Der große Bruder ist in Wahrheit nur ein matter Abglanz

Von Hartmut Metz
Matt ist angeblich die Krönung einer jeden Schachpartie. Aber bei Lichte betrachtet: Matt sind die Dinge doch oft nur halb so schön wie glänzende. Und auf den 64 Feldern gibt es zumindest ein Schlussspiel, das noch mehr glänzt als das Matt: der kleine Bruder, der im Alphabet ein bisschen später folgt. Wir reden hier nicht vom schnöden Patt, weil eine Seite im Läuferendspiel der falschen Randbauern hat oder die Dame gegen den c7-Bauern nicht gewinnen kann wegen des Patt-Tricks Ka8. Hier geht es um die geniale Rettung durch das Patt, das sich nach einer Opferkaskade ergibt. Die Vollstreckung gewährt ein weit erhebenderes Gefühl als nahezu alle Matts, die der erfahrene Spieler doch irgendwie irgendwo schon gesehen hat.

Der Vergleich mit Dreck mag sich beim Matt sicher nicht ganz geziemen – aber im übertragenen Sinne hat der vor 175 Jahren geborene Dichter Stéphane Mallarmé Recht, als er auf Ausführungen des französischen Schriftstellers Émile Zola, es bestehe kein Unterschied zwischen Dreck und Diamanten, einst entgegnete: „Mag sein, aber der Diamant ist seltener.“ Genau so ist das auch mit dem Patt im Vergleich zum Matt! Während bei einer Stichprobe in der „Megabase 2017“ rund jede 13. Partie mit einem Matt endete (oder kurz vor der Vollstreckung aufgegeben wurde), spuckt die Datenbank nur 6121 Partien mit einem Patt aus. Das entspricht bei 6,8 Millionen Partien weniger als einem Promille! Zieht man davon auch noch die zahllosen bekannten Endspiel-Kniffe ab, wurden nur wenige geistreiche Rettungsanker ins Remis geworfen.
Hartmut Metz hat sich auf Chessbase.de erst seiner persönlichen Geschichte des Patts gewidmet – um dann auch auf die unterhaltsame Geschichte des Patts weltweit einzugehen. Auf die Idee zu einem Streifzug kam er wegen eines verpat(t)zten Oberliga-Siegs gegen den Ladenburger Martin Schrepp und einer wundersamen Rettung vor Kurzem in der Schweiz gegen IM Petar Benkovic. Im Nationalliga-Match seines Riehener Teams gelang dem Kuppenheimer ein hübscher Trick.
Der ganze Artikel mit zahlreichen geistreichen Patt-Beispielen findet sich unter:

http://de.chessbase.com/post/patt-der-wahre-koenig-des-schachs
W: Metz S: Benkovic
Die Lage sieht verzweifelt aus für Weiß.


Weil 64.Df6+ Kg1 65.Db6+ Kg2 66.Dc6 d1D+ verliert, verfolgt Weiß einen anderen, viel perfideren Plan.

64.Kg3


Td3+?? Der Zug liegt auf der Hand, weshalb ich mich – natürlich auch der Not gehorchend – darauf verließ. f5–+ 65.Da2 f4+ 66.Kxf4 (66.Kf3 d1D+; 66.Kh2 Th5 matt) d1D; oder 64…Tg5+ 65.Kh2 d1D 66.Df6+ Ke1 67.Dxg5 Dd2+ 68.Dxd2+ Kxd2 reicht auch. Natürlich nur nicht 64…d1D?? 65.Df2 matt. 65.Kh2!! Damit ist der Anziehende bereits wieder im Spiel! d1D?!

Tappt in die Falle – Benkovic rechnete sicher nur noch mit 66.Df6+ Df3 und der Aufgabe. Dass er Tf3?? 67.Dxf3+ Dxf3 patt vermeiden musste, sah er wahrscheinlich (und war aus meiner Warte noch eine weitere willkommene Ablenkung von meiner geplanten Niedertracht). 66.Df2+!! Die von langer Hand geplante wahre Pointe! Kxf2 patt.