Putin-Getreuer Iljumschinow bleibt Präsident des Weltverbands
Kramnik – Toplalow: Weiß opfert die Qualität und erhält dafür einen starken gedeckten Freibauern

Von Hartmut Metz
Für Garri Kasparow hat der Kampf fast so ein Debakel ergeben wie in der russischen Politik – oder genau genommen: Es war auch diesmal russische Politik. Nachdem der 13. Weltmeister der Schach-Geschichte in Russland mutig Opposition gegen Wladimir Putin betrieben hatte und nach mehreren Verhaftungen am Schluss nach Kroatien flüchtete, zog der 51-Jährige erneut den Kürzeren gegen den Kreml-Fürsten – diesmal indirekt: Kirsan Iljumschinow sicherte sich in der Schlammschlacht mit Kasparow die Unterstützung Putins. Der trug natürlich gerne sein Scherflein bei, um den lästigen Gegenspieler als Präsident des Schach-Weltverbands FIDE zu verhindern. Während der Olympiade in Tromsø votierten die 174 in Norwegen vertretenen Verbände für den Amtsinhaber. Iljumschinow erhielt 110, Kasparow nur enttäuschende 61 Stimmen, drei Zettel waren ungültig. Das Ergebnis für den Ex-Weltmeister, der vom amerikanischen Milliardär Rex Sinquefield unterstützt wurde, fiel prozentual gesehen noch schlechter aus als bei den Niederlagen jeweils vier Jahre zuvor für Legende Anatoli Karpow und den Manager und früheren Turnierorganisatoren Bessel Kok, die den seit 1995 umstrittenen Kalmücken an der Spitze der FIDE ablösen wollten. Die neutrale Haltung des Deutschen Schachbunds (DSB) honorierten die Delegierten:
DSB-Präsident Herbert Bastian wurde überraschend zu einem der zehn Vizepräsidenten gewählt. In der lange tobenden Schlammschlacht sei „reichlich schmutzige Wäsche gewaschen worden. Beide Seiten beschuldigten sich der Korruption und Vetternwirtschaft“, konstatierten die Insider der Webseite www.chessbase.de und ergänzten, „die Skeptiker befürchten, dass beide Seiten recht haben – und dass es noch schlimmer sein könnte, als man denkt …“ Auch wenn Kasparow sich gerne regelmäßig als Wahrer der Demokratie und Kind des Wandels aufplustert, ruinierte er bisher jede seiner Organisationen durch sein diktatorisches Gehabe – insofern kann der Wahlausgang durchaus ein Segen für die FIDE sein.
Schach wurde in Tromsö auch gespielt: In herzlicher Abneigung sitzen sich stets Wladimir Kramnik und Wesselin Topalow gegenüber und verzichten auf obligatorische Handschläge. Kramnik entthronte anno 2000 Kasparow als Weltmeister. Den Titel als konkurrierender FIDE-Weltmeister trug derweil kurz der Bulgare. Dessen Manager Silvio Danailow kassierte in Tromsö eine Schlappe als Präsident der Europäischen Schachunion. Neuer Kontinentalchef wurde der Georgier Surab Asmaiparaschwili. Beim 2:2 zwischen Russland und Bulgarien in der fünften Runde konnte sich Kramnik wenigstens über den Sieg gegen seinen Erzrivalen freuen.

W: Kramnik S: Topalow
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Le7 5.g3 0–0 6.Lg2 Sbd7 7.Dd3 Sb6 Eine Neuerung. c6 spielte David Baramidze wenige Tage zuvor in Dortmund gegen Kramnik. 8.c5 Sbd7 9.0–0 c6 10.b4 b6 11.Lf4 a5 12.a3 La6 13.Dc2 Sh5 14.Ld2 Shf6 15.Lf4 Sh5 16.Ld2 Shf6 17.Tfe1 Zwecks Zeitgewinn streute Kramnik mehrfach Zugwiederholungen ein, um dem Remis doch abzuweichen. Lc4 18.Lf4 Sh5 19.Le3 Shf6 20.Lf4 Sh5 21.Le3 Shf6 22.h3 h6 23.Sd2 La6 24.f4 bxc5 25.bxc5 Sxc5 Das verschärft die Stellung im Gegensatz zu mehreren ruhigeren Fortsetzungen wie Tb8. 26.dxc5 d4 27.Lf2 dxc3 28.Dxc3 Sd5= 29.Dc2 Lf6

30.e4! Weiß opfert die Qualität und erhält dafür einen starken gedeckten Freibauern. Bei 30.Tad1 Sc3 31.Se4 Sxd1 32.Txd1 De7 33.Sxf6+ Dxf6 34.Lxc6 Tab8 „kann Schwarz gerade noch rechtzeitig Gegenspiel inszenieren“, schätzte Kramnik die Variante als nicht vorteilhaft für sich ab. Lxa1 Der Rechner bevorzugt Sxf4, wonach laut dem Russen jedoch eine „schreckliche Stellung“ für Schwarz entstehe: 31.gxf4 Lxa1 32.Txa1 Df6 33.Sb3 Dxf4 34.Dc3± Die weißen Figuren sind aktiver als der Turm und die zwei Bauern. 31.exd5 Df6 32.d6!? Das hält Kramnik für „am sichersten“ und ergebe eine „technische Gewinnstellung“. Dc3 33.Dd1! Lb2 Ansonsten folgt 34.Se4 nebst Dxa1. 34.Lxc6 Tad8? Tab8! hält Schwarz im Spiel. 35.Sb1! Df6 36.Dd2 Tb8 37.Le4!? 37.d7 ist noch stärker. e5 38.Sc3 De6 exf4 39.Sd5 Dg5 40.Dxf4 Dxf4 41.gxf4 Lxa3 42.d7 Lb5 43.Se7+ Kh8 44.Sc6 Lxc6 45.Lxc6 Kg8 46.La4 und die Freibauern machen das Rennen, zumal auch noch weißes Te8 unangenehm ist. 39.Sd5 Dxh3 40.Lg2 Dh5 41.d7 exf4 42.Dxf4 Lxa3 43.Dxb8! Txb8 44.Te8+ Kh7 45.Txb8 Dd1+ Lxc5 rettet die Partie auch nicht: 46.d8D Lxf2+ 47.Kxf2 De2+ 48.Kg1 Dd1+ 49.Kh2 Dh5+ 50.Dh4. 46.Kh2 Dh5+ 47.Lh3 Df3 48.d8D 48.Th8+ Kxh8 49.d8D+ Kh7 50.Se7 Dxf2+ 51.Lg2 Dg1+ 52.Kh3 ergibt ein undeckbares Matt. Dxf2+ 49.Lg2 1:0.


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