Großmeister und TV-Moderator Helmut Pfleger gibt am Samstag im Kuppenheimer Rathaus ein Simultan an 25 Brettern

Ein Skorpion kommt an den Nil und will ans andere Ufer. Daher bittet er das Nilpferd, ihn doch auf die andere Seite zu bringen. Das Nilpferd sagt zum Skorpion: „So dumm werde ich nicht sein. Dann stichst du mich, und ich bin tot.“ „Aber nein“, entgegnet der Skorpion, „das wäre doch dumm. Dann würde ich ja auch auf dem Fluss mit untergehen.“ Das überzeugt das Nilpferd und nimmt den Skorpion auf den Rücken. Und, als sie in der Mitte des Flusses sind, sticht der Skorpion doch zu. Das Nilpferd ganz entsetzt: „Was hast du getan? Jetzt gehen wir beide unter.“ Der Skorpion sagt: „Ja, ich weiß – aber ich kann nicht wider meine Natur!“
Dr. Helmut Pfleger liebt derlei Geschichten – auch wenn sie auf den ersten Blick mit seinem Metier, Schach, wenig zu tun haben. „Ich halte dies für eine sehr weise Geschichte“, erklärt der langjährige TV-Moderator, „sie gibt den Stil mancher Schachspieler wieder: Sie schreiben sich Besonnenheit auf die Fahne und wollen vernünftig spielen – bis der Gaul mit ihnen durchgeht und sie wie der Skorpion nicht anders können.“

Beliebtes wie eloquentes Kommentatoren-Duo: Helmut Pfleger (links) und Klaus Bischoff.

Am nächsten Samstag, 6. April, prüft der Großmeister im Rathaus, ob sich die Kuppenheimer Schachspieler auch wie Skorpione gebärden. Ab 13 Uhr gibt der ehemalige Nationalspieler ein Simultan an 25 Brettern. Der Eintritt ist für Zuschauer frei. Auch Bürgermeister Karsten Mußler will sich mit dem berühmten Buchautor messen. In seinen Werken hat Pfleger auch schon einiges über die Rochade Kuppenheim geschrieben, zum Beispiel über das einst bundesweit legendäre Zwölf-Stunden-Blitz. Unter dem Titel „A guada Sau frisst alles“ berichtete der Kolumnist auch zusätzlich im Magazin der Wochenzeitung „Zeit“ launisch über ein Patt mit Klaus Bischoff, bei dem der Großmeister einen Bauern zu viel auf dem Brett verspeiste und dadurch einen scheinbar sicheren Sieg einbüßte.

Bei der Schach-WM 2008 in Bonn kommentiert Helmut Pfleger die Duelle zwischen Wladimir Kramnik und Viswanathan Anand.

Nach dem Simultan ist Pfleger zudem Ehrengast beim Festbankett der vor 40 Jahren gegründeten Rochade und hält am Abend einen Vortrag. Seine Erzählweise brachte dem Psychoanalytiker das Etikett des „Märchenonkels“ ein – früher „wurmte“ ihn die vermeintliche Herabsetzung. „Heutzutage trifft mich das aber viel weniger“, arbeitete der ehemalige Moderator der Telekolleg-Reihen Biologie und Chemie auch an sich selbst. Im Fernsehen machte der Jubilar ab 1977 das Denkspiel populär, angefangen mit der Sendung „Schach der Großmeister“. Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Minister Otto Schily oder Fußballtrainer Felix Magath zählten dabei als gute Hobbyspieler zu seinen regelmäßigen Gästen. Als kongenialer Partner fungierte auf dem Bildschirm lange Zeit Vlastimil Hort, der gerne zu seinen Histörchen anhob mit „Helmut, weißt Du …“. Bei WM-Kämpfen zwischen Anatoli Karpow, Viktor Kortschnoi und Garri Kasparow lockte Pfleger Millionen vor die Bildschirme – und die Begleitbücher zu den WM-Kämpfen der Titanen verkauften sich ebenso jeweils in fünfstelliger Höhe.

Plausch unter Großmeistern: Helmut Pfleger (rechts) unterhält sich mit Peter Leko vor einer Partie in Dortmund.

Zu seinen besten Zeiten zählte der 76-Jährige zu den Top 50 der Welt, obwohl er wie seine Nationalmannschafts-Kollegen nie Profi war. „Wir können stolz darauf sein, die beste Amateurnation der Welt gewesen zu sein und uns gut im Reigen der Profi-Nationen behauptet zu haben“, findet der Münchner Großmeister und darf sich trotzdem mit Siegen über Legenden wie Viktor Kortschnoi oder den einstigen Weltranglistenersten Bent Larsen schmücken. Lieber als über seine Siege erzählt der „Märchenonkel“ aber von Tantalusqualen und anderen Schicksalen auf dem Brett …