Ehrlacher - IM Chetverik
Ehrlacher – IM Chetverik: Weiß beseitigt mit seinem nächsten Zug den letzten Zweifel am Ausgang der Partie

Iffezheimer Markus Ehrlacher sensationell Dritter in Bad Wildbad
Von Hartmut Metz
Was haben Capablanca in Semmering 1937 und Ehrlacher 75 Jahre später in Bad Wildbad 2012 gemeinsam? Den geteilten dritten Platz!“ Das Bonmot mit der kubanischen Legende José Raúl Capablanca kursiert gerade unter Iffezheimer Schachspielern, nachdem der Verbandsligist die erfolgreichste Woche seiner 28-jährigen Vereins-geschichte feierte: Bei den mittelbadischen Blitz-Meisterschaften belegte der SCI Platz zwei hinter Seriensieger Rochade Kuppenheim, und Jörg Eiler holte im Einzel den Titel.
„Den Vogel schoss jedoch der Iffezheimer Präsident Markus Ehrlacher ab“, konstatiert Pressewart Christian Dettweiler. Der 43-jährige Vorsitzende sorgte beim internationalen Turnier in Bad Wildbad für eine Sensation: Obwohl er an sechstletzter Position gesetzt war, blieb der Bewährungshelfer gegen weit höher klassierte Kontrahenten ungeschlagen. Mit 5,5:3,5 Punkten teilte Ehrlacher so sensationell den dritten Platz. „Beim Turnier meines Lebens“ ist das Iffezheimer Gründungsmitglied besonders stolz auf seinen Sieg über den Internationalen Meister (IM) Maxim Chetverik. Der Russe belegte trotzdem am Schluss Platz zwei hinter dem niederländischen Großmeister Karel van der Weide. „Erst nach den vielen Glückwünschen kapiere ich langsam, welches Husarenstück mir da gelungen ist“, erzählt Ehrlacher.
Der Capablanca-Fan aus Iffezheim nutzte die Gunst der Stunde, um den bisher hochwertigsten Skalp an sein Revers zu heften. Der Außenseiter bot gegen Chetverik eine exzellente Leistung. Die Attacke des Russen bremste der KSC-Fan mit der gerne als „Badewanne“ bezeichneten Bauernstruktur aus und bestrafte die übertriebenen Gewinnbestrebungen des Internationalen Meisters. Nachstehend kommentiert Ehrlacher seinen ersten Sieg über einen internationalen Titelträger.

W: Ehrlacher S: Chetverik
Nach einem Sieg und fünf Remis traf ich in der siebten Runde des Bad Wildbader Herbst 2012 auf den an Nummer zwei gesetzten russischen IM Maxim Chetverik (ELO 2284). 1.c4 In den letzten Wochen vor dem Turnier hatte ich mein Weiß-Repertoire umgestellt, und im bisherigen Turnierverlauf konnte ich mit der Ausbeute als Anziehender zufrieden sein (ein Sieg, zwei Remis). e6 2.Sf3 f5 3.g3 Sf6 4.Lg2 Le7 5.0–0 0–0 6.Sc3 c6 7.d3 d6 Damit ist die Iljin-Genewski-Variante der Holländischen Verteidigung entstanden, die mein Gegner bereits in zahlreichen Partien gespielt hat, wie ich in der Vorbereitung auf diese Partie feststellen konnte. Die Pläne für beide Seiten sind klar und durch die Bauernstruktur vorgegeben. Weiß wird am Damenflügel expandieren und dort großen Raumvorteil erlangen. Schwarz hingegen setzt auf einen Bauernaufmarsch samt Angriff am Königsflügel. 8.b4 Kh8 e5 9.Tb1 Kh8 10.b5 c5 11.Se1 De8 12.f4 Sbd7 13.Sc2 Dh5 14.Se3 exf4 15.gxf4 Tf7 16.Tf3 Sg4 17.Th3 Lh4 18.Df1 Sdf6 19.Df3 h6 20.Scd5 Sxd5 21.cxd5 g5 22.Sc4 Dg6 23.fxg5 hxg5 24.Sxd6 Th7 25.Lb2+ Sf6 26.De3 Ld7 27.De5 Tf8 28.Tf1 g4 29.Txh4 Txh4 30.Sxf5 Lxf5 31.Txf5 Th6 32.d6 1:0 in Kortschnoi,V (2634) – Sequera Paolini,J (2378) Curaçao 2002. 9.a4?! Dieser Zug sieht gut aus, gefällt mir im Nachhinein aber nicht mehr besonders. Meines Erachtens wäre es besser gewesen, ohne diesen Zug Turm b1 und den Bauernhebel b5 zu spielen, damit man das Feld a4 noch als Operationsbasis für die Figuren behält. e5 10.b5 a5 11.Tb1 c5 Schwarz hat mit seinen letzten beiden Zügen den Damenflügel blockiert, allerdings zu einem positionell hohen Preis. Die lange Diagonale und vor allem das Feld d5 sind sehr schwach. 12.Se1 Mit diesem Zug wird die Überführung des Springers nach d5 eingeleitet. Ta7 Schwarz geht mit dem Turm aus der Schusslinie des Läufers und möchte ihn später auf der siebten Reihe zum Königsflügel schwenken. 13.Sc2 b6 14.Se3 Le6 15.Sed5 Sg8?! Mein Gegner wollte wohl seine Figuren am Königsflügel für den bevorstehenden Angriff behalten, aber objektiv besser waren die Alternativen Sbd7 oder Sxd5 mit jeweils besserem Spiel für den Anziehenden. 16.e3 Lf6 17.f4 Mit der sehr plastisch als „Badewanne“ bezeichneten Bauernstruktur wollte ich den schwarzen Angriff am Königsflügel neutralisieren. Taf7 18.Lb2 Sd7 19.Dc2 g5?! Der Zug kompromittiert mehr den eigenen als den feindlichen König – doch der favorisierte Russe wollte natürlich mit aktivem Vorgehen das Remis gegen den Außenseiter vermeiden. 20.De2 Tg7 21.Tf2?! Ein Tempoverlust, wie sich rasch zeigt. Sh6 22.Te1 Sg4 23.Tff1 Tfg8 24.Sd1? Die Idee dieses Zuges war die Wirkung des Läufers auf b2 zu verstärken und mit Sf2 den schwarzen Springer auf g4 abzutauschen. Besser ist die Zugfolge 24.Sxf6 Dxf6 25.fxe5 Dh6 26.Lf3 Sgxe5 27.Sd5 mit deutlichem weißen Vorteil. Tg6? Mit gxf4!? und einem doppelten Figurenopfer nach 25.exf4 Sxh2! 26.Kxh2 Lh4! 27.gxh4 Dxh4+ 28.Kg1 Txg2+ 29.Dxg2 Txg2+ 30.Kxg2 Dg4+ hätte Schwarz ein Remis durch Dauerschach erzwingen können. Aber ich gehe davon aus, dass der IM zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Spielstärke-Unterschiedes natürlich noch auf Sieg zu spielen gedachte. 25.Sf2?! Erneut war 25.Sxf6 vorzuziehen. h5? Mit diesem eigentlich normal aussehenden Zug schlägt das Pendel nun deutlich zugunsten des Weißen aus. Mit folgender Variante, die ich natürlich nicht annähernd so weit berechnet habe, hätte Schwarz das Gleichgewicht halten können: gxf4! 26.exf4 Sxh2! 27.Kxh2 Txg3 28.Tg1 Df8 29.Sxf6 Sxf6 30.Lh3 Dg7 31.Dd1 Sh5 32.Lc1 mit Ausgleich. 26.Sxg4 hxg4 Schwarz möchte prinzipiell mit dem h-Bauern zurücknehmen, um die h-Linie für den Angriff zu öffnen. 26…fxg4?? geht aber auch aus taktischen Gründen nicht, wegen der Bauerngabel 27.f5. In dieser Stellung habe ich meine Gewinnchancen begriffen, denn der weitere Fortgang ist relativ forciert. 27.Sxf6 Dxf6 Sxf6 verliert einen Bauern 28.fxe5 dxe5 29.Lxe5 ebenso wie Txf6 28.Lc6 mit Gewinnstellung. Beide Läufer sind nun wahre Riesen auf den langen Diagonalen und da die Dame und der König im Schussfeld des Läufers auf b2 stehen, wird die Stellung konsequent und entscheidend mit 28.d4 geöffnet. Kh7? Auch die Variante cxd4 29.fxe5 dxe5 30.exd4 exd4 hilft nichts mehr, beispielsweise nach 31.Dd3 Sc5 32.Dxd4 Dxd4+ 33.Lxd4+ Kh7 34.Lxc5 bxc5 35.Txe6 Txe6 36.Ld5 Te5 37.Lxg8+ Kxg8 38.b6 und Weiß gewinnt. 29.fxe5 dxe5 30.d5 Mit diesem Zug erhält Weiß nicht nur einen gedeckten Freibauern, sondern öffnet auch die lange Diagonale und vertreibt einen Verteidiger des Bauern f5. Lf7 31.Le4 31.Txf5! gewinnt ebenso, da die Dame nach Dxf5 32.Tf1 kein Fluchtfeld besitzt. f4 De7 32.Txf5 Kh8 33.Tef1 T6g7 34.d6 und Schwarz kann erneut aufgeben. 32.Dxg4 De7 33.exf4 gxf4 34.Lxg6+ Txg6 Mit 35.Dxf4 werden zwei weitere Bauern erobert und letzte Zweifel bezüglich des Ausgangs der Partie beseitigt. Durch einen vermeintlichen Damentausch hätte man die Partie bei knapper Zeit auch durchaus noch einstellen können … 35.Dh4+?? Dxh4. Kg8 Nach exf4 36.Txe7 würde Weiß nicht nur die Dame zurückbekommen, sondern auch noch mit dem Doppelangriff eine Figur gewinnen. 36.Lxe5 Sxe5 37.Txe5 Dd7 38.Tg5 Danach hatte der IM genug gesehen und gab mit Minusqualität und drei Bauern weniger auf. Mein erster Sieg gegen einen Titelträger. Dank zwei weiteren Unentschieden in den beiden letzten Runden konnte ich das Turnier mit 5,5 Punkten aus neun Spielen hinter GM van der Weide und IM Chetverik auf dem geteilten dritten Rang beenden. 1:0.

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