Aljechin – Bogoljubow: Schwarz am Zug gewinnt – wer sonst?

Grenzenloser Optimist vor 125 Jahren geboren / Internierung 1914 in Rastatt und Triberg war bestes Trainingslager
Von Hartmut Metz

Die Jubiläen häufen sich derzeit: Jefim Bogoljubow ist im April genauso vor 125 Jahren geboren worden wie Richard Reti. Zudem lief vor 100 Jahren das berühmte Turnier in St. Petersburg, bei dem der Zar die ersten Großmeister-Titel verlieh. Hartmut Metz widmet sich in seiner Metz-Kolumne (Meko) erst in mehreren Ausgaben Bogoljubow, weil dieser in der Region wirkte und das badische Schach in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägte. Danach kommen Reti und St. Petersburg noch zu Ehren.

Jefim Bogoljubow galt als der ewige Optimist unter den Schach-Großmeistern! Dieser überbordende Charakterzug des vor 125 Jahren geborenen Profis führte zu manch erheiternder Situation, die bis heute als Anekdote überdauerte. Am besten trifft wohl folgender Ausspruch sein Naturell: „Wenn ich Weiß habe, gewinne ich, weil ich Weiß habe – und wenn ich Schwarz habe, gewinne ich, weil ich Bogoljubow bin.“ Efim Bogoljubow und Alexander Aljechin
Quelle: Chronik des Badischen Schachverbandes

Der am 14. April 1889 geborene Sohn eines Geistlichen verzichtete darauf, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und brach nach zwei Jahren sein Studium am Kiewer Polytechnischen Institut ab – die Leidenschaft für Schach war zu groß. In der Ukraine galt Bogoljubow bald darauf als einer der führenden Spieler. In die Weltspitze gelangte er aber vielleicht erst durch den Ersten Weltkrieg – und die daraus resultierende Internierung in Rastatt und Triberg. Wie viele andere Meister hatte er 1914 am XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes in Mannheim teilgenommen und wurde durch den Ausbruch der Völkerschlacht überrascht. Mit weiteren russischen Assen wurde Bogoljubow nach Rastatt verfrachtet. Der spätere Weltmeister Alexander Aljechin erinnert sich: „Das Leben im Gefängnis war ziemlich eintönig. Es gab keine Bücher, keine Zeitungen und natürlich auch kein Schach. Deshalb haben Bogoljubow und ich stundenlang Blindpartien gespielt.“ Davon sind sogar mehrere überliefert, weil die Recken sie wohl später nach der Verlegung nach Triberg zu Papier brachten.
Der Kurort beeinflusste das Leben Bogoljubows – und noch heute erinnert eine Tafel mit Schachfiguren darauf an das Haus, in dem er lebte. Bogoljubow fand dort nicht nur seine große Liebe Frieda Kaltenbach, die er heiratete, sondern verbesserte sein Spiel während des Krieges enorm in der relativen Abgeschiedenheit des Schwarzwalds. Acht Turniere trug er mit Kollegen wie Ilja Rabinowitsch, Alexander Flamberg und Alexej Selesnjew aus. Beim ersten in Baden-Baden war Aljechin noch dabei. „Bogo“ gewann fünf Wettbewerbe, die für ihn ein optimales Trainingslager waren (Fortsetzung in der nächsten Schachspalte).
Die nachstehende spektakuläre Partie trugen Aljechin und Bogoljubow schon 1913 beim B-Turnier in St. Petersburg aus.

W: Aljechin S: Bogoljubow
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Lc5 4.c3 Sge7 5.d4 exd4 6.cxd4 Lb4+ 7.Ld2 Lxd2+ 8.Dxd2 a6 9.La4 d5 10.exd5 Dxd5 11.Sc3 De6+ 12.Kf1 Weiß bringt seinen König ohne Rochade in Sicherheit. 12.De3 0–0 13.0–0 führt ebenfalls zum Ausgleich. Dc4+ 13.Kg1 0–0?! Le6 ist präziser, um das wichtige Feld d5 zu kontrollieren. 14.d5 Td8? Das sieht auf den ersten Blick gut aus, fesselt es doch den d-Bauern, der somit nicht auf c6 schlagen kann – doch Aljechin widerlegt den schablonenhaften Zug direkt. 15.De1! Lg4 Noch der beste Versuch. Sxd5 16.Lb3 Dc5 17.Lxd5 kostet mindestens eine Figur, denn Txd5 18.Sxd5 Dxd5 scheitert an 19.De8 matt. 16.Lb3 Df4 17.dxc6 Lxf3 18.Dxe7?! Die erste Ungenauigkeit des späteren Weltmeisters. 18.gxf3 Dg5+ 19.Kf1 Sxc6 20.De3 Dh5 21.h4 Te8 22.Df4 lässt keinen Zweifel am Sieger. Lxc6 19.h4?! 19.De3 nimmt alle Tricks aus der Stellung. Dxe3 20.fxe3 Td2 21.e4 Txb2 22.Tf1 Tf8 23.Tf2 Txf2 24.Kxf2 Te8 25.Te1 und die Figur ist weit stärker als die zwei Bauern. Td2 20.Tf1?! 20.Se2 Df5 21.De3 Tad8 22.Te1± verteidigt noch immer einigen weißen Vorteil. Te8 21.Dg5?? 21.Dc5! Der einzige Zug. Lxg2 22.Kxg2 Dg4+ 23.Kh2 Dxh4+ 24.Kg2 Dg4+ 25.Kh2 führt zum Dauerschach, weil Td6 nicht entscheidet wegen 26.Lxf7+! Kh8! (Kxf7?? 27.Dxc7+ Td7 28.Dg3) 27.Dh5 Th6 28.Lxe8 (28.Dxh6 gxh6 29.Lxe8 Dh4+ 30.Kg1 Dg4+) Txh5+ 29.Lxh5 Dxh5+ 30.Kg3 Dg6+ 31.Kf4 Dd6+ 32.Ke4 Db4+ 33.Kd3 Dxb2 mit remisiger Stellung.

Txf2!! 22.Lxf7+ 22.Dxf4 erlaubt Txg2 matt und bei 22.Txf2 Te1+ 23.Tf1 Txf1 matt ergeht es Weiß nicht besser. Kh8! 23.Td1 23.Lc4 scheitert an Dxg5 und 24.Txf2 ist Pflicht wegen des erneut drohenden Matts auf g2. Dxf7! 24.Td2 h6! Der unscheinbare Zug macht kurzen Prozess. 25.Txf2 Te1+ 26.Kh2 Dxf2 27.Dg4 Oder 27.Dd8+ Kh7 28.Dd3+ g6 29.Dh3 Df4+ 30.Dg3 Txh1+ 31.Kxh1 Dxg3.

Lxg2! Der krönende Abschluss. Aljechin gab auf wegen 28.Dxg2 Dxh4+ 29.Dh3 Txh1+ 30.Kxh1 Dxh3+. 0:1.


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