Caruana – Ponomarjow: Weiß setzt matt – aus dem “Nichts”

Caruana und Meier starten in Dortmund fulminant
Von Hartmut Metz
Das traditionsreichste deutsche Schachturnier hat gleich mit Paukenschlägen begonnen: Nationalspieler Georg Meier bezwang zum Auftakt in Dortmund Wladimir Kramnik. Ein Kunststück vor allem auch deswegen, weil der immer exzellent vorbereitete Ex-Weltmeister aus Russland kaum eine Partie mit dem weißen Anzugsvorteil verliert und Rekordsieger bei dem Wettbewerb ist. Auch für den früheren Dortmunder Arkadij Naiditsch begann das Heimspiel beim Spar- kassen Chess-Meeting verheißungsvoll mit einem Sieg und zwei Remis. Nur der Italiener Fabiano Caruana lag bei Redaktionsschluss der Schachspalte mit 2,5:0,5 Punkten vor den beiden Baden-Badener Bundesliga- spielern. Das Duo verpasst durch den Einsatz in Dortmund eine andere beliebte Veranstaltung ihres Klubs: Die OSG lädt heute (Anm.: Sa 19.7.) ab 15 Uhr zum Mannschafts-Simultan in der Trinkhalle ein. 150 Amateure messen sich beim Kurhaus mit mehreren Stars des deutschen Serienmeisters. Ex-Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) schreitet abwechselnd mit den Großmeistern Etienne Bacrot (Frankreich), Francisco Vallejo Pons (Spanien), Jan Gustafsson, Roland Schmaltz und Philipp Schlosser die Reihen ab.
Zudem ziehen wohl mehrere Spielerinnen aus dem Kader der Damen-Bundesliga wie die Balgerin Iamze Tammert, die Muggensturmerin Ketino Kachiani-Gersinska oder die Kurstädterin Katja Borulya für das OSG-Team. Die Asse rücken zwar schneller als bei einem herkömmlichen Simultan an und verkürzen die Bedenkzeit – dafür fassen sie zuweilen andere Pläne als der Vordermann und patzen eher. Daher haben die Amateure eher Chancen auf ein Remis oder gar einen Sieg.
Der Weltranglistenvierte Caruana entkorkte in Dortmund gegen Ruslan Ponomarjow aus dem scheinbaren Nichts eine geniale Abschlusskombination, die selbst den ukrainischen Ex-Weltmeister völlig überraschte.

W: Caruana S: Ponomarjow
1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5 d6 4.Sf3 Sxe4 5.Sc3 Die Springerentwicklung auf Kosten eines Doppelbauern ist durchaus sinnvoll. Sxc3 6.dxc3 Durch das Manöver kann Weiß seine Läufer frei entwickeln und stellt die Türme auf die offener gewordenen Zentrumslinien. Le7 7.Le3 Sc6 8.Dd2 Le6 9.0–0–0 Dritter Vorteil durch das Schlagen auf c3: Nach der langen Rochade ist der König hinter dem Vier-Bauern-Bollwerk sehr gut geschützt. Dd7 10.Kb1 Lf6 11.h3 h6 12.b3 a6 13.g4 0–0–0 14.Lg2 g5 15.Sd4 Sxd4 16.cxd4 d5 17.f4! Der einzige Hebel, mit dem Weiß auf etwas Vorteil hoffen darf. gxf4 18.Lxf4 h5 19.g5 Lg7 20.Tde1 h4 21.Le5 Tdg8 22.Df4 Dd8 23.Lf1 Kb8 24.Ld3 Lc8 25.Kb2 Lxe5 26.Txe5 Tg7 27.a4 a5 28.Ka2 Ka7 29.Dd2 Kb8 30.Df4 Ka7 Schwarz kann nichts aktiv unternehmen und laviert daher zwangläufig mit. 31.The1 Lxh3 32.Th1 Lc8 33.Txh4 Txh4 34.Dxh4 b6? c6 verhindert die später folgende geniale Kombination, die man jedoch auch als Weltklasse-Großmeister übersehen kann. 35.Dh6 Tg8 36.Dc6 Le6?! Lb7 ergibt nach 37.Df6 Dxf6 38.gxf6 ein schwer zu haltendes Endspiel: Kb8 39.Te7 Tf8 40.c4 Lc6 41.Kb2 Kc8 42.Kc3 Kd8 43.Kd2 dxc4 44.Lxc4 Le8 45.Ke3 Th8 (Passives Abwarten führt ins Desaster: Kc8 46.Kf4 Kd8 47.Ke5 Kc8 48.d5 Kd8 49.d6 c6 50.Tb7 Ld7 51.Txb6 Lg4 52.Tb8+ Lc8 53.Kd4 Kd7 54.Kc5 Tg8 55.Lxf7 Tg5+ 56.Kb6 Tf5 57.Txc8 Kxc8 58.Le6+ Kd8 59.Lxf5) 46.Lxf7 Lxf7 47.Txf7 Th1 48.Ke4 c6 49.Ke5 und Caruana gewinnt. 37.g6! Tg7 Ld7 reicht nicht. 38.Dxd5 fxg6 39.Le4 Dc8 40.Te7 Td8 41.Lg2 Lxa4 42.Df7 Ld7 43.Lh3 Lxh3 44.Txc7+ Kb8 45.Txc8+ Lxc8 46.Dxg6 Kc7 47.Df6. Als chancenlos erweist sich überdies Dd6 38.Dxd6 cxd6 39.Te3 Kb8 (39…Kb7 40.gxf7 Lxf7 41.Te7+ Kb8 42.Txf7) 40.Lf5! Te8 41.Kb2 Kc7 42.Lxe6 fxe6 43.Tf3 Kc6 44.g7 Tg8 45.Tf7 b5 46.Kc1 bxa4 47.bxa4 e5 48.c3 Kb6 49.Kd2 und der weiße König marschiert zum g-Bauern, während der gegnerische Monarch eingekerkert ist. e4 50.Ke3 Kc6 51.Kf4 Kb6 52.Te7 Kc6 53.Kg5 e3 54.Kf6 e2 55.Kf7. 38.gxf7 Lxf7 Es sieht nun so aus, als hätte Schwarz alle Probleme überwunden, jedoch:

39.Te7!! Dxe7 40.La6!! Die ungewöhnliche Pointe. Kxa6 Die schwarzen Figuren können das Matt nicht verhindern, nachdem die Dame durch den Turm auf e7 von der Grundlinie abgelenkt wurde. Für das Publikum lässt sich Ponomarjow sehenswert matt setzen. 41.Da8 matt.
Ergänzung: Die Kombination hält selbst ein Genie für außerordentlich! “Te7 ist unglaublich”, befand Viswanathan Anand und war sich während des Interviews mit Hartmut Metz am Tag des Mannschaftssimultans der OSG einig, dass es wohl so eine Kombination mit abschließendem Matt noch nicht gegeben hat.


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