Ein „Baden-Badener“ verhilft „Sibirien“ zum Schach-Europapokal
Kramnik – Topalow: Weiß nutzt die Schwächung des gegnerischen Königsflügels – aber nicht am Königsflügel

Von Hartmut Metz
Die OSG Baden-Baden ist seit zehn Jahren das Nonplusultra im deutschen Schach. Die Überlegenheit der Kurstädter wirkt noch deprimierender auf die Konkurrenz als die des FC Bayern München im Fußball – die Münchner haben ja „nur“ die ersten zehn Bundesliga-Spiele gewonnen. Die OSG sammelte hingegen zehn Meisterschaften in Folge und fast ohne Niederlage! Was das internationale Parkett anlangt, liegen die Fußball-Bayern allerdings deutlich vorne. Schon allein, weil die Baden-Badener offensichtlich keinerlei Ambitionen hegen, die „Champions League“ zu gewinnen. Beim Europapokal in Skopje vertraten der Hamburger SK und Werder Bremen die deutschen Farben mehr schlecht als Recht – allerdings hatten sich aus den Hansestädten auch nicht die besten Spieler, sondern eher zwei Hobbytruppen aufgemacht, die unter den 50 Mannschaften die Ränge 24 und 32 belegten mit 7:7 (Hamburg) und 6:8 Punkten. Um beim Europapokal ganz vorne zu landen, muss der Sponsor einiges Geld in die Hand nehmen. Die Großmeister sind nämlich – anders als in allen anderen Sportarten – nicht etwa an ihren Klub gebunden. Das wäre schon allein deshalb kompliziert, weil beim königlichen Spiel die Profis in beliebig vielen nationalen Ligen auflaufen dürfen und sich dort auch ihren Lebensunterhalt sichern. Deshalb spielen sie eben für den Verein, der am meisten bietet.
Drei „Baden-Badener“ kämpften so um Gold in Skopje. Der Armenier Lewon Aronjan holte den Europapokal mit „Sibirien“. Die Russen gaben nur im letzten Duell einen Zähler ab und setzten sich souverän mit 13:1 Punkten durch. Rang zwei ging an „Socar“ (11:3). Das Team um die Nationalmannschaft Aserbaidschans wurde durch die drei Top-Ten-Spieler Wesselin Topalow, Anish Giri, Fabiano Caruana sowie Michael Adams verstärkt. Während Letztere zwei auch für die OSG ans Brett gehen, fehlte ein dritter „Kurstädter“: Arkadij Naiditsch, bis vor kurzem deutsche Nummer eins und von Sandweier nach Baku umgezogen, kommt aber vielleicht nächstes Jahr beim entthronten Titelverteidiger zum Einsatz.
Das Spitzen-Duell in Runde fünf war auch ein Kampf zweier Ex-Weltmeister, die sich seit dem Vereinigungskampf 2006 nicht mehr riechen können: Dem in Skopje mit 4,5:0,5 Punkten überragenden Wladimir Kramnik war sein klarer Sieg über Topalow sicher eine besondere Genugtuung, zumal dieser das 3,5:2,5 über „Socar“ sicherte.

W: Kramnik S: Topalow
1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.e3 c5 4.Ld3 b6 5.0–0 Lb7 6.c4 cxd4 7.exd4 Le7 8.Sc3 d5 9.cxd5 Sxd5 10.Se5 0–0 11.Dg4 f5
Ein verpflichtender Zug, der den e-Bauern rückständig macht – allerdings ist er gut, um den weißen Angriff vorerst auszubremsen. 12.De2 Lf6 13.Lc4 Te8 14.Td1 Sd7 15.Lb5 Lxe5 Gibt das Läuferpaar auf, um den Druck auf der e-Linie und auf den e6–Bauern zu beseitigen. 16.dxe5 De7 17.Sxd5 Lxd5 18.Dh5 g6 Kramnik lockert die schwarze Stellung erneut. Topalow muss den Bauern wegen der Drohung Lg5 aufziehen. Danach hätte die schwarze Dame kein gutes Feld, weil sie den Springer auf d7 gedeckt halten muss. 19.Dh6 Tec8 20.Lg5 Df7 21.Lxd7! Beseitigt den Springer, um hernach dank des schwarzfeldrigen Läufers ohne Gegenspieler angreifen zu können. Der Läufer auf d5 leistet weniger als sein Gegenüber. Dxd7 22.Lf6 Df7 23.b3 Df8 24.Df4 Tc2 25.h4! Die Idee Kramniks ist einfach: h5, Abtausch auf g6 und dann droht auf der h-Linie dem schwarzen König Ungemach. Tac8 Die besetzte c-Linie bringt Topalow vorerst wenig. 26.h5 De8 27.Td3!± T2c3 28.Tad1 gxh5? Der erste dicke Schnitzer. Die Lockerung vermag Weiß sofort auszunutzen – allerdings nicht direkt am Königsflügel, den Topalow bei seinem Zug sicher nur im Hinterkopf hatte. Zäher, aber wohl auch nicht ausreichend ist a6 29.Txc3 Txc3 30.Db4 Tc6 31.Td3 Tc1+ 32.Kh2 g5 33.Lxg5 Dxh5+ 34.Lh4! (bloß nicht 34.Th3?? Th1+!! 35.Kxh1 Dxh3+ 36.Kg1 Dxg2 matt und das Geschehen hat sich komplett verkehrt) Tc7 35.Th3 Tg7 36.f3 Dg6 37.Tg3 Df7 38.Txg7+ Dxg7 39.Dd6 Dh6 40.Kh3 b5 41.Db6! (41.Dxa6 erlaubt Gegenspiel mittels Dc1 42.Lf6 Dh1+ 43.Kg3 f4+ 44.Kf2 oder 44.Kxf4 Dh6+ 45.Kg3 Dg6+ 46.Kh2 Dh6+ 47.Kg1 Dc1+ 48.Kh2 Dh6+ mit Dauerschach) Dg7 42.Lf6 Dg6 43.Dd8+ Kf7 44.Dc7+ Kg8 45.Db8+ Kf7 46.Da7+ Kf8 47.Dxa6 f4 48.Dc8+ Kf7 49.Dd7+ Kg8 50.Dd8+ Kf7 51.Dc7+ Kg8 52.Lh4 Dh5 53.Dd8+ Kf7 54.Df6+ Kg8 55.Dxf4 Df5+ 56.Kg3 Dxf4+ 57.Kxf4 und Weiß gewinnt das Endspiel ungeachtet der ungleichfarbigen Läufer.

29.Txd5!! exd5 30.e6 30.Txd5 T3c7 31.e6 Dxe6 32.Txf5 ergibt nur Zugumstellung. T3c7 31.Txd5 Dxe6 32.Dg5+ Kf8 33.Txf5 Tf7 Schwarz hat keine bessere Verteidigung. 34.Dh6+ Ke8 35.Te5 Tc6 36.Dxh5! Erzwingt die Aufgabe, weil Dame und Läufer leicht gegen die zwei Türme gewinnen. Lediglich 36.Txe6+?? musste noch vermieden werden. Txe6 und Schwarz gewinnt den Läufer zurück. 1:0.

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