Kramnik – Andreikin: Weiß erzwingt den Tausch der Türme gegen Dame – der Rest ist Technik!

Überzeugender Russe hat nur im Halbfinale gegen Vachier-Lagrave etwas Mühe
Von Hartmut Metz
Wladimir Kramnik bleibt eine der dominanten Schach-Figuren in diesem Jahrtausend. Der Russe gewann im norwegischen Tromsø den Weltpokal. Im Finale bezwang der 38-Jährige seinen Landsmann Dimitri Andreikin mit 2,5:1,5. Beide qualifizierten sich dadurch für das WM-Kandidatenturnier im Frühjahr 2014. Bei diesem wird der Herausforderer des nächsten Weltmeisters ermittelt. Titelverteidiger Viswanathan Anand trifft im November in seiner Heimatstadt Chennai auf den Weltranglistenersten Magnus Carlsen. Die Norweger hatten den Weltcup an Land gezogen, um dem eigenen Superstar eine Bühne zu bieten – doch die bevorstehende WM machte den Veranstaltern einen Strich durch die Rechnung. Carlsen zog es vor, lieber keine sonderlichen Eröffnungs-geheimnisse vor dem wichtigsten Wettkampf seiner Karriere preiszugeben. Eine Garantie hätte der 22-Jährige auch nicht gehabt, die 96 000 Euro Siegprämie einzuheimsen. In dem 128-köpfigen Feld bewies Kramnik nämlich einmal mehr, dass er noch besser als Anand (43) mit den Jungstars Fabiano Caruana und Lewon Aronjan Schritt halten kann. Der Armenier scheiterte früh in Runde drei. Den Italiener Caruana eliminierte Maxime Vachier-Lagrave im Viertelfinale. Der starke Franzose zwang auch Kramnik in die Schnellschach-Verlängerung. In dieser machte der aktuelle Weltranglistendritte allerdings kurzen Prozess und schlug Vachier-Lagrave in nur 22 Zügen mit Schwarz. In der nachstehenden ersten Final-Partie konnte der Ex-Weltmeister nicht viel aus der Eröffnung herausholen. Nach Ansicht von Carlsen-Sekundant Peter Heine Nielsen, der selbst als Eröffnungs-Guru gilt, ist der Russe der am besten vorbereitete Topspieler. Aber auch ohne sonderlichen Vorteil überspielte Kramnik noch den russischen Landesmeister mit zwei Türmen gegen die Dame.

W: Kramnik S: Andreikin
1.d4 e6 2.c4 Sf6 3.Sf3 d5 4.Lg5 Le7 5.Sc3 h6 6.Lh4 0–0 7.e3 b6 8.Ld3 8.Db3 ist die andere Hauptvariante. dxc4 9.Lxc4 Lb7 10.0–0 Sbd7 11.De2 a6 Häufiger geschieht Se4. Mit seiner Fortsetzung will Andreikin sicher die Vorbereitung Kramniks aushebeln. 12.Tfd1 Sd5 13.Lg3 Sxc3 14.bxc3 Ld6 15.e4 Lxg3 16.hxg3 b5 17.Ld3 Sb6 18.De3 Sa4 Schwarz hat eine ausgeglichene Stellung erreicht. 19.Lc2 Sb2 20.Tdb1 Sc4 21.Dc1 c5 22.a4 cxd4 23.cxd4 Tc8 24.axb5 axb5 25.De1 25.Txb5 verspricht Kramnik keinen Vorteil: Sd6! 26.Tc5 Sxe4 27.Lxe4 Lxe4. Lc6 26.Tb4 Ta8 27.Td1 Ta3 28.d5 exd5 29.exd5 Te8

30.dxc6! Das interessante Damenopfer sorgt dafür, dass die Stellung spannend bleibt. 30.Df1 Ld7 31.Ld3 Da5 32.Tdb1 Sd6 bietet nur Schwarz etwas bessere Perspektiven, gleichwohl sich die Position noch im Gleichgewicht befindet. Txe1+ 31.Sxe1 31.Txe1 g6 32.Txb5 Tc3 33.Tc5 Dd6 34.Te8+ Kg7 35.c7 Dxc5 36.c8D Dxc8 37.Txc8 Txc2 38.Sd4 Tc1+ 39.Kh2 Kf6 mündet auch in eine ausgeglichene Position. Dc7 32.Txb5 g6 33.Tc5 Se5 34.Le4 Sg4 Gleich Kg7 ist wohl besser, um die nun folgende weiße Springerumgruppierung zu verhindern. 35.Sd3 Kg7 36.Lf3 Zwingt den Springer auf ein schlechteres Feld als e5, das nun doppelt gedeckt ist. Langsam übernimmt danach Kramnik die Kontrolle in der Stellung und baut seinen Vorteil aus. Sf6 37.Sb4 h5 38.Tdc1 Ta7 39.Sd5 Sxd5 40.Lxd5 Dd8? Unterschätzt die Gefahren im Endspiel mit zwei Türmen gegen die Dame! Ta8 41.Tb5 Tc8 42.Lf3 (42.Tb7?? Dxb7 43.cxb7 Txc1+ 44.Kh2 Tb1) De7 43.Td1 und Weiß steht weiterhin nur leicht überlegen. 41.c7! Txc7 42.Txc7 Dxd5 43.Te1 Kh6 44.Tee7 f6 Dd1+ kostet einen Bauern: 45.Kh2 h4 (f6 46.f4 führt bereits zum Matt: g5 47.f5 g4 48.Tg7) 46.gxh4 Dd4 47.Txf7 Dxh4+ 48.Kg1 und Weiß steht auf Gewinn. 45.Ted7 Da5 46.f4 g5 47.Kh2 Kg6 48.fxg5! Sehr stark! Normalerweise ist man bestrebt, seine gute Bauernformation zu bewahren. Doch hier liegt eine Ausnahme vor, weil danach der schwarze König in Schwierigkeiten gerät. Kxg5 fxg5 sieht auch gefährlich aus: 49.Tc6+ Kf5 50.Tf7+ Ke5 51.Th6 h4! 52.gxh4 Da2 53.Tb7 gxh4 54.Tb5+ Kd4 55.Txh4+ Kc3. 49.Th7 f5 50.Tcg7+ Kf6 51.Ta7 Db4 Computer vertrauen kurzfristig auf De5. Aber nach 52.Txh5 Kg6 53.Thh7 Db8 (f4? 54.Tag7+ Kf6 55.Tf7+ Kg6 56.gxf4) 54.Tag7+ Kf6 55.Tb7 Dg8 56.Th6+ Ke5 57.Tb5+ Ke4 58.Th5 büßt Andreikin ebenfalls den letzten Bauern ein. Anschließend wird sein König zum Freiwild. Dg6 59.Tbxf5 Dxf5 Der Abtausch hilft auch nicht mehr, weil das Bauernendspiel hoffnungslos ist. 60.Txf5 Kxf5 61.Kh3. 52.Ta6+ Ke5 53.Txh5 Db1 54.Ta5+ Kf6 55.Taxf5+ Kg6 Dxf5 ergibt erneut das verlorene Bauernendspiel. 56.Tfg5+ Kf6 57.Tb5 Dc2 58.Th6+ Kg7 59.Tbb6 Dc5 60.Tbg6+ Kf8 61.Th7 Df5 62.Tgg7 De6 63.Te7! Dg6 64.Ta7 und Schwarz hat nur die Wahl zwischen Tausch der Dame gegen die Türme nach 64…Kg8 65.Tag7+ oder noch größeren Verlusten. Deshalb gab Andreikin auf. 1:0.

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