Carlsen – Grischuk: Weiß zieht – mit Volldampf – einen (wichtigen) Zwischenzug

Carlsen und Aronjan setzen sich beim WM-Kandidatenturnier ab
Von Hartmut Metz
Magnus Carlsen kommt richtig in Schwung. Begann der Weltranglistenerste beim WM- Kandidatenturnier mit zwei Remis verhalten, ist der Norwegen-Express kurz vor der heutigen Halbzeit des Turniers kaum mehr zu stoppen. Der 22-Jährige konnte beim mit 510 000 Euro dotierten Wettbewerb in London den dritten Sieg in vier Partien feiern. Carlsen brachte den bis dahin drittplatzierten Russen Peter Swidler, der wie er bei der OSG Baden-Baden gemeldet ist, auf Distanz. Mit 4,5:1,5 Punkten hat sich Carlsen bereits vom Mit- favoriten Wladimir Kramnik deutlich abgesetzt. Der Russe remisierte alle bisherigen sechs Duelle der Vorrunde. Einzig Lewon Aronjan hält noch Schritt im Kampf um den Platz als Herausforderer seines weiteren OSG- Vereinskameraden, Weltmeister Viswanathan Anand. Der in Berlin lebende Armenier war mit zwei frühen Siegen gestartet und legte am Donnerstag gegen Teimour Radjabow nach. Angesichts der 1,5 Punkte Vorsprung vor Kramnik und Swidler dürfte die Entscheidung nur zwischen Aronjan und Carlsen fallen. Seine überzeugendste Vorstellung bot der Norweger in Runde vier gegen den Russen Alexander Grischuk.

W: Carlsen S: Grischuk
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.d3 Lc5 5.c3 0–0 6.0–0 d6 7.h3 a6!? 8.Lxc6 bxc6 9.Te1 9.d4 Lb6 10.Te1 kam bereits in der Partie zwischen Sergej Karjakin und Dimitri Jakowenko (Play-offs der russischen Schnellschachmeisterschaft 2012) und vor allem in diesem Jahr beim Aeroflot-Blitz in Moskau zwischen Karjakin und Alexander Grischuk vor! Te8 10.Sbd2 d5!? Die Neuerung stuft Carlsen als „interessant“ ein. Lb6 geschah im Vorjahr beim Zweikampf in Prag, als der WM-Mit-Kandidat Peter Swidler auf den Tschechen David Navara traf. 11.exd5 Dxd5 12.Sb3 Lf8 13.c4 Dd6 14.Le3 Sd7 15.d4! Verhindert den befreienden Vorstoß c5 von Schwarz, der gleichzeitig den Doppelbauern auflöst. e4! a5? beantwortet Weiß mit dem unangenehmen Zug 16.Lf4!, wie Grischuk anmerkte. 15…exd4 16.Dxd4 ist etwas bequemer für Weiß, der über eine intaktere Bauernstruktur und merklich besser postierte Figuren verfügt. 16.Sfd2 a5! 17.a4 Ansonsten vertreibt Schwarz den Springer vom Feld b3 und kommt zum Vorstoß c5. f5!? Das ist kein Fehler – aber „ich übersah sehr viele Dinge bei dem Zug“, klagte der Russe später. Dg6 gefällt den Programmen am besten. 18.c5! Sehr stark gespielt! Der Vorstoß macht zwar das Feld d5 frei für schwarze Figuren – schränkt jedoch genauso die feindlichen Figuren ein, vor allem den Läufer auf f8. Dg6? Ein Fehler! Schwarz sollte c4 kontrollieren, um dem Springer nicht das schöne Feld zu überlassen: De6! 19.Lf4!? Sf6 20.Lxc7 Sd5 21.Le5 Dg6! 22.Sc4 f4 23.Kh2 Lf5!? gibt zwar einen oder auf a5 gar einen zweiten Bauern, Großmeister Michail Golubew sieht aber Kompensation für den Nachziehenden, dessen Figuren nun deutlich aktiver stehen. Dank des Zentrums auf e4 und f4 muss Weiß auf der Hut sein, um nicht in einen Angriff zu geraten. 19.Sc4! Sf6 20.Lf4 20.Se5? Txe5! 21.dxe5 Sd5 ist gefährlich für Carlsen. Es droht f4 mit anschließendem Lxh3. Sd5 21.Dd2 Le6?! Td8 22.Sbxa5 Sxf4 23.Dxf4 Txd4 24.b4 Le6 25.Se5 Df6 26.Saxc6 Td5 27.h4 sorgt für interessantes Spiel. Weiß leidet dabei darunter, dass er die Springer nicht bewegen kann, ohne einen zu verlieren – Schwarz kann das allerdings auch nicht ausnutzen. 22.Sbxa5! Teb8?! Sxf4 ist stärker. 23.Dxf4 Df6 24.Ted1 Ld5 25.b4. Auf Le7? 23.Se5 Dh5 24.Saxc6 Lh4 schlug Carlsen 25.Lh2! mit Gewinnstellung vor. 23.Se5± Df6? De8!? bietet mehr Gegenchancen. 24.Saxc6 Tb3! 24.Lh2! Txa5!? Bei knapper Bedenkzeit riskiert Grischuk alles, bevor er passiv verharrt und erdrückt wird von seinem umsichtigen Gegner. e3 25.fxe3 Txa5 26.Dxa5 Txb2 gestattet 27.Sc4 Tc2 28.Tac1 und Weiß behält die Oberhand. 25.Dxa5 Txb2 26.Tab1 Jetzt ermöglicht 26.Sc4? Txf2!! 27.Kxf2 (27.Le5 Dh4 28.Tf1 Te2 29.Tae1 Txg2+ 30.Kxg2 f4 31.Dd2 e3! 32.Sxe3 Dg3+ 33.Kh1 Sxe3 34.Txe3 Ld5+ 35.Tef3 Lxf3+ 36.Txf3 Dxf3+ 37.Kg1 Dg3+ führt zum Ausgleich) Dxd4+ 28.Kf1 Dxc4+ 29.Kg1 f4 30.Dd2 Lxc5+ 31.Kh1 e3 spielt sich für Schwarz angenehmer, obwohl er zwei Qualitäten weniger hat. Ta2 27.Da6! Die Computer mögen zunächst 27.Tb8?, schwenken aber nach e3 28.fxe3 Dg5 29.g3 Dh6 30.Da8 g6 31.h4 Ta1!! (noch besser als Sc3 32.Da6 Ld5 33.Df1) 32.Txf8+ Kg7!! (Dxf8?? 33.Dxf8+ Kxf8 34.Txa1) 33.Txa1 Dxe3+ 34.Kf1 f4! um wegen der vernichtenden Drohung Lh3 matt. 35.g4 Dh3+ 36.Kg1 De3+ 37.Kf1 Dh3+ und der weiße Monarch muss das Dauerschach akzeptieren. 38.Ke1? verliert nämlich: Dc3+ 39.Ke2 Dc2+ 40.Kf3 Sc3! 41.Dxc6 Ld5+ 42.Dxd5 De2+ 43.Kxf4 Df2+ 44.Df3 (44.Sf3 Sxd5+ 45.Ke5 Kxf8 46.Ta3 Db2 47.Kxd5 Dxa3 48.Ke4) Se2+ 45.Ke4 (45.Kg5 h6 matt) Dxd4 matt. e3 28.fxe3 Dg5 Dh4 missfiel Grischuk wegen 29.Df1! und die weiße Verteidigung hält stand. Ein Schnitzer ist hingegen 29.Te2?? Sb4! 29.Te2 Sxe3?! Macht es Carlsen leichter. Txe2 reicht allerdings auch nicht: 30.Dxe2 Sc3 31.Dd3 Sxb1 32.Sf3! Dd8 33.Dxb1 Der a-Bauer entscheidet, weil Schwarz seinen Läufer auf f8 noch immer nicht ins Spiel bringen kann! 30.Sf3! Ein wichtiger Zwischenzug. Das hastige 30.Txa2? Lxa2 31.Tb2 Ld5 32.Tf2 Sxg2 33.Sf3 Lxf3 34.Txf3 Se1+ 35.Tg3 Dc1 36.Kh1! (36.Df1 ist gefährlich wegen f4) Sf3+ 37.Lg1 Sxg1 38.Txg1 De3 39.Dc4+ Kh8 40.Kh2 g6 41.Dc1 ist weniger klar. Dg6 31.Txa2 Lxa2 32.Tb2 Lc4 33.Da5 Carlsen zieht lieber die Dame zur Verteidigung zurück, auch wenn der Vormarsch auf die achte Reihe gewonnen hätte. Ld5 34.De1 f4 35.Lxf4 Sc2 36.Df2 Lxf3 37.Txc2 Weiß muss keine Gefahren mehr fürchten. Alles ist gedeckt, und die Qualität mehr samt a-Bauer verbürgen den Sieg. Daher gab Grischuk auf.1:0.

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