Schmaltz – Ftacnik: Das Auge – weiß am Zug – isst (man) mit

Internet-Schachlegende Roland Schmaltz kehrt aus Australien zurück
Von Hartmut Metz
Roland Schmaltz hat es als erster Großmeister zur Internet-Legende im Schach gebracht. Der gebürtige Mannheimer spielte in den Anfängen, als der Denksport auf Servern einen Boom erlebte, mehr als 100000 Partien – und gewann auch das Gros. Um dieses riesige Pensum überhaupt zu bewältigen, konnten das natürlich keine Turnierpartien mit fünf Stunden Bedenkzeit sein. Dafür müsste man 57 Jahre lang ununterbrochen am Brett beziehungsweise PC sitzen. Schmaltz brillierte in der Internet-Sparte „Bullet“. Die nur eine Minute Bedenkzeit kann man virtuell effizienter ausnutzen als am realen Brett: Der Spieler versucht die gegnerischen Züge zu erahnen, lässt mit der Maus seine Figur schon über dem richtigen Feld auf dem Bildschirm schweben und kaum folgt der Zug des Rivalen, fällt diese Figur aufs Brett. Schmaltz war ein Meister darin, scharfsichtig die Zeit zu optimieren – und wurde seinem Spitznamen „Hawkeye“ gerecht. „Falkenauge“ hatte seine Opfer dank schneller Maus stets fest in den Krallen. Vor knapp acht Jahren wanderte die Internet-Berühmtheit nach Brisbane aus. Die australische Ostküste entpuppte sich aber nicht gerade als schachliches Paradies. „Der Verband macht dort gar nichts. Es gibt so wenige Spieler. Bei den wenigen Turnieren kann es vorkommen, dass man dauernd in der ersten Runde denselben Gegner bekommt mangels Masse“, berichtet Schmaltz. Obwohl „Hawkeye“ rasch die Spitze der nationalen Ratingliste erklomm, erkundigte sich nie jemand vom Verband, ob der Großmeister die Föderation wechseln wolle.

Schachtraining mit Großmeister Roland Schmaltz, Beginn am 24. Oktober, 20 Uhr, danach jeden 3. Donnerstag im Monat im Rochade-Spiellokal “Alter Kindergarten”. Gäste sind willkommen! (Foto: Metz – Schmaltz, Badisches Pokalfinale 2012)

Weil es auch kaum Schachschüler gab, suchte der Profi sein Heil im Poker. Wie viele Schachspieler profitierte er dank bloßen Einsatzes von Logik und Wahrscheinlichkeitsrechnung anfangs vom Hype. „Das war ein Riesenboom. In den fetten Jahren rannte jeder ins Casino“, blickt Schmaltz zurück, doch „wenn’s ums Geld geht, lernt jeder schnell. Inzwischen weiß jeder, wie es geht“. Nach vier Jahren legte er deshalb 2010 die Karten wieder beiseite.
Jetzt kehrte „Falkenauge“ zurück von „Down Under“ und schlug mit seiner neuseeländischen Frau Melany seinen „Horst“ in Rastatt auf. Für die OSG Baden-Baden arbeitet der Großmeister als Jugendcoach und will demnächst nach der B- auch die A-Trainerlizenz machen. Oberligist Rochade Kuppenheim verpflichtete Schmaltz zudem bereits für Übungseinheiten. Nachstehend kommentiert Schmaltz eine wenig bekannte Partie, die er 2006 in Australien glanzvoll gegen Lubomir Ftacnik gewann. „Hawkeye“ brachte den slowakischen Theorieexperten schon in der Eröffnung aus dem Tritt.

W: Schmaltz S: Ftacnik
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e6 6.f4 Diese Variante taugt natürlich überhaupt gar nichts. Aber auf alles andere war mein theoriebewanderter Gegner bestimmt vorbereitet. 6.f3 ist der männliche Weg, um aus dem Anzugsvorteil etwas herauszuholen. Sc6 7.Sf3 Le7 8.Ld3 Der ganze Aufbau wurde mal in einem Schachmagazin „Adams-Variante“ getauft. Selbst habe ich meinen Baden-Badener Vereinskameraden das aber noch nie spielen sehen … Sb4! Der beste Weg, den weißen Aufbau zu bekämpfen. Nach 0–0 9.a3 Kann Weiß seinen Mattläufer behalten. Allerdings sollte Schwarz nach zum Beispiel 9…e5 einen ganz normalen ausgeglichenen Sizilianer haben. 9.Le3!? Mal etwas Neues – üblicherweise spielte ich immer 9.0–0 Sxd3 10.cxd3 0–0 11.Kh1 b6! nebst La6 und Sd7–c5 was Schwarz bequemes Spiel verspricht. Sxd3+?! Etwas überhastet, nun kommt der weiße Plan zur Entfaltung. 0–0 empfiehlt sich. 10.Dxd3! Entwickelt sich weiter. 0–0 11.0–0–0 b6?! Ein wenig passiv. Aktiver ist Da5. Wenig verführerisch ist auch 11…a6?! 12.e5 dxe5 13.fxe5 Dxd3 14.Txd3 Sg4 15.Lb6 f6 16.exf6 Sxf6 17.Se5 und Schwarz steht mit dem Rücken zur Wand. 12.Sd4 Lb7 13.f5 Sg4?! Erst danach kommt Schwarz auf Abwege. Besser gefällt Dd7!? 14.h3 mit der Idee g4 und g5. 14.Kb1? Viel stärker ist 14.Lg1, wonach die weiße Dame auch nach h3 schielt. 14…Se5 15.Dh3 mit leichtem Vorteil. d5? Der Zug hat mich fast vom Hocker gehauen. Was war die Idee? Keine Ahnung, ab jetzt spielt sich alles von alleine. Für bedeutend erträglicher halte ich Dd7 15.h3 Sxe3 16.Dxe3 Tac8 17.g4 und Weiß steht besser. 15.fxe6 dxe4

16.De2! Am einfachsten. Nun steht Schwarz vor einer Menge Probleme. Sxe3 17.Dxe3 Dc8?! Dd6! sieht zwar komisch aus, die Dame im Abzug auf der d-Linie zu behalten, kann aber nicht so einfach widerlegt werden: 18.Sxe4! (18.Sdb5?! Dxe6 19.Sc7 De5 20.Sxa8 Txa8 und Schwarz steht gut dank des Läuferpaars und des Bauern auf e4. Und bei 18.exf7+!? Txf7 19.Sxe4 De5 20.The1 hat Schwarz zumindest aktives Spiel für den Bauern) De5 19.The1 fxe6 20.Sf3 mit einigem Vorteil für den Anziehenden. 18.Sxe4 fxe6 19.The1 Alles schön in die Mitte. Die Springer sind hier deutlich besser als die Läufer. Am einfachsten droht 20.Sg5, wonach Weiß wegen der Schwäche auf e6 großen Vorteil besitzt. Te8? Danach ist es forciert aus.

20.Sb5! Dc6?! Lxe4 21.Dxe4 und Schwarz gehen die guten Züge aus. 21.Sed6 Lxd6 22.Sxd6 Te7 23.Db3! La6!? Der letzte Schummeltrick. Dxg2 scheitert an 24.Sf5 Tf7 25.Dxe6. 24.Sf5 24.Txe6?? kontert Ftacnik mit Lc4! Td7 Dagegen erlaubt Tee8 25.Sxg7!! So war der Schluss eigentlich geplant. Kxg7 26.Dg3+ Kf8 27.Df4+ Kg8 28.Dg5+ Kh8 29.De5+ Kg8 30.Te3+– und baldiges Matt. Das gleiche Manöver gewinnt auch auf alle anderen Königswanderungen.

25.Td6!! Ein wunderbarer Unterbrechungs- und Ablenkungszug. Lc4 Txd6 verliert nach 26.Se7+ Kh8 27.Sxc6 Txc6 28.Txe6 Lc4 29.Df3+– und Weiß verbleibt mit Dame und Bauer gegen Turm und Läufer. 26.Txd7! 26.Dc3 gewinnt ebenso. exf5 27.Df3 Am Ende passte alles wunderbar zusammen. 1:0.

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