6 20.Ld5+ Te6 (Kf8 21.Dxf6 matt) 21.Dxf6 d6 22.Te1 kostet zu viel Holz; 16…Dc6 17.Lxf8 Kxf8 18.Te1! und Schwarz ist wehrlos: f6 19.Ld3 d5 Noch am stärksten. (a) 19…Da6 20.c5 Da5+ 21.Kd1; b) 19…Db6 20.c5 Dc6 21.Le4 De6 22.Lf3 Da6 (Df5 23.Dd6+ Kg7 24.Te8 Kh6 25.Df8+ Kg5 26.h4+ Kxh4 27.Dh6+ Dh5 28.Df4+ Kh3 29.Dg3 matt) 23.Ld5 Da5+ 24.b4 Dd8 25.Df4 Kg7 26.Dd6 a5 27.Te7+ Kh6 28.Df4+ g5 29.Dxf6+ Kh5 30.Txh7+ Kg4 31.f3 matt) 20.De3! Kg8 (Dd7 21.Dh6+ Kg8 22.Lxg6! dxc4+ 23.Kc1 hxg6 24.Dxg6+ Kf8 25.Dxf6+ Df7 26.Dd8+ Kg7 27.Tg1+ und nur Dg6 verhindert das baldige Matt, ist aber genauso trostlos. 28.Txg6+ Kxg6 29.Dg8+ Kf6 30.h4 b6 31.h5 Lb7 32.Dg6+ Ke7 33.Dg7+ Ke6 34.Dxb7) 21.cxd5 Dd6 (Da4 22.De8+ Dxe8 23.Txe8+ Kf7 24.Lb5 b6 – oder a6 25.Ld7 mit Figuren- oder Qualitätsgewinn – 25.d6 a6 – auf Lb7 geschieht 26.d7 – 26.Lc6 Tb8 27.Td8 f5 28.d7 Lxd7 29.Ld5+ Ke7 30.Txb8) 22.De8+ Df8 23.d6 Lg4 24.d7 Lxd7 25.Dxd7 Db4+ 26.Kd1 Dxb2 27.Te7 Da1+ 28.Ke2 Dxa2+ 29.Kf3 und das Matt ist nicht mehr aufzuhalten.

17.Df6!! 1:0. Ein letzter feiner Zug, den Gaprindaschwili schon vor dem doppelten Turmopfer gesehen hatte. Gegen Lh6 nebst Dg7 matt gibt es keine gute Verteidigung mehr. 17.Lh6? hätte dagegen nur zum Dauerschach gereicht: f6 18.Lxf8 Kxf8 19.Dxf6+ Ke8 20.De5+ Kd8 21.Df6+ Kc7 22.c5 Dxa2 23.Dd6+ Kd8 24.Df8+.

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