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Langsam so alt wie „Nessie“

Lieber Großmeister des Humors als des Schachs: Nigel Short wird 50
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Short – Howell: Ein Racheschach noch, danach gibt Schwarz sofort auf

Von Hartmut Metz
Lieber einen guten Freund verlieren, als eine Pointe auszulassen“ – für Nigel Short dürfte das gelten. Der Schach-Großmeister zählt zu den beliebtesten Kommentatoren, weil er immer einen Spruch auf Lager hat, koste es, was es wolle. Vergangenen Monat sorgte Short für Aufsehen, als er konstatierte, Frauen seien wegen ihres Hirns einfach im Schach benachteiligt, hätten aber dafür andere Vorteile wie „emotionale Intelligenz“ – was in Großbritannien einen Sturm der Entrüstung auslöste. Die Nummer 59 der Weltrangliste besitzt auf der Insel noch immer einen hohen Bekanntheitsgrad, weil er im 20. Jahrhundert der einzige Brite im WM-Finale war. Gegen Garri Kasparow geriet Short allerdings 1993 in London unter die Räder. 12,5:7,5 hieß es am Ende für das „Ungeheuer von Baku“, das schon vorher vollmundig angekündigt hatte: „Der Gegner heißt Short, und das Match wird short“ (kurz auf Englisch). Die Buchmacherkette Graham Hill witzelte gegen Ende des einseitigen Duells: „Shorts Gesamtsieg besitzt nun dieselbe Quote wie das Auftauchen des Ungeheuers von Loch Ness – und ich weiß, auf welches Ereignis ich eher wetten würde“, ulkte Pressesprecher Graham Sharpe.
Der exaltierte Vertreter des britischen Humors nahm den Spott mit Gelassenheit und scherzte nach einer der letzten WM-Niederlagen auf die Frage, ob er „heute einen Fehler machte“: „Ja, ich machte einen – als ich mir die Haare schneiden ließ.“ Diesen „Fehler“ begeht Short womöglich heute noch des Öfteren, da er am Montag seinen 50. Geburtstag nicht kahlen Hauptes feiern muss.
Der Jubilar, der langsam ins Alter von „Nessie“ kommt (wie Short scherzen würde), lebt mit seiner griechischen Frau und zwei Kindern in Athen. Wenn er ans Brett geht und nicht gerade wieder von Garri Kasparow in einem Revival-Match überfahren wird (wie bei der 1,5:8,5-Schlappe vor ein paar Wochen), spielt Short immer noch interessantes Schach – und berichtet gerne launig auf Twitter darüber. Schließlich ist der ehemalige Vizeweltmeister wohl doch lieber ein Großmeister des Humors als einer des Schachs.
In der nachstehenden Partie beim Poker-Stars-Masters 2014 auf der Isle of Man schlug der 49-Jährige seinen Landsmann David Howell sehenswert.

W: Short S: Howell
1.c4 Sf6 2.Sc3 e6 3.d4 Lb4 4.e3 0–0 5.Ld3 c5 6.d5 exd5 7.cxd5 d6 8.Sge2 Sbd7 9.0–0 a6 10.a4 Tb8 11.h3 Te8 12.Kh1 Se5 13.Lc2 b5 14.axb5 axb5 15.e4 Ld7 16.f4 Sg6 17.Sg3 La5 18.f5 Se5 19.Lg5 b4 20.Sce2 Lb5

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21.Lxf6 21.Sh5? Das sieht auf den ersten Blick sehr gut aus, doch Schwarz opfert die Dame: Sxh5! 22.Lxd8 Lxe2! 23.Lxa5 (23.Dxe2 Sg3+ 24.Kh2 Sxe2 25.Lxa5 Sd4 26.Ld1 Ta8 27.Ta4 Sc4 28.Lxb4! cxb4 (Txa4?? 29.Lxa4 cxb4 30.Lxe8) 29.Txb4 Se3 30.Te1 Sxd1 31.Txd1 Sc2 und Schwarz gewinnt) Sg3+ 24.Kg1 Lxd1 25.Tfxd1 Se2+ 26.Kf2 Sd4 27.La4 Te7 Der Läufer auf a5 gerät nun in die Bredouille, weshalb sich der Nachziehende rasch durchsetzt. 28.Lc6 Sb3 29.Ta4 Sc4. gxf6 Dxf6 scheitert an 22.Txa5. 22.Sh5 b3 23.Lb1 Kh8 24.Tf4 24.Txa5?! Dxa5 25.Sxf6 Tg8 26.Sxg8 Txg8 27.Tf2 Lxe2 28.Txe2 kann nur Schwarz gewinnen. Nach c4 hat der Läufer auf b1 keinerlei Perspektiven. Tg8 Schwarz steht besser. 25.Th4 Tg5 26.Sg1 c4?

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Ein Läuferzug wie Lb4 verhindert die folgende Abwicklung. Schwarz steht danach klar besser. 27.Txa5! Das Qualitätsopfer lenkt die schwarze Dame vom Königsflügel ab, wo sie zur Verteidigung fehlt. Dxa5 28.Sxf6 Kg7 Tg7 erlaubt 29.Dh5 De1 30.Dxh7+ Txh7 31.Txh7 matt. 29.Sxh7! Th8 30.Dc1! f6

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31.Sxf6! Diese Kaskade an starken Zügen musste Short vorausberechnet haben. Kxf6?! Txh4? 32.Dxg5+ stellt beide Türme ein. 31…Txg2! ist etwas komplizierter, verliert jedoch genauso: 32.Kxg2 Txh4 33.Dg5+ Kf7 34.Dxh4 Dd2+ 35.Kh1 Dxb2 36.Sh7! Dxb1 37.Sg5+ Ke8 38.Dh8+ Kd7 39.Db8! Ke7 40.Dxb5 c3 41.Db7+ Sd7 42.Dc8 c2 43.Se6 Kf6 44.Dh8+ Kf7 45.Dg7+ Ke8 46.Dg8+ Ke7 47.Dd8+ Kf7 48.Dxd7+ Kf6 49.Dg7 matt. 32.Txh8 Sf7 33.Sf3 Tg3 34.e5+ dxe5 35.Th6+! Ke7 36.Tg6 Txf3 37.gxf3 Da7 38.De1 Dc5 39.Dh4+ Kd7 40.Df6 Sd8

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41.Tg8 Dg1+ und nach dem Racheschach gab Howell auf. De7 42.Tg7 beendet die Partie genauso 1:0.

Partie online:

pgn-Download [6]