Aronian – Karjakin: Der nächste schwarze Zug entscheidet sofort

Jüngster Großmeister stiehlt Magnus Carlsen beim Heimspiel die Schau
Von Hartmut Metz
Alle Welt redet nur noch vom Norweger Magnus Carlsen. In der Skifahrernation hat der WM- Finalist, der im November Weltmeister Viswanathan Anand in Indien herausfordert, natürlich auch einen Hype ausgelöst. Der 22-Jährige belegte bei der „Wahl zum Sportler des Jahres“ Platz drei knapp hinter der Biathletin Tora Berger und dem Mittelstreckenläufer Henrik Ingebrigtsen. Dank des souveränen Weltrang- listenersten bewarben sich die Skandinavier auch erfolgreich für die Schach-Olympiade 2014 in seiner nordnorwegischen Heimatstadt Tromsö – und das erste Superturnier wurde nun im Land der Fjorde ausgetragen. Die Schau stahl Carlsen aber ein Gleichaltriger vom Jahrgang 1990 der noch vor ihm für Aufsehen sorgte: Sergej Karjakin. Der im ukrainischen Simferopol geborene Russe wurde mit zwölf Jahren und sieben Monaten jüngster Großmeister. Selbst Carlsen kam an diesen Rekord nicht heran und brauchte ein halbes Jahr länger, um mit 13 Jahren und drei Monaten den höchsten Titel des Schach-Weltverbandes durch entsprechende Turnierresultate zu erspielen. Anschließend zog der elf Monate jüngere Norweger jedoch an Karjakin vorbei, obwohl dieser im Juli 2011 auch schon bis auf Platz vier in der Weltrangliste kletterte. Seinen aktuellen siebten Platz wird er in der Juli-Auswertung etwas verbessern.
In Stavanger startete Karjakin furios mit vier Siegen! Anschließend stoppte ihn zwar Carlsen höchstpersönlich – weil aber beide auch in der Schlussrunde verloren, blieb der Russe mit 6,5:2,5 Punkten deutlich vor seinem Bezwinger und dem Amerikaner Hikaru Nakamura (je 5,5:3,5). Mit fünf Zählern folgten einträchtig drei Baden-Badener Bundesliga-Cracks: Peter Swidler (Russland), Lewon Aronjan (Armenien) und Anand.
Obwohl sich abzeichnet, dass Karjakin neben Aronjan und dem Italiener Fabiano Caruana der Hauptrivale von Carlsen werden dürfte, ist das Verhältnis der beiden ausgezeichnet: „Ich kann über Magnus wirklich nur Gutes sagen, sowohl über sein Schach als auch über ihn als Mensch“, betonte der nicht minder sympathische Karjakin im Interview mit der Zeitschrift „Schach“. Der 23-Jährige traut sich zu, sich für das nächste WM-Kandidatenturnier zu qualifizieren: entweder über den Grand-Prix-Zyklus oder den Weltcup im August in Tromsö. „Chancen habe ich. Ich habe ja gerade gezeigt, dass ich große Turniere gewinnen kann“, betonte er nach dem jüngsten Erfolg. Nachstehend Karjakins Sieg über den Weltranglistenzweiten Aronjan in Runde vier.

W: Aronjan S: Karjakin
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.g3 La6 5.b3 Lb4+ 6.Ld2 Le7 7.Sc3 0–0 8.Lg2 c6 9.e4 d5 10.exd5 cxd5 11.Se5 Lb7 12.0–0 Sc6 13.Lf4 Sa5 14.Tc1 La3 15.Tb1 Lb4 16.Sa4 Se4 17.a3 Le7 18.cxd5 In der zweiten Runde hatte der andere norwegische Lokalmatador neben Magnus Carlsen, Jon Ludvig Hammer, 18.Dd3 versucht und geriet mit der etwas schwächerer Fortsetzung auf die Verluststraße. exd5 19.b4 Sc6 20.Tc1 Tc8 21.Lh3 f5 22.f3 Sd6 23.Dd3 Sxe5 24.dxe5 Txc1 25.Lxc1 Sc4 26.f4 Weiß hat als einzigen Trumpf den gedeckten Bauern auf e5 erreicht. b5! Macht zwar das Feld c5 anfälliger, aber Schwarz befestigt mit dem Zug den Springer, der auf c4 sehr aktiv steht. 27.Sc3? Programme wollen gleich den Springer mit 27.Sb2 befragen. Danach steht Karjakin nur minimal besser. Db6+?! d4! ist noch stärker. 28.Sxb5 Dd5 29.Sxd4 Ld8! Eine schwer zu entdeckende Umgruppierung. 30.Td1 Lb6 31.Lf1 (31.Kf2 Td8 32.Ke1 Lxd4 kostet eine Figur) Dh1+ 32.Kf2 Dxh2+ 33.Ke1 Tc8 34.Le3 La6 35.Dc2 Dh1 36.Db3 Kh8 37.Tc1 De4 Nun hängen zu viele weiße Figuren. 38.Sxf5 Sxe3 39.Txc8+ Lxc8 40.Sxe3 Lxe3 41.Dd3 Dxd3 42.Lxd3 g5 43.f5 Lc1 44.a4 Lb2 45.e6 Lc3+ 46.Ke2 Lxb4 und das Endspiel erweist sich als hoffnungslos. 28.Tf2 d4 g6? kostet den wichtigeren d-Bauern. 29.Sxd5 De6 30.Lg2 Td8 31.Sxe7+ Dxe7 32.De2 mit Ausgleich. 29.Se2? Laut Karjakin „praktisch der Verlustzug“. Der gebürtige Ukrainer plädierte für 29.Sa4 Dc6?! (Dd8 sieht indes stärker aus. Schwarz sollte nicht den Tausch der weißfeldrigen Läufer forcieren. 30.Sc5 Lxc5 31.bxc5 Le4) 30.Lg2 Dc8 31.Lxb7 Dxb7 32.Sb2 De4 33.Te2 Dxd3 34.Sxd3 versandet ins Remis. Td8 30.Dxf5 d3! Karjakin lässt sein Ass weiter marschieren. 31.De6+ Kf8! Dxe6 32.Lxe6+ Kf8 33.Lxc4 bxc4 34.Sc3 bremst die feindlichen Bauern vorerst. Auch wenn Schwarz besser steht, muss er in dieser Position ausreichenden Vorteil erst nachweisen. 32.Df5+ 32.Dxb6 axb6 33.Sc3 d2 kostet eine Figur. Ke8 33.Dxh7 Auf 33.e6 plante Karjakin Td6! 34.Df7+ Kd8 35.Dg8+ Kc7 36.Dxg7 dxe2! 37.Dxe7+ Kb8 38.Df8+ Td8 und der frühere d-Bauer marschiert auf e1 zur Dame.

d2! dxe2 34.Dh8+ Lf8 35.Dh5+ g6 36.Dxe2 lässt Weiß noch vorerst am Leben mit drei Bauern für die Figur. 34.Lxd2 Txd2 35.e6 35.Dg8+ Lf8 36.De6+ Dxe6 37.Lxe6 Se3 38.Sc3 Td3 kostet wegen der Mattdrohung auf d1, so der Springer zieht, zusätzliches Material. Td1+ 36.Lf1 Dxe6 37.Dh5+ Kf8 38.Sc3 38.Dh8+ Kf7 39.Dh5+ g6 40.Dh7+ Ke8 41.Dh8+ Kd7 und der König entkommt den Schachgeboten. 42.Sd4 Dd5 43.Sf3 Se3 44.Dh3+ Kc7 45.Dh7 De4 Die weiße Stellung bricht zusammen. Dc6 0:1. Wegen des Matts auf h1 streckte Aronjan die Waffen. Nach 39.Dh8+ Kf7 40.Dh5+ g6 41.Dh7+ Ke8 42.Dh8+ Kd7 43.Dh3+ Kc7 44.Tg2 Txf1+ 45.Kxf1 Se3+ 46.Kf2 Dxc3 bricht die Stellung wie ein Kartenhaus zusammen.

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