Bodnaruk-Jawachischwili: In entfesselter Opferlaune startet Weiß einen mehr- zügigen Mattangriff

Belgisches Schach-Programm verzaubert die Fans
Von Hartmut Metz
Houdini steht als Synonym für Zauberei. Unter dem Künstlernamen Harry Houdini sorgte Erik Weisz (1874-1926) für magische Tricks und Entfesselungskunst. Sein Nachfolger ist aber auch ein „Fesselkünstler“ – auf dem Schachbrett! Das Programm „Houdini“ fesselt nicht nur geschickt gegnerische Figuren, sondern findet auch noch oft eine Rettung in scheinbar hoffnungsloser Lage. Daher passt der Name für die Software – und noch mehr gilt dies, weil der Nachname seines Erschaffers, Robert Houdart, mit denselben vier Buchstaben beginnt wie Houdini! Der hatte im Übrigen auch seinen Künstlernamen von einem Dritten übernommen: „als Hommage an sein Vorbild Jean Eugène Robert-Houdin, einen französischen Magier“, wie es im Online-Lexikon Wikipedia heißt. Ob Vater Houdart deswegen seinen Filius Robert nannte? Es gibt weitere Parallelen der „Houds“: Der Entfesselungskünstler ging schon in der Kindheit im Zirkus seiner Passion nach – und Houdart programmierte bereits „mit 13 oder 14. Das lag mir früh im Blut“. Als guter Schachspieler (2250 Elo) übte er sich auch an Engines. Meist seien sie „nicht zu stark gewesen und fertig geworden“. Doch 2009 wurde dem Belgier etwas langweilig. Der mit Astronomie betraute Ingenieur wartete auf ein Teleskop – weil das nicht kam, beschäftigte er sich mit seinem neuen Kind, „Houdini“!
„Ich musste dabei nicht das Rad neu erfinden“, bekennt der 44-Jährige bescheiden. Die internationale Gemeinde der Schach-Programmierer unterstützt sich oft gegenseitig. Die Open Source von „Stockfish“ und „Ippolit“ habe ihm sehr geholfen. Dass „Houdini“ binnen kürzester Zeit zum besten Programm aufstieg und „Rybka“ sowie die deutschen „Shredder“ und „Fritz“ überflügelte, damit hatte Houdart nie gerechnet. Seit zwei Jahren führt die Engine die Weltrangliste souverän an. Die nun vorliegende dritte Version, die bei Chessbase für 79,90 Euro erschien (Multiprozessorversion: 99,90 Euro), ist entsprechend gefragt im Weihnachtsgeschäft.
Im Interview mit seinem Software-Vertreiber aus Hamburg vertritt Houdart die Ansicht, dass sein Programm zwei „entscheidende Schlüsselkonzepte“ besser beherrsche als Rivalen: „die Stellungsbewertung und die Zugauswahl“. Das führt dazu, dass „Houdini 3“ zwar auch ein Auge auf vermeintlich zweitklassige Züge wirft, aber scheinbar gute Fortsetzungen extensiver untersucht als andere. Das kappt den immensen Variantenbaum, der sich rasch in die Billionen und mehr verzweigen könnte und erhöht die Suchtiefe.
Mittlerweile hat Houdart sein Teleskop geliefert bekommen und widmet sich ein paar Wochen lang der Astronomie – 2013 will er aber wieder mit seinem außerirdischen Analysewerkzeug die Sterne vom Schach-Himmel holen. So denn Computer schon Gefühle hätten, würden sich Houdini & Co. sicher an der nachfolgenden Erstrunden-Partie von der Frauen-WM zwischen der Russin Anastasia Bodnaruk und der Georgierin Lela Jawachischwili erfreuen.


W: Bodnaruk S: Jawachischwili

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Ld3 Lc5 6.Sb3 Le7 La7 ist eine zweite Möglichkeit. 7.Dg4 Lf6 8.Dg3 Sc6 9.Sc3 Sge7 10.Lf4 Sg6?! Eine riskante Neuerung, meint Alexander Baburin in seiner digitalen Zeitschrift „Chess Today“. e5 dürfte der Standardzug bleiben. 11.Ld2. 11.Ld6 Lh4 12.De3 Dg5? Konsequent, aber schlecht. 13.Dh3! Computer mögen lieber 13.Dxg5 Lxg5 14.Sa4 Ld8 15.0–0–0 , für Menschen ist jedoch der Damenzug von Weiß schwerer zu begegnen. Sf4 14.Lxf4 Dxf4 15.g3! Df3 16.Dxh4!!

Die erste Pointe. Weiß opfert beide Türme für Angriff. Nach kurzer Zeit schwenken die Programme um und erkennen, dass nicht Schwarz Vorteil hat, sondern sehr genau spielen muss, um den einzigen Remispfad zu finden. Dxh1+ 17.Ke2 Sd4+! Dg2? 18.e5 Sxe5 19.Le4 kostet bereits die Dame. 18.Sxd4 Dxa1 19.e5 Langsam erkennen die Rechner, dass Schwarz in der Bredouille steckt. Die eigenen Türme sind zwar theoretisch stärker als die beiden Springer – leisten aber fürs Erste gar nichts! d5 h6 verliert ebenso: 20.Se4 d5 (0–0 endet auch im Desaster. 21.Sf6+ Kh8 22.De4 g6 23.Dh4 Dc1 24.f4 Kg7 25.Sg4) 21.Sd6+ Kd7 22.Sb3 Dxb2 23.Sxf7 Tf8 24.Sc5+ Kc7 (Kc6 25.De7 Kb6 26.Sa4+ Ka7 27.Sxb2) 25.De7+ Kb8 26.Dxf8. 20.exd6 f6 21.Lxh7? Das bringt nur den Turm ins Spiel. 21.Dh5+! sorgt für ein rasches Ende: Kf8 (Kd8 22.Da5+ Ke8 23.Dc7 Ld7 24.Sxe6 führt durch Zugumstellung zu der Variante mit 21…Kf8) 22.Dc5 Ld7 23.Dc7 Ke8 24.Sxe6! Tg8 25.Sc5 Td8 26.Sxd7 Txd7 27.Dc8+ Td8 28.De6+ Kf8 29.De7 matt. Kf8 22.Se4 e5? Txh7! 23.Dxh7 Dxb2 macht Weiß das Leben schwerer. Dann muss Bodnaruk schon 24.Kd3! finden. 23.Sxf6! Nach diesem Einschlag ist die Partie gelaufen. Txh7 gxf6 24.Dxf6+ Ke8 25.De7 matt. 24.Sxh7+ Kg8 25.Sg5 Dxa2 26.Dh7+ Kf8 27.b3! Schließt die Dame von der Verteidigung auf g8 aus. Lg4+ 28.f3 Ke8 29.Dg8+ Kd7 30.Df7+ Kxd6 Kd8 31.De7+ Kc8 32.Dc7 matt. 31.Se4 matt. Ein schönes Schlussbild mit dem Matt durch die Springer!

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