Karjakin-Grischuk: Schwarz zog Tb5?? Ein fataler Schnitzer, der sofort verliert

Diesmal gibt Karjakin bei Schnellschach-WM Carlsen das Nachsehen
Von Hartmut Metz
Den Status als „Wunderkind Nummer eins“ hat Sergej Karjakin an Magnus Carlsen verloren. Als der gebürtige Ukrainer im Alter von zwölf Jahren und sieben Monaten jüngster Großmeister aller Zeiten wurde, hatten die Experten den kleinen Burschen aus Simferopol als „Jahrtausend-Talent“ gefeiert. Schließlich hatte selbst die US-Legende Bobby Fischer „erst“ mit fünfzehneinhalb die höchste Würde im Schach errungen – und dieser vermeintliche „Rekord für die Ewigkeit“ von 1958 hielt 33 Jahre, bevor ihn die Ungarin Judit Polgar 1991 minimal verbesserte.
Karjakin machte zwar seit seiner grandiosen Bestleistung kontinuierlich Fortschritte. Rasch geriet er aber in den Schatten des ebenfalls 1990 geborenen Carlsen. Der zehn Monate jüngere Norweger sicherte sich mit 13 Jahren und drei Monaten den Großmeister-Titel – schoss danach jedoch nicht nur an Karjakin vorbei, sondern auch an allen anderen. Der 21-Jährige führt mittlerweile souverän die Weltrangliste an. Karjakin erreichte vor genau einem Jahr Platz vier in der Weltrangliste und schwankt seitdem zwischen diesem und Position acht. Aktuell ist er Sechster. Der 22-Jährige profitiert seit 2009 von seinem Föderations-Wechsel. Der russische Verband hatte ihm Nationaltrainer Juri Dochojan als Coach versprochen.
Bei der Schnellschach-WM in Kasachstan schien ihm erneut der Jahrgangsbeste die Schau zu stehlen. Nach zwei von drei Tagen wurde Carlsen in Astana bereits als Weltmeister gefeiert, schließlich lag der Norweger mit 1,5 Punkten Vorsprung an der Spitze. In zehn Runden hatte er 8,5 Zähler gesammelt. Was sollte da noch schiefgehen? Doch am letzten Tag kassierte der Bundesligaspieler der OSG Baden-Baden gleich zwei Niederlagen hintereinander! Derweil startete Karjakin eine beeindruckende Serie. Mit 11,5 Punkten lag der Wahl-Russe am Schluss deutlich vor dem großen Rivalen (10,5), dem Bulgaren Wesselin Topalow, dem Aseri Schachriar Mamedjarow (beide 9,5), Alexander Grischuk (9) und dem israelischen Vizeweltmeister Boris Gelfand (8). Im Mittelfeld ab Platz sieben tummelten sich in dem 16er-Feld der Ukrainer Wassili Iwantschuk, OSG-Großmeister Peter Swidler (Russland) und Teimour Radjabow (Aserbaidschan/alle 7,5).
Bei der anschließenden Blitz-Weltmeisterschaft kam Carlsen zwar vor Karjakin ein – doch erneut blieb ihm bei den mit insgesamt 400000 Dollar dotierten Wettbewerben nur die Vizeweltmeisterschaft. Diesmal verwies ihn Grischuk auf den Silberrang. Der Russe holte in den Partien mit drei Minuten Bedenkzeit (plus zwei Sekunden pro ausgeführten Zug) 20 Zähler aus 30 Runden. Einen halben Punkt dahinter folgte Carlsen, Karjakin sicherte sich mit 18,5 Punkten Bronze. Die weiteren Plätze gingen an seine beiden Landsleute Alexander Morosewitsch (17,5) und Dimitri Andrejkin sowie Radjabow (beide 17).
Nachstehend das Schnellschach-Duell der beiden frischgebackenen Weltmeister. In der vierten Runde bezwang Karjakin den Weltranglistenelften Grischuk.

W: Karjakin S: Grischuk
1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sf3 e6 5.Le2 Se7 6.0–0 h6 7.Sbd2 Sd7 8.Sb3 Lg6 9.a4 Sf5 10.a5 Tc8 11.c4 Le7 12.cxd5 cxd5 13.Ld3 0–0 14.g4!? Ein typischer Vorstoß in der Variante. Andere Züge bringen Weiß auch keinen Vorteil. Sh4 15.Sxh4 Lxd3 16.Dxd3 Lxh4 17.Ld2 f5! 18.h3 De7 19.f4 a6 20.Kh2 Die Stellung ist ausgeglichen. Weiß hat zwar die offenere Königsstellung – im Gegenzug dafür aber auch mehr Raum. Deshalb erscheint sein Angriff auch gefährlicher. Df7 21.Tf3 Tc4 22.Tg1 Tfc8 23.Lc3 Kh8 24.Sd2 T4c6 25.Sf1 g6 26.Se3 Sf8 27.Sg2 Le7 28.Tg3 b5 29.axb6 Txb6 30.gxf5 exf5 31.Se3 Schwarz mangelt es noch immer an einem Gegenspiel. Der Vorteil des Anziehenden hält sich jedoch in Grenzen. Tb5?? [Diagramm] Ein fataler Schnitzer, der sofort verliert. Ld8 lässt nichts anbrennen. Karjakin muss dann zeigen, wie er weiterkommen will. 32.Sxf5! Den Zug übersah Grischuk. gxf5 33.Dxf5! Die Pointe des Springer-Einschlags. Nach Annahme des Damenopfers geht Schwarz matt: Dxf5 34.Tg8+ Kh7 35.T1g7 matt. 1:0.

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