Grischuk wird nach Fehlstart in Berlin noch Blitz-Weltmeister
Agdestein – Grischuk: Weiß zieht Tff6 – und übersieht die Gewinnfortsetzung

Von Hartmut Metz
Alexander Grischuk hat nach seinem völlig verkorksten Start bestimmt nicht mehr daran geglaubt, seinen dritten WM-Titel im Blitzspiel nach 2006 und 2012 zu gewinnen! Nach zwei Auftaktsiegen in der Schnell- denker-Disziplin mit drei Minuten Bedenkzeit (plus zwei Sekunden Bonus pro ausgeführten Zug) setzte es nach einem ersten Remis für den Russen zwei Niederlagen – und zur Strafe ging es noch gegen seine mehrjährige Partnerin Katerina Lahno, die dem 31-Jährigen ein zweites Unentschieden abknöpfte. Simen Agdestein hätte in der siebten Runde Grischuk endgültig ausbremsen können. Der Norweger, der als Fußball-Nationalspieler wie als Trainer von Weltmeister Magnus Carlsen für Aufsehen sorgte, verdarb jedoch eine Traumstellung gegen den Weltranglistenzehnten (siehe Partie). Fortan kam der Glückspilz aus Moskau in Fahrt, unterlag nur noch dem Aseri Teimour Radjabow und ging nach 21 Runden mit 15,5 Punkten als Sieger über den Zielstrich.
Die 40 000 Dollar Preisgeld in der Bolle Meierei verpasste der Franzose Maxime Vachier-Lagrave (15) knapp, Dritter wurde der Russe Wladimir Kramnik (14,5), der vor der Schlussrunde geführt hatte. Die Medaillen verpassten Wassili Iwantschuk (Ukraine) und Jan Nepomniachtschi (Russland/je 14,5) knapp. Erst auf Rang sechs taucht Titelverteidiger Carlsen (14) auf. Immerhin hatte der Norweger zuvor in Berlin Platz eins bei der Schnellschach-WM verteidigt. Und der früher bei jeglicher Sparte mit verkürzter Bedenkzeit dominierende indische Ex-Weltmeister Viswanathan Anand (13) musste sich im Kampf um die 200 000 Dollar Preisgeld gar mit Rang 22 bescheiden. Sein Vereinskamerad bei der OSG Baden-Baden, der Rastatter Roland Schmaltz (9), wurde nur 145. unter den 153 Großmeistern und insgesamt 188 Teilnehmern aus 50 Nationen.
Hier der glückliche Sieg Grischuks, ab dem es für den neuen Blitz-Weltmeister lief.

W: Agdestein S: Grischuk
1.c4 g6 2.g3 Lg7 3.Lg2 c5 4.Sc3 Sc6 5.Sf3 d6 6.0–0 e6 7.a3 Sge7 8.Tb1 0–0 9.b4 b6 10.Db3 Lb7 11.Lb2 Tb8 12.Sb5 e5 13.e3 La8 14.Tfd1 Dd7 15.d4 a6? cxd4 16.exd4 a6 17.d5 axb5 18.dxc6 Lxc6 wahrt das Gleichgewicht, weil 19.Sxe5?? scheitert an Lxe5 20.Lxe5 Lxg2 21.Kxg2 Db7+ 22.Kg1 dxe5. 16.dxe5 axb5 17.cxb5?! Erst 17.exd6 ist die richtige Reihenfolge. Sa7 18.exd6 Sf5 19.Lxg7 Lxf3?! Kxg7 sollte geschehen mit nur leichtem weißen Vorteil. 20.Lxf3 c4 21.Dxc4 Sxg7 22.Lc6 De6 23.Dxe6 Sxe6 24.d7 24.a4 gewinnt. Tfd8 25.Td6 Kf8 26.Tbd1 Ke7 27.a4 Sxc6 28.bxc6 Ta8? Sc7 kämpft noch. 29.b5? 29.a5! setzt die Bauernlawine umgehend in Marsch. b5 (bxa5 30.b5 a4 31.b6 Sc5 32.c7 Txd7 33.Txd7+ Sxd7 34.b7) 30.e4 Sc7 31.f4 Tf8 32.Kf2 h5 33.Ke3 Kd8 34.Kd4 Ke7 35.e5 Se6+ 36.Txe6+ fxe6 37.Kc5 Tfd8 38.Kxb5 Tdb8+ 39.Kc5 und die Bauern entscheiden den Tag. Sc7 30.T6d4 Se6 31.Tc4 Sc7

Kaum vorstellbar, dass Schwarz diese Stellung überlebt. 32.g4 32.Te4+ Se6 33.a5 Txa5 34.c7 Txd7 35.Tc1 (35.c8D gewinnt wohl etwas komplizierter. Txd1+ 36.Kg2 Txb5) Txc7 36.Txc7+ Kf6 37.Tb7 Txb5 38.Ta4 und Schwarz büßt den b-Bauern rasch ein, weil Sc5 39.Tf4+ Ke6 40.Tbxf7 gestattet. Ta5 33.g5 33.Te4+ zwingt Schwarz noch mehr in die Defensive. Ein Abspiel dazu: Kf8 34.Kg2 f6 35.Td6 Kf7 36.Kf3 g5 37.Kg3 Taa8 38.f4 h6 39.h4 gxh4+ 40.Kxh4 Tab8 41.g5 hxg5+ 42.fxg5 Th8+ 43.Kg4 fxg5 44.Kf5 Ta8 45.Tf6+ Kg7 46.Te7+ Kg8 47.Tg6+ Kf8 48.Tgg7 Txa4 49.Tef7 matt. Tda8 34.Tdd4 Kd8 35.Th4?! 35.Tf4! Ke7 36.Tce4+ Kf8 37.Tf6 Kg8 38.Tef4 Tf8 39.Txf7 Txf7 40.d8D+. Se6 36.Txh7 Sxg5 37.Th8+? Der natürlich wirkende Zug gibt Schwarz wieder Remischancen. 37.Tg7! Ke7 38.c7 Kxd7 39.f4 Se6 40.Txf7+ Kc8 41.Tc6 und Weiß behält die Oberhand. Kc7 38.Te8 Se6 39.h4 Sc5 40.Te7 Txa4? Ein verständlicher Wunsch, endlich einen der Bauern-Quälgeister zu beseitigen. Se6 41.Txf7 Txa4 ist präziser. 41.Td4? 41.Txa4! setzt sich relativ einfach durch: Txa4 42.Te8 Se6 (Sxd7 43.Te7 Tb4 44.Txd7+ Kc8 45.Txf7 Txb5 46.Kg2 Tc5 47.Tf6 b5 48.Txg6 b4 49.Tg4 Tb5 50.Tg5 Tb6 51.h5 Txc6 52.Tb5 Th6 53.Txb4 Txh5 54.Td4) 43.Tc8+. Td8 42.Txf7 Ta1+? Txd4! 43.exd4 Se6 44.d5 Sd4 45.Kg2 Sxb5 46.Tf3 Kd6 47.Td3 Sc7 48.Kf3 b5 49.Ke4 Sxd5 50.Txd5+ Kxc6 51.Tg5 Txd7 52.Txg6+ Kc5 mit Ausgleich. 43.Kg2 Tb1 44.Tg4? 44.Te7! gewinnt: Txb5 45.Te8 Ta5 (Sxd7 46.Txd8 Kxd8 47.Txd7+ Kc8 48.Tb7) 46.Txd8 Kxd8 47.c7+ Kxc7 48.d8D+. Txb5 45.Txg6 Sd3 46.Te6 Tc5 47.h5! Txh5?! Txc6! 48.f4? 48.Te8! Th8 49.Tfe7 Sc5 50.Txh8 Txh8 51.Te8 Tc5? In Zeitnot häufen sich natürlich die Fehler bei sekundenschnellen Entscheidungen, die zu fällen sind. Sb4 mit erstmals leichtem Vorteil für Grischuk.

49.Tff6? 49.Tf8!! Txf8 (Txc6 50.Txc6+ Kxd7 51.Txd8+ Kxd8 52.Td6+ Kc7 53.Txd3) 50.Te8 Td5 51.Txf8 b5 52.Tc8+ Kb6 53.d8D+ Txd8 54.Txd8 Sc5 55.f5 gewinnt. Sb4 50.e4 Sxc6 51.e5 b5 52.Td6 Txd7 53.Txd7+ Kxd7 Den Vorteil lässt sich der Russe nicht mehr nehmen. 54.Td6+ Kc7 55.Td1 Sxe5 56.fxe5 Txe5 57.Kf3 Das Turm-Endspiel ist nur noch eine Sache der Routine für Grischuk. Kb6 58.Kf4 Te8 59.Tb1 Kc5 60.Tc1+ Kd4 61.Td1+ Kc4 62.Tc1+ Kd3 63.Tb1 Tb8 64.Ke5 b4 65.Kd5 b3 Der letzte wackere schwarze Bauer kostet den weißen Turm. Agdestein gab entnervt auf. 0:1.

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