Erste Instanz fällt eindeutig für Kuppenheim aus

Der Gottmadinger Mannschaftsführer Wolfgang Steiger hat beim Badischen Schachverband (BSV) Protest gegen die Wertung der Partie zwischen Hartmut Metz und Julian Schärer eingelegt. Der Kuppenheimer hatte die Partie äußerst glücklich durch Zeitüberschreitung gewonnen, was der Gottmadinger Spitzenspieler klaglos akzeptierte – im Gegensatz zu seinem Kapitän. Steiger wollte das 4:4 am grünen Tisch in ein 5:3 für sein Team umwandeln. BSV-Turnierleiter Michael Schneider hat den Protest nun abgelehnt und das Spiel mit 4:4 gewertet. Wollen die Gottmadinger den Fall weiter verfolgen, müssen sie vor dem Gang zum Turniergericht 200 Euro vorstrecken. Die Ausgabe dürfte angesichts des klaren Urteils unwahrscheinlich sein. Nachstehend die Stellungnahmen des Gottmadingers Steiger, von Metz und Rochade-Mannschaftsführer Joachim Kick. Zudem das Urteil von Michael Schneider. Dadurch kann sich jeder Interessierte selbst ein Bild von dem Vorfall machen.

Stellungnahmen zum Protestfall in der Verbandsliga im Spiel Gottmadingen – Kuppenheim, 4. Runde, 1. Brett, 14.12.2014

Stellungnahme von Wolfgang Steiger:
Der Gottmadinger Julian Schärer schrieb irrtümlich seinen 20. Zug als 21. Zug auf (siehe angehängtes rechtes Partieformular). Der Kuppenheimer Hartmut Metz bemerkte nach eigener Darstellung, dass sein Formular im Vergleich zu seinem Gegner einen Zug weniger aufwies, und duplizierte seinen 37. Zug Sf2 auf seinem Formular (siehe angehängtes linkes Partieformular). Nach Ausführung des laut Aufschrieb 41. Zug von Weiß und Ablauf der Zeit von Schwarz beantragte H. Metz (in offensichtlicher weißer Verluststellung) die Vervollständigung der Formulare und reklamierte nach Feststellung des fehlenden Zuges Zeitüberschreitung durch Schwarz (siehe beide angehängten Partieformulare).
Die Gottmadinger Schachfreunde sehen das Verhalten des Kuppenheimer Spielers als nicht regelkonform an, da er bei Erkennen des widersprüchlichen Partieprotokolls unverzüglich eine Korrektur der Partieformulare hätte herbeiführen müssen. Zudem ist das wissentliche Duplizieren des 37. Zuges und die damit verbundene Verfälschung des Partieprotokolls, um dann in verlorener Position mutmaßlich Zeitüberschreitung reklamieren, als unsportliches Verhalten zu werten. Die Gottmadinger Schachfreunde legen Einspruch gegen die Wertung der Partie am 1. Brett ein. Die Einspruchsgebühr von 50 € wurde auf das Konto des BSV überwiesen.

Stellungnahme von Hartmut Metz:
In der Partie gegen Julian Schärer befand ich mich ab etwa dem 28. Zug in großer Zeitnot. Die Partie wurde zunehmend komplexer, wobei mein Kontrahent zunächst noch deutlich mehr Zeit zur Verfügung hatte. Nach mehreren Schlagfällen auf d5 schaute ich einige Züge später auf das Formular des Gegners, um zu sehen, wie viele Züge er notiert hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich zuletzt 37.Sf2 notiert, und Julian Schärer war am Zug. Dabei stellte ich fest, dass er bereits einen Zug weiter war. Da er deutlich mehr Zeit hatte für die Notation, mutmaßte ich, dass ich in meiner Zeitnot-Hektik ein Zugpaar nicht richtig notiert hatte während der Schlagfälle auf d5 und dachte, ich müsse daher sicher nur noch zwei Züge bis zur Zeitkontrolle machen. Deshalb notierte ich auch 38.Sf2 und die weitere Partiefolge.
Julian Schärer ließ sich für den vermeintlich 40. Zug Te3 sehr viel Zeit und spielte diesen mit noch exakt 5 Sekunden auf der Uhr in aller Ruhe. Da ich nur eine gute Möglichkeit sah, den Bauern auf g3 zu verteidigen, zog ich meinen Turm a tempo nach d3, um den Angriff des Turms auf den Bauern g3 zu parieren. Anschließend saß mein Gegner eine ganze Zeit lang da und dachte über seinen nächsten Zug nach. Auf der Uhr hatte er, als sie am Schluss abgestellt wurde, noch 47 Minuten laut meiner Erinnerung. Nach gewisser Zeit (also sicher nicht sofort, als die Uhr die neue Bedenkzeit anzeigte), schlug ich meinem Gegner vor, dass ich mein Partieformular vervollständigen möchte und er mir sein Formular bitte geben soll. Das tat Julian Schärer auch umgehend. Ich spielte am Nebenbrett die Partie nach, um festzustellen, was ich vergessen haben könnte. Dabei kam heraus, dass Julian Schärer fälschlicherweise sein 20. Zugpaar in die Zeile für den 21. Zug eingetragen hatte. Die 20. Zeile war bei ihm komplett leer. Daraus ergab sich schnell, dass meine Notation bis zum 37. Zug richtig war, seine aber nicht. Er hatte seinen 40. Zug nicht gemacht. Darauf wies ich ihn hin, worauf er die Zeitüberschreitung sofort akzeptierte und – trotz der äußerst bitteren Niederlage – fair gratulierte!
Der Gottmadinger Kapitän Wolfgang Steiger warf mir danach vor, es sei Absicht gewesen, dass ich die Züge nicht notiert habe. Zudem hätte ich seiner Ansicht nach meine „unvollständige Notation“ vervollständigen müssen. Ich wies darauf hin, dass sein Spieler dann aber bereits 17 Züge vor mir seine Notation hätte vervollständigen müssen. Obwohl seine Partie schon längst beendet war, schritt Steiger als „Schiedsrichter“ des Kampfs aber weder bei mir noch bei Julian Schärer ein, um eine „Vervollständigung des Formulars“ zu fordern. Er wurde erst tätig, als ich überrascht die Zeitüberschreitung festgestellt hatte. Im Übrigen hätte ich die Zeit genauso überschreiten können, wenn ich nach seinem Te3 mehr Auswahl als Td3 gehabt hätte (der Zug war auch von mir geplant, als ich vorher Kf1 zog, um das Eindringen des Turms auf der 2. Reihe zu verhindern).
Julian Schärer selbst akzeptierte – wie erwähnt – den Verlust klaglos und analysierte auch mit mir noch äußerst freundlich die Partie, ohne einen Groll zu hegen. Beide Partieformulare hätte er auch unterschrieben, hätte ihn Wolfgang Steiger nicht davon abgehalten wegen seines Protests, meines nicht zu unterzeichnen.
Als Schiedsrichter vor Ort entschied er aber nicht, dass wir weiterspielen müssten. Dass die Stellung für mich verloren ist, steht fraglos fest. Schärer und mir wurde in der Analyse rasch klar, dass ich auf verlorenem Posten stand in dem Endspiel nach meinem 40. Zug Td3. So stark, wie er spielte, hätte er den Vorteil auch sicher verwertet.

Die Stellungnahme von Metz ergänzt der Kuppenheimer Mannschaftsführer Joachim Kick wie folgt:
Für mich ist die Partie mit der Aufgabe von Julian Schärer beendet. Ein Eingreifen des Schiedsrichters ist somit nicht mehr notwendig gewesen. Genau dies hat Wolfgang Steiger getan. Er hat nicht eingegriffen. Er hat nicht versucht, den Sachverhalt neutral zu klären. Vielmehr hat er als Gottmadinger Mannschaftsführer versucht, irgendwo eine Idee zu finden, um den Verlust seines Mannschaftskameraden zu verhindern. Er hat versucht, Hartmut unsportliches Verhalten vorzuwerfen. In Anbetracht seiner Person und der hektischen Situation in Hartmuts Partie geht solch eine Anschuldigung meines Erachtens gar nicht.
Auf meinen Hinweis, dass wir hierüber nicht diskutieren müssen, sondern dass er als Schiedsrichter einfach eine Entscheidung treffen muss, ist er nicht eingegangen. Vielmehr wollte er auch bei meiner Unterschrift unter den Spielberichtsbogen das Ergebnis offen lassen. Erst als ich mich geweigert habe, den Bogen zu unterschreiben, hat er das Ergebnis eingetragen.
Selbst wenn Julian Schärer seinen Verlust nicht akzeptiert hätte, ändert das nichts am Ergebnis. So tragisch und unglücklich sein Verlust zustande kam, so bleibt doch eins unstrittig: Er hat leider keine 40 Züge in 120 Minuten gemacht, sondern nur 39. Damit bleibt nur der Partieverlust. Protestiert Gottmadingen tatsächlich dagegen, dass der eigene Spieler die Niederlage einräumt? Und der Schiedsrichter (immerhin ein Gottmadinger) nichts gemacht hat?

Das Urteil von BSV-Turnierleiter Michael Schneider:

Entscheidung:
Der Protest wird abgewiesen, das Ergebnis der Partie Metz gegen Schärer, Verbandsrunde 4, Verbandsliga Südbaden, Begegnung SF Gottmadingen gegen SGEM Kuppenheim wird weiter als Sieg für den Spieler Metz gewertet, die Einspruchsgebühr verfällt zugunsten der BSV-Kasse.

Begründung:
Unstrittig ist der Umstand, dass SF Schärer zum Zeitpunkt des Ablaufs der 1. Zeitkontrolle lediglich 39 Züge ausgeführt hat und damit tatsächlich eine Zeitüberschreitung vorliegt. Außerdem ist unstrittig, dass Schärer die Notation des 20. Zugs fälschlicherweise in das Feld für den 21. Zug eingetragen hat und damit für ihn der Eindruck entstanden ist, als ob ein Zug mehr ausgeführt worden wäre. Die Frage ist nun, ob Schärer durch ein unsportliches Verhalten seines Gegners entscheidend bei der Zeitüberschreitung beeinflusst wurde.

Aufgrund der FIDE-Regel 8.1. ist jeder Spieler verpflichtet, eine vollständige und korrekte Partienotation anzufertigen. Deshalb ist er auch allein für sich dafür verantwortlich, Kenntnis über die Anzahl der ausgeführten Züge zu haben. Dem Schiedsrichter ist es verboten, speziell in der Zeitnotphase, dem Spieler Hilfestellung zu geben, wie viele Züge absolviert sind. Der Gegner muss sein Formular lediglich dem Schiedsrichter vorlegen, eine Hilfestellung für den anderen Spieler kann nicht eingefordert werden. Stellt der Schiedsrichter Differenzen in den Notationen während der Zeitnotphase fest, dann werden diese erst NACH der Zeitkontrolle, beispielsweise durch Nachspielen der Partie, abgeklärt, da sonst die Spieler ebenfalls unzulässige Hilfestellung erhalten würden.

Zum Verhalten des Spielers Metz:
Auch er ist für die Kenntnis der Zügeanzahl selbst verantwortlich. Das Verdoppeln eines Zuges aufgrund der Notation des Gegners ist ungewöhnlich und hätte möglicherweise sogar zur eigenen Zeitüberschreitung führen können. In der eigenen knappen Bedenkzeit hierin einen Versuch zu vermuten, den Gegner zu täuschen, halte ich für abwegig. Ein bewusstes unsportliches Verhalten dem Gegner gegenüber kann ich darin nicht erkennen.

Aufgrund der Umstände wurde nach meiner Auffassung der Spieler Schärer in erster Linie durch die eigene fehlerhafte Notation irritiert und ist dadurch zur Zeitüberschreitung verleitet worden. Wie bereits erwähnt ist er allein dafür verantwortlich, die notwendige Anzahl von Zügen innerhalb der festgelegten Zeit auszuführen. Auch eine mögliche Zuhilfenahme einer falschen gegnerischen Notation liegt in der eigenen Verantwortung. Insgesamt kann ich ein unsportliches Verhalten des Spielers Metz, das überwiegend verantwortlich dafür gewesen sein soll, zur Zeitüberschreitung geführt zu haben, nicht erkennen und muss deshalb den Protest ablehnen.

Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb einer Woche Einspruch beim Turniergericht des BSV eingelegt werden. Die Einspruchsgebühr beträgt 200,- Euro und ist zeitgleich mit dem Einspruch auf das Konto des BSV zu überweisen. Aufgrund der Feiertage wird die Einspruchsfrist bis zum 9.1.2015 verlängert.