Krasenkow – Nakamura: Schwarz spielt “Harakiri” – und gewinnt!

Biografie über Hitzkopf Nakamura: Krawallmacher auf dem Brett
Von Hartmut Metz
Magnus Carlsen, Wladimir Kramnik, Lewon Aronjan und fünf weitere Großmeister hinter den drei Weltranglistenersten suchen ab nächsten Samstag in London den Herausforderer von Weltmeister Viswanathan Anand. Am meisten vermissen werden die Fans Hikaru Nakamura. Der US-Amerikaner ist ein Krawallmacher – vor allem auf dem Brett! Angesichts seiner japanischen Wurzeln könnte man ihn wegen seines Stils und seines Geburtsorts Hirakata auch durchaus als Harakiri-Hikaru bezeichnen. Wo andere Groß- meister ein langweiliges Remis vorziehen, zündelt Nakamura lieber weiter gefährlich. Manchmal geht der Schuss nach hinten los – aber oft zeitigt die Zockerei auch Erfolge. Der 25-Jährige gilt nicht nur als Internet-Ikone, weil er in sogenannten „Bullet“- Partien – bei nur einer Minute Bedenkzeit geht es vor allem ums schnelle Ziehen, ohne grobe Fehler zu machen – auf Webseiten kaum zu schlagen ist. Nakamura agiert inzwischen aber auch im Nahschach halbwegs solide. Das belegt das spannende Buch „Kämpfen und Siegen mit Hikaru Nakamura“. In dem 232 Seiten starken Werk von Edition Olms (19,95 Euro) drapieren Großmeister Karsten Müller und Raymund Stolze interessante Geschichten und Partien um den größten Erfolg des Weltranglistenachten: Nakamura hatte im niederländischen Wijk aan Zee 2011 die versammelte Weltelite hinter sich gelassen. Die Partien von dort wechseln sich mit anderen bedeutenden seiner jungen Karriere ab. Lesenswert sind Beiträge wie etwa des Amerikaners Lubosh Kavalek oder von Großmeisterin Bettina Trabert, die von ihrem Sieg in 16 Zügen über Nakamura erzählt – da war dieser jedoch erst zehn!
Nakamura trainierte auch schon kurzzeitig mit der abgetretenen Legende Garri Kasparow – das ging bei den beiden Hitzköpfen indes nicht lange gut. Es reichte jedoch, um festzustellen: „Ein großer Unterschied zwischen mir und Garri besteht darin, dass es aus seiner Sicht im Schach darum geht, den besten Zug zu finden. Es gibt keinen Raum, Risiken einzugehen. Ich dagegen bin pragmatischer“, erläutert der Amerikaner. Im Interview für das Buch nennt er als Stärken: „Ich gebe niemals auf und versuche immer zu gewinnen.“
Die folgende Partie spielte Nakamura 2007 in Barcelona gegen Michal Krasenkow. Der damals 19-Jährige hielt sie für seine bis dahin beste Leistung.

W: Krasenkow S: Nakamura
1.Sf3 Sf6 2.c4 e6 3.g3 d5 4.Lg2 Le7 5.0–0 0–0 6.b3 a5 7.Sc3 c6 8.d4 Sbd7 9.Dc2 b6 10.e4 La6 11.Sd2?! Karsten Müller hält diesen Zug für „etwas gekünstelt“. Die Alternative 11.e5 Se8 12.Se2 Tc8 13.Td1 Sc7 sei vorzuziehen. c5! Aktiv gespielt. 12.exd5 Der Qualitätsgewinn 12.dxc5?! d4 13.Sb5 Lxc5 14.e5 Sxe5 15.Lxa8 Dxa8 16.Sc7 Db7 17.Sxa6 Dxa6 gilt als zweifelhaft. Ohne seinen Verteidigungsläufer hat der Anziehende auf den weißen Feldern Schwächen. cxd4 13.Sb5 exd5 Lxb5? 14.dxe6! (14.cxb5? Sxd5) Lxc4 15.Dxc4 Tc8 16.exf7+ Txf7 17.Dxd4 beschert Weiß ein Bauernplus und das Läuferpaar. 14.Sxd4 Tc8 15.Te1 b5 16.Lb2 Te8 17.Dd1? Der Rückzug ist zu langsam. 17.Lc3 bxc4 18.bxc4 Lxc4 19.Sxc4 Txc4 20.Dd2 bietet Kompensation für den geopferten Bauern. bxc4 18.bxc4 Db6! dxc4? erweist sich als deutlich schwächer. 19.Sc6 Db6 20.Sxe7+ Txe7 21.Txe7 Dxb2 22.Se4! c3 23.Tc1 c2 24.Dd2± Da Schwarz den Druck nicht verstärken kann, droht Weiß rasch die Regie zu übernehmen: Da3 25.Sd6 (25.Txf7 Kxf7 26.Sd6+ Ke7 27.Sxc8+ Lxc8 28.Txc2 ist weniger klar) Tc5 26.Le4! Sf8 (Sxe4 27.Txd7!! Sxd2 28.Td8 matt) 27.Ta7 Sxe4 28.Sxe4 Tb5 29.Sc3 Tb6 30.Txc2 mit Gewinnstellung. Zu einer ungefähr ausgeglichenen Position führt 18…Lxc4 19.Sxc4 Txc4 20.Sf5 Lc5 21.Dd2. 19.Tb1 dxc4! 20.Sc6? Der scheinbar starke Zug läuft in einen ganz tückischen Konter, der selbst einem ehemaligen Top-Ten-Spieler wie Krasenkow entgehen kann. 20.Lc3! Dc5 umschifft die Klippe. Txc6 21.Lxf6? 21.Lxc6 Dxc6–+ büßt einfach Material ein. Am besten ist noch 21.Txe7! Txe7 22.Lxf6 Sxf6 23.Txb6 Txb6, gleichwohl die zwei Türme merklich stärker als die Dame sind.

Dxf2+!! Dieses überraschende Damenopfer war Krasenkow entgangen. 22.Kxf2 22.Kh1 Dxf6–+ 23.Lxc6 Dxc6+ kann Weiß sofort aufgeben. Lc5+ 23.Kf3 Der König tritt die Flucht nach vorne an. 23.Kf1 c3+ (nur nicht Txf6+?? 24.Lf3 c3+ 25.Kg2 und Weiß gewinnt plötzlich) 24.Te2 c2! 25.Dxc2 Lxe2+ 26.Ke1 Ld3+ kostet zu viel Material. 23.Ld4 ist noch am zähesten, reicht indes auch nicht: Lxd4+ 24.Kf3 Tf6+ 25.Kg4 Se5+ 26.Kg5 Lc8. Ein Beispiel: 27.Sf3 Tf5+ 28.Kh4 Sg6+ 29.Kh3 Th5 matt. Txf6+ 24.Kg4 Se5+! 25.Kg5 25.Txe5 beantwortet Nakamura mit Lc8+! 26.Tf5 (26.Kh4 Txe5 27.Lf3 Th6+ 28.Lh5 g5 matt) Lxf5+ 27.Kh4 Th6+ 28.Kg5 Lc8 29.Kf4 g5+! 30.Kxg5 Le3 matt (beziehungsweise 30.Kf3 Tf6 matt). Tg6+ 26.Kh5 Oder 26.Kf5 Lc8+ 27.Ke4 Td6! 28.Kf4 Sd3+ 29.Kg5 Txe1 30.Dxe1 Tg6+ 31.Kh5 Th6+ 32.Kg5 f6 matt. 26.Kf4 beendet das Duell genauso zügig: Sd3+ 27.Kf3 Tf6+ 28.Kg4 Lc8+ 29.Kh4 Txe1 30.Dxe1 Th6+ 31.Kg5 f6 matt. f6 Lc8 ist am präzisesten: 27.Se4 Le7 und das Matt durch Th6 verhindert lediglich 28.Dd2, was jedoch Lg4 matt erlaubt. 27.Txe5 27.Ld5+ Kh8 28.Kh4 Th6+ 29.Dh5 g5+ 30.Kh3 Txh5+. Txe5+ 28.Kh4 Lc8! 0:1. Krasenkow gab auf wegen 29.Ld5+ (29.g4 Lf2+ 30.Kh3 Th6 matt) Txd5 30.g4 Td3 31.Df3 Txf3 32.Sxf3 Txg4+ 33.Kh3 Tg5+ 34.Kh4 Lf2 matt.

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