Marikova – Van Foreest: Die Dame von schwarz – am Zug – steht im Zug

Schachliches Homonym ein „Lokmittel“ für die Deutsche Bahn?
Von Hartmut Metz
Dass sich die Deutsche Bahn (DB) endlich des Sponsorings annahm, war überfällig! Wer setzt schließlich am meisten Zugbegleiter ein für vorzeigbare Züge? Die Bahn, natürlich. Rund 37 000 Züge sollen tagtäglich in ganz Deutschland unterwegs sein. Noch mehr Züge werden eigentlich nur auf Schachservern gemacht! Jedenfalls dürften die Homonyme – zwei gleichlautende Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung – genügend Lokmittel, pardon, Lockmittel für einen Sponsor sein.
Zug um Zug im Zug hat allerdings Pavel Matocha erfunden. Der einfallsreiche Tscheche mit dem auffälligen Irokesenschnitt ließ fünf Tage lang einen Schachzug durch Europa tuckern und darin ein Turnier austragen – obwohl es in seiner Sprache kein so schönes Wortspiel mit Zug gibt. „Vlak“ heißt das Gefährt auf der Schiene, „tah“ der Schritt auf dem Brett. Die Bahn hat zwar nun noch keinen Zug gechartert, um Zug um Zug im Zug vom schweizerischen Kanton Zug an die Zugspitze zu fahren, während darin Zug um Zug geschieht. Aber ein Anfang ist gemacht! Im altehrwürdigen Potsdamer „Kaiserbahnhof“ von 1909 unterstützten die Herren der Züge im Juni ein Blindsimultan samt Turnier. Ein Teil der Teilnehmer spielte im Zug. Im Oktober lud die Bahn wieder in das aufwändig restaurierte Gebäude: Abordnungen aus acht Bahnunternehmen und die an den ehemaligen deutschen Weltmeister erinnernde Berliner Emanuel-Lasker-Gesellschaft ermittelten, wer die besten Züge macht. Jedes Team wurde dabei von einem „Leuchtturm“ angeführt. So spielte Ex-Weltmeister Anatoli Karpow für Russland. Sein Team gewann selbstverständlich, denn jeder Schaffner auf der Transsibirischen Eisenbahn hat bekanntlich mehr als genug Zeit zum Trainieren … Die DB mit Robert Hübner an der Spitze wurde Zweiter vor den Niederländern. Die Schweizer nahmen den letzten Platz ein – ob welche aus Zug versagten, ist dabei nicht überliefert. Auch die Engländer mit Nigel Short überzeugten wenig – die hätten vielleicht für ihr „Chess“ besser ein paar Jazz-Spieler (ein Beispiel für Homographie/Gleichklang der Worte) mitbringen sollen …
Herbert Bastian, der umtriebige Präsident des Deutschen Schachbundes (DSB), war in Potsdam erneut mit von der Partie. Wenn es ihm gelänge, die Zugspitze um Rüdiger Grube nicht nur mit dem Zug an die Zugspitze zu locken, sondern alle Angestellten als DSB-Mitglieder zu rekrutieren, würde sich die Zahl über Nacht vervierfachen. Die DB hat 285 000 Mitarbeiter, die Mitgliederzahl des DSB beträgt knapp ein Drittel davon.
Nachstehend die spektakulärste Partie in Potsdam zwischen der Tschechin Jana Marikova und dem Niederländer Jorden van Foreest.

W: Marikova S: van Foreest

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 dxc4 5.a4 e6 Lf5 ist der Hauptzug, um den Läufer zu entwickeln und den raumgreifenden Bauernvorstoß e4 zu verhindern. 6.e4 Lb4 7.Lg5 7.Dc2 b5 8.Le2 0–0 9.0–0 h6 10.axb5 Lxc3 11.bxc3 cxb5 12.La3 Te8 gibt Weiß für den geopferten Bauern das bessere Spiel. Die Stellung befindet sich aber im Gleichgewicht. h6 8.Lxf6 Dxf6 9.Lxc4 0–0 10.0–0 Sd7 11.De2?! 11.e5 bewahrt den Raumvorteil. e5 12.d5 Sb6 13.Lb3 Lg4 14.dxc6?! Der erste kleinere Fehler. 14.a5 vertreibt den Springer aus seiner guten Position. Sc8 15.Tfd1 führt zu einer ausgeglichenen Stellung. bxc6 15.Tac1 Sd7 16.Sa2 Le7 17.Tc3 Sc5 18.Lc2 Se6! Schwarz überführt den Springer auf ein aktives Feld und schielt gleich auch noch nach f4. 19.Da6 Sf4! Ein teuflischer Zug. Jana Marikova ahnt noch nichts … 20.Txc6 Andere Fortsetzungen sind nicht viel besser. 20.Ld1 Tfc8 21.Te1 Tc7 Was soll Weiß nun Gutes ziehen? Se2+ 21.Kh1? 21.Dxe2! Dxc6 22.Lb3 Tab8 23.Sc1 sollte langfristig verloren sein. Im Schnellschach kann man solch eine Stellung aber auch mal retten. Weiß hatte sicher geglaubt dass der Gegner nun die Dame wegziehen muss – was er tut, allerdings anders als gedacht! Dxf3!! 22.h3 22.gxf3 Lxf3 führt sofort zum Matt. 22.Ld1 Tad8 23.Sc3 Txd1 24.Txd1 Dxf2 25.Sxe2 Lxe2 26.Tc2 Lxa6 27.Txf2 Lc5 erweist sich als hoffnungslos. Das Läuferpaar gewinnt leicht gegen den Turm, weil der schwarzfeldrige Läufer einen Stützpunkt auf d4 findet. Lg5 23.Ld1 [Diagramm]. 23.gxf3 geht zwar nicht wegen Lxf3+ 24.Kh2 Lf4 matt, aber 23.hxg4 Dxg4 24.Dd3! Tac8 25.Txc8 Txc8 26.Lb1 vermeidet den sofortigen Kollaps: Ld2 27.Dh3 Dxh3+ 28.gxh3 Tb8 29.Ld3 Sf4 30.Lb5 Sxh3 mit schwarzer Gewinnstellung. Nun bietet sich van Foreest die Gelegenheit für einen schönen Abschluss.

 Dxh3+!! Marikova gab auf wegen 24.gxh3 Lf3+ 25.Kh2 Lf4 matt. 0:1.

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