Caruana – Kramnik: Die Stellung dürfte für weiß technisch gewonnen sein, mutmaßte Caruana.

Caruana gewinnt die 40. Auflage der Schachtage in Dortmund
Von Hartmut Metz
Der „Kampf des Jahrhunderts“ hat 1972 nicht nur Schach und Reykjavik für einige Wochen in den Mittelpunkt der Welt gerückt – noch 40 Jahre später wirkt der WM-Kampf zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski positiv nach! Dortmund hatte zwar das Nachsehen bei der Bewerbung für das politisch brisante Duell der Giganten aus den USA und der Sowjetunion, beschloss aber kurzerhand, das Jahr darauf dann eben ein Großmeister-Turnier auszurichten. Die Schachtage zählen seitdem zu den bedeutendsten Wettbewerben rund um den Globus! Im deutschen „Wimbledon des Schachsports“ wurden anlässlich des 40. Turniers gerne alte Kuriositäten aufgewärmt. So soll einmal ein Großmeister in Hut und Mantel in der Damensauna des Hotels aufgetaucht sein – und verschwand aber auch gleich wieder wortlos. Die beiden überraschten Damen nahmen es mit Humor und kommentierten trocken: „Er hätte wenigstens ,guten Tag’ sagen können!“ Rekordsieger Wladimir Kramnik blieb der elfte Erfolg verwehrt. Fabiano Caruana. kam „in der zweiten Hälfte in Fahrt“ und brachte dem Russen eine rare Niederlage bei. „Das war ein Highlight für mich“, freute sich der 20-Jährige über die Perle. Mit 6:3 Punkten lag Sergej Karjakin Kopf an Kopf mit dem Italiener. Der gebürtige Ukrainer, der von der russischen Schachföderation abgeworben wurde, blieb ungeschlagen. Doch die Mehrzahl der Siege gab für Caruana mit vier gegenüber drei den Ausschlag. Rang drei sicherte sich sein einziger Bezwinger, Ruslan Ponomarjow. Der Ukrainer führte das Feld der Verfolger mit je 5,5:3,5 Punkten vor Kramnik, dem Dortmunder Arkadij Naiditsch und Peter Leko (Ungarn) an.
Naiditsch bewies einmal mehr eindrucksvoll, dass er als einziger Deutscher der absoluten Spitze Paroli bieten kann. Mit einfallsreichen Taktikstichen traktierte der Baden-Badener Bundesligaspieler die Konkurrenz teilweise sieben Stunden lang – obwohl er selbst an einem entzündeten Knie litt. Dass ein Mückenstich dafür verantwortlich war, wie kolportiert wurde, ist laut Naiditsch „alles andere als sicher“. Die Klinik wollte ihn jedenfalls in Behandlung behalten, doch der 26-Jährige mochte keinesfalls auf den jährlichen Höhepunkt vor der Haustür verzichten. „Das Turnier ist super für mich gelaufen. Bis zum Schluss habe ich um Platz eins gekämpft. Ich denke, dass ich viele interessante Partien gespielt habe“, freute sich der Weltranglisten-44., obwohl er knapp seinen zweiten Erfolg bei den Schachtagen nach 2005 verpasst hatte. Nachstehend der entscheidende Sieg des Weltranglistenachten Caruana in Runde acht.

W: Caruana S: Kramnik
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.d3 Lc5 5.0–0 d6 6.c3 0–0 7.Sbd2 Se7 8.d4 exd4 9.cxd4 Lb6 10.b3 d5 11.e5 Se4 12.Ld3 Lf5 13.De2 Sc6 14.Lb2 Sxd2 15.Dxd2 Le4 16.Le2 f6 17.b4 fxe5 18.dxe5 Kh8?! Den Zug kritisierte Caruana als Fehler. „Mein Springer kann jetzt nach g5. Ich rechnete deswegen mit h6“, analysierte der Italiener nach der Partie. 19.b5 Se7 20.Sg5 Sg6 21.g3 Raubt dem Springer die wichtigen Felder f4 und h4, wonach Schwarz plötzlich Spiel gegen g2 bekäme. De7 22.e6! Tf5 23.Sxe4! 23.Sf7+ kontert Schwarz mit dem Qualitätsopfer Txf7 24.exf7 Dxf7 25.Ld3 Lxd3 26.Dxd3 Te8 27.Dd2 c5 28.bxc6 bxc6±. Dank der beiden Zentrumsbauern, die gefährlich werden könnten, so sie mal in Marsch geraten, hat der Nachziehende Gegenspiel. Weiß steht aber auf jeden Fall besser. dxe4 24.Dd7! Taf8?! Dxd7 25.exd7 Se5 26.Tad1 Td8 27.Kh1! Ein tückischer Computer-Zug, der sich erst durch die folgenden Varianten erklärt, bei denen es wichtig ist, dass der König nicht auf der g-Linie in Fesselungen oder in Schachs gerät: Txd7? 28.g4! und der Nachziehende verliert Material. Auf 27…Sf7 28.a4 Sh6 29.g4 Tf7 30.g5 Sf5 31.Lg4 Kg8 32.Tfe1 g6 33.Txe4 Tfxd7 34.Te8+ Txe8 35.Txd7 Te4 36.Lxf5 gxf5 37.Lf6 Txa4 (Lxf2 38.Tg7+ Kf8 39.Kg2 Lb6 40.Txh7 Kg8 41.Tg7+ Kf8 42.g6 Txa4 43.h4 Ld4 44.Tf7+ Kg8 45.Lxd4 Txd4 46.h5 Tg4+ 47.Kf3 Tg5 48.Kf4 Txh5 49.Txc7 Th1 50.Txb7 und Weiß gewinnt) 38.Tg7+ Kf8 39.Txh7 gewinnt Weiß ebenfalls. Daher bietet 24…Td8! wohl am meisten Widerstand: 25.Dxe7 Sxe7 26.La3 Sd5 27.e7 Te8 28.Lg4 Te5 29.Ld7 T8xe7 30.Lxe7 Txe7 31.Lc8 e3 32.fxe3 Te8 33.Ld7 Td8 34.Tf7 Sxe3 35.Kh1 erscheint aber auch ziemlich schwierig für Schwarz. 25.Dxe7 Sxe7 26.La3 Te8 27.Tad1 h5? Lc5! verteidigt sich zäher: 28.Lxc5 (28.Lc1 c6 29.bxc6 Sxc6 30.Td7 h5±) Txc5 29.Tc1 Txc1 30.Txc1 c6 31.Lc4± ergibt noch keinen vorentscheidenden Vorteil, gleichwohl Caruana wieder deutlich mehr vom Spiel hätte. 28.Td7 Sd5 29.Tf7 „Ab hier dürfte die Stellung technisch gewonnen sein“, mutmaßte Caruana. Sf6 Txf7?? 30.exf7 Tc8 31.f8D+. 30.Lc4 Lc5 31.Lb2 Te7 32.Ld4! Ld6 Ansonsten hängt der Turm auf e7. 33.Te1 b6 34.Tf8+ Kh7 35.Txe4! Txf2 Sxe4 reicht auch nicht: 36.Txf5 Kg6 37.Tf3 Sc5 (Sg5? 38.Ld3+ Kh6 39.Le3 Txe6 40.h4 Txe3 41.hxg5+ Kxg5 42.Txe3) 38.h4 Sxe6 39.Ld3+ Kh6 40.Le3+ g5 41.hxg5+ Kg7 (Sxg5 verliert ebenso: 42.Tf6+ Kg7 43.Lxg5) 42.Tf5 Lc5 43.Te5 Lxe3 44.Txe3 und angesichts der verbundenen Bauern hat Schwarz keine Hoffnung mehr: Kf8 45.f4 Sc5 46.Txe7 Kxe7 47.Le2 Se4 48.Kg2 Sc3 49.Lc4+–. 36.Kxf2?! Die erste Ungenauigkeit des Turniersiegers. Präziser wirkt 36.Te1! Td2 37.Le3 Lc5 (Tc2 38.Ld3+ g6 39.Lxc2) 38.Lxc5 bxc5 39.Tf7 Te8 40.Txc7 Td4 41.Lb3 und Kramnik kann seine schwachen Bauern nicht mehr alle halten. Sxe4+ 37.Kg2 Sc5 38.Ta8 Sxe6? Verliert umgehend. Nach Kg6! 39.Lxc5 Lxc5 40.Txa7 sieht Caruana noch Remischancen für Schwarz, „auch wenn er leiden müsste“. 39.Ld3+ Kh6 40.h4 40.Le3+ gewinnt schneller: g5 41.Tg8 Sf4+ 42.gxf4 Txe3 43.fxg5 matt. g6 41.Th8+ Th7 42.Tg8 Tg7 Sg7 43.Le3+ g5 44.Lxg5 matt. 43.Lxg7+ Kh7 44.Te8 Sxg7 45.Te3 Der Rest erweist sich als einfach mit einer Qualität mehr. Kh6 46.a4 Kh7 47.Kh3 Kh6 48.Lc2 Kh7 49.g4 hxg4+ 50.Kxg4 Kh6 51.Te2 Lb4 52.Te5 Sh5 Ld6 53.Tg5; 52…Ld2 53.Te7. 53.Te6 und da g6 fällt, gab Kramnik auf. 1:0.
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