Naiditsch – Grandelius: Weiß gewinnt – O-Ton Arkadij – “ein wenig zu einfach”

Zäher Naiditsch zeigt es den „Helden mit Computern“: Aufstieg aus dem B-Turnier in Wijk aan Zee
Von Hartmut Metz
Die Festgesellschaft wartete nebenan schon seit einer halben Stunde auf die Siegerehrung, die auf 18 Uhr angesetzt war. Und die Zuschauer auf dem Live-Portal unkten auch bereits seit geraumer Zeit, was denn dieser Naiditsch noch wolle. Die Schachprogramme zeigten seit zwei Stunden an, dass die Stellung hoffnungslos Remis sei. Doch Arkadij Naiditsch wollte es nicht nur „diesen Helden mit Computern im Internet“ zeigen! Der Sandweierer vertrieb den scheußlichen Gedanken, erneut undankbarer Zweiter beim Großmeister-B-Turnier in Wijk aan Zee zu werden. Der 27-Jährige musste in den Vorjahren den Jungstars Magnus Carlsen und Anish Giri den Vortritt lassen, erinnerte sich Naiditsch und mochte sich partout nicht mit dem Gedanken anfreunden, erneut den Aufstieg ins prestigeträchtige A-Turnier 2014 hauchdünn zu verpassen. Also spielte der vieljährige Topscorer der OSG Baden-Baden trotzig weiter, auch wenn er innerlich klagte, „ausgerechnet gegen mich spielt Schlusslicht Sipke Ernst gut“! In einem Endspiel mit jeweils nur noch vier gegenüberstehenden Bauern fand Naiditsch die besten Züge – und Ernst patzte tatsächlich. So konnte die deutsche Nummer eins mit Dame und h-Bauer gegen die Dame gewinnen, auch wenn die Rechner den Remisweg aus ihrer Datenbank den Zuschauern im Web dauernd vorführten. „Ich hatte das Endspiel selbst einmal in Moskau – das war die Hölle, ehe ich es verteidigt hatte“, erinnert sich Naiditsch. Ernst misslang es, sein Bezwinger steigerte sich so auf 9:4 Zähler. Damit wies Naiditsch die bessere Feinwertung als der punktgleiche 16-jährige Ungar Richard Rapport auf – und blieb so endlich einmal in Wijk aan Zee vor einem Jungstar. Vergessen war der schlechte Start des Weltranglisten-29. in den ersten zwei Runden sowie ein einzügiger Figureneinsteller während seiner Aufholjagd. „Ich glaubte, den Läufer mit einer Springergabel zurückzubekommen“, erklärt Naiditsch sein unglaubliches Missgeschick gegen den Niederländer Robin van Kampen. Derlei passiert dem begnadeten Taktiker höchst selten! Sein Können in diesem Bereich bewies er gegen Nils Grandelius in Runde sechs.

W: Naiditsch S: Grandelius
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.g3 e6 7.Lg2 Le7 8.0–0 Dc7 9.f4 Sc6 10.Sxc6 bxc6 11.e5 dxe5 12.fxe5 Sd7
Dxe5?? 13.Lxc6+. 13.Lf4 0–0 14.Se4 Sxe5 15.Dd4 f6 16.Lxe5 fxe5 17.Txf8+ Lxf8 18.Dc4 Db6+ 19.Kh1 Dxb2 20.Tf1 Die Stellung ist ausgeglichen. Schwarz hat zwar zwei Bauern mehr, jedoch eine zersplitterte Bauernstruktur – und vor allem keine Figuren entwickelt mit Ausnahme der Dame. Hingegen stehen alle weißen Kräfte einsatzbereit. Db4 Db5 gefällt Rechnern besser. 21.Dd3!? Ein taktisch gefährlicher Zug. 21.Dxc6 Lb7 22.Dxe6+ Kh8 23.Dxe5 sammelt drei Bauern a tempo ein. Der Nachteil ist, dass Schwarz ins Spiel kommt und dank des Läuferpaares auf Remispfaden wandeln darf. De7 22.h4 Das droht schlicht und ergreifend Sg5 nebst Dxh7 matt. Was macht man automatisch dagegen? h6?? Doch das ist der Verlustzug! Ta7! 23.Sg5 g6 24.Tf7 Dc5 25.Se4 Db6 verteidigt sich noch.

Weiß zieht nun dennoch 23.Sg5!! e4 24.Dxe4 hxg5 25.Dg6! Grandelius gab auf, weil nach gxh4 26.Le4 kein Kraut gewachsen ist gegen das Matt auf h7. 1:0.

S: Naiditsch S: Timman
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.d3 d6 6.c4 Le7 7.h3 0–0 8.Sc3 Sb8 9.0–0 c6 10.Le3 b5 11.Lc2 Lb7 12.d4 Sbd7 13.De2 b4 14.Sa4 c5 15.d5 g6 16.b3 Sh5 17.Kh2 a5 18.Sb2 Kh8 19.g4 Sg7 20.Tg1 Lc8 21.Lh6 Sf6 22.Sd1 Sg8 23.Ld2 f5 24.gxf5 gxf5 25.exf5 Lxf5 26.Se3 Lxc2 27.Sxc2 De8 28.Sg5 Dh5 29.Dxh5 Sxh5 30.Taf1 Lxg5 31.Txg5 Shf6 32.Tg2 a4 33.f4 axb3 34.axb3 Se4?!
Sh5! ist sehr stark und verspricht Schwarz etwas Vorteil. 35.Lc1 exf4 36.Lb2+ Sc3 37.Tf3 Tae8? h5 muss geschehen, um dem König Luft zu verschaffen. 38.Sa3! Sf6? Se7! geht noch. 39.Txc3 bxa3! – aber bloß nicht bxc3?? 40.Lxc3+ Tf6 41.Lxf6 matt. 39.Sb5! Sfe4

40.Sxd6!! Schwarz gab auf. Timman bleibt nur noch die Wahl zwischen immensen Materialverlusten oder einem Matt: Sxd6 41.Txc3 h5 (Sf5 hilft auch nicht. 42.Td3+ Sd4 43.Txd4) 42.Tcg3+ Kh7 43.Tg7+ Kh8 (Kh6 44.T2g6 matt) 44.Te7+ Tf6 45.Lxf6 matt. 1:0.

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Partienanalyse und Smalltalk mit Großmeister Arkadij Naiditsch im Palais Hamilton, Baden-Baden am 5.2.2013:

Aus Weltklasse-Schach im Palais Hamilton