Sutowski – Caruana: Schwarz gewinnt “unschön” aber effektiv

Japanischstämmiger Amerikaner gewinnt Turnier in London
Von Hartmut Metz
Den stärksten amerikanischen Schachspieler seit Bobby Fischer zeichnet vor allem eines genauso aus wie den schachlichen Übervater: Kampfkraft! Hikaru Nakamura riskiert viel und erleidet manchmal damit Schiffbruch – aber gewinnt auch häufiger! Sein kompromissloses Spiel wirkt sich jetzt positiv in der Weltrangliste aus. Am 1. Januar sollte der 26-Jährige erstmals den Sprung auf Platz drei schaffen. Dann liegen nur noch der norwegische Weltmeister Magnus Carlsen und der Armenier Lewon Aronjan, die in London fehlten, vor ihm. Die beiden dürften mit ihm zusammen die kommenden Titel ausspielen. Chancen könnten außerdem der Italiener Fabiano Caruana und der Russe Sergej Karjakin haben. Von der alten Garde scheint lediglich der 38-jährige Wladimir Kramnik der neuen Generation Paroli bieten zu können. Bei den London Chess Classic musste der Russe aber auch Nakamura den Vortritt lassen. Der Amerikaner hatte zuvor im Viertelfinale Ex-Champion Viswanathan Anand ausgeschaltet. In der Vorschlussrunde konnte Kramnik Stellungsvorteile nicht nutzen. Ähnlich erging es im Endspiel Boris Gelfand, dem dritten Granden der „Altmeister“, die noch mithalten. Nakamura konnte schlecht stehen, wie er wollte – mit unbeugsamem Kampfesgeist und enormem Einfallsreichtum blieb der japanischstämmige Großmeister im gesamten Turnier ungeschlagen.
Weil Nakamuras Partien oft so lange waren, nachstehend eine kurzweiligere von Caruana. Der potenzielle WM-Rivale spielt häufiger unschön aussehende Züge, die den Schachprogrammen aber meist gefallen. Der Israeli Emil Sutowski war gegen Caruana auch chancenlos. Den Italiener erwischte es nach seiner starken Vorrunde jedoch im Viertelfinale gegen Gelfand, der seinen Landsmann Sutowski durch ein 3:1 nach Verlängerung rächte.

W: Sutowski S: Caruana
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5 4.Sgf3 cxd4 5.exd5 Dxd5 6.Lc4 Weiß opfert einen Bauern und setzt in dieser Französisch-Variante auf seinen Entwicklungsvorsprung. Dd7 7.0–0 Sc6 8.Se4 Le7 9.De2 Sf6 10.Lg5 a6 11.Ld3?! 11.Tfd1! Sxe4 12.Dxe4 Lxg5 13.Sxg5 b5 14.Lb3 Lb7 und Weiß bekommt zwar den d4–Bauern noch nicht zurück, kann sich aber überlegen, auf e6 mit einer Figur reinzuschlagen. 15.Dg4 De7 16.Lxe6 fxe6 17.Sxe6 h5 18.Df4 führt zu gleichem Spiel laut Programmen! Derlei kommt einem Angriffsspieler wie Sutowski entgegen. Sd5 12.Tad1 Lxg5 13.Sfxg5 h6 14.Sf3 0–0 15.Lc4? Damit entpuppt sich das Läufermanöver zurück nach d3 und wieder nach c4 endgültig als Zeitverlust. Sf4 16.Dd2 e5 Caruana hat den Bauern auf d4 gefestigt und einen starken Springer auf f4 zementiert. Schwarz steht deshalb deutlich überlegen. 17.Sg3 Dc7 18.h3 b5! Bei Caruana verblüfft immer wieder das computerartige Spiel, das manchmal harmlos daherkommt – aber oft stärker ist als Züge, die sich an klassischen Regeln orientiert (etwa Bauern eher zurückhalten und nicht schwächen; erst Figuren entwickeln etc.). 19.Ld3 19.Lb3 verhindert zwar vorläufig den lästigen Bauernvorstoß nach f5. Doch im Falle von Lb7 20.Sf5 Sa5 21.S3h4 Sxb3 22.axb3 Tac8 23.Tfe1 g5 24.Sxh6+ Kh8 25.S4f5 Lxg2 entscheidet der mächtige Läufer auf der langen Diagonalen. f5 20.Le2 Lb7 21.Tfe1 Tad8 22.Sh4 Se7 Das genügt völlig. Schöner ist d3! 23.cxd3 Sd4 24.Lf1 g5 mit schwarzer Dominanz angesichts all der schlecht stehenden weißen Figuren. 23.a4 e4 24.axb5 axb5 25.Sh5 25.Lxb5 g5 26.Se2 Sxe2+ 27.Dxe2 gxh4 kostet eine Figur. Sxh5 26.Lxh5 Dd6 27.Da5 Lc6 28.g3 f4 29.g4 g6 Schwarz gewinnt beliebig. 30.Lxg6 Sxg6 31.Sf5 Txf5! 32.gxf5 Sh4 33.Kf1 e3 34.Td3 34.Da2+ Ld5 35.Txd4 Lxa2 36.Txd6 Txd6 ist auch hoffnungslos. Dd5

Gegen das Matt auf der langen Diagonalen gibt es keine vernünftige Verteidigung mehr. 0:1.


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