Nisipeanu – Izzat: Weiß kontert – eigenmotorisch – die Drohung auf der langen Diagonale

Bundesinnenministerium streicht Schachbund die Fördermittel
Von Hartmut Metz

Ein Sturm der Entrüstung hat sich im Schach zusammengebraut: Das Innen- ministerium des Bundes (BMI) hat Schach die Fördermittel restlos zusammen- gestrichen, weil es dem Denksport angeblich an “Eigenmotorik” mangelt – manchen Hobby-“Sportlern” im BMI scheint es hingegen an Denkmotorik zu mangeln… Hartmut Metz beschäftigt sich in seiner jüngsten Kolumne im Badischen Tagblatt mit dem Fall. Derweil hat der Deutsche Schachbund einen Appell an alle Schachspieler gerichtet.

Schach hat sich in den vergangenen Tagen erstaunlicher Popularität in den Medien erfreut. Selbst fast nur dem Fußball frönende Blätter und Webseiten berichteten über den Denksport – wobei die Sache mit dem „Sport“ das Thema war. Das Bundesinnenministerium strich dem Deutschen Schachbund (DSB) die Fördergelder. Das spart bei diesem Haushaltsposten ein Promille der rund 130 Millionen Euro. Die jährlich knapp 130 000 Euro würden hingegen dem Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) schmerzlich fehlen. Der von der Größe mit 94 000 Spielern auf Position 28 noch vor dem Eishockey-, Hockey- oder Ruderverband rangierende Schachbund finanziert mit dem Geld seinen Sportdirektor und den neuen Bundestrainer. DSB- Präsident Herbert Bastian kritisiert natürlich den radikalen Schritt. „Die Mitgliederversammlung des DOSB hat mit der Annahme der neuen Förderrichtlinien die Sonderstellung von Schach anerkannt und es als weiterhin förderungswürdig eingestuft“, betont der Saarbrücker. Das Innenministerium scherte sich jedoch keinen Deut darum und strich wegen „fehlender eigenmotorischer Leistung“ die seit 1976 gewährten Mittel. „Was jetzt passiert, verletzt die Regeln des fairen Umgangs miteinander“, befand der für die Finanzen zuständige DSB-Vizepräsident Michael Langer gegenüber der „FAZ“. „Die Schachsportler müssen gegen das unselige Image vorgehen, dass ihnen die ,eigenmotorische Aktivität’ angeblich fehle. Dieses auch aus sportlicher Sicht völlig unsinnige Vorurteil verstellt den Blick auf das eigentliche Wesen des Schachsports und hat uns die gegenwärtigen Probleme eingehandelt“, meint Bastian und weiß als Internationaler Meister, wie anstrengend fünf-, sechsstündige Partien sein können.
Er traf sich diese Woche mit der DOSB-Spitze und legte Einspruch beim Ministerium ein. Darin verweist Bastian auf 180 nationale Verbände, die auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) anerkennt. Ja, selbst der Bundestag hat in seiner Sportgemeinschaft in Bonn seit 1973 eine Schach-Abteilung, die sogar an Meisterschaften teilnimmt! Lediglich in Berlin klappte es nicht, eine zweite Schach-Sektion zu eröffnen, obwohl mit dem ehemaligen Weltmeister am Reck, Eberhard Gienger, oder Peer Steinbrück prominente Politiker gerne über den 64 Feldern brüten.
Bedenklich sind die zusammengestrichenen Fördermittel zudem unter einem anderen Aspekt: In zahllosen Ländern wird Schach an der Schule inzwischen besonders gefördert, weil Studien belegen, dass es zum Beispiel als Ersatz für eine Stunde Mathematik die Leistungen in allen Fächern hebt.
Sportlich läuft es dagegen beim DSB runder als fiskalisch: Neuzugang Liviu-Dieter Nisipeanu, der im April vom rumänischen Verband wechselte, gewann in Canberra das Traditionsturnier „Doeberl Cup“ mit 7,5:1,5 Punkten. In der dritten Runde schlug der Baden-Badener Bundesligaspieler den Aseri Kanan Izzat. „Gleich ein Sieg bei meinem ersten Sieg unter deutscher Flagge – und dann übernimmt noch Garri Kasparow die Siegerehrung. Was kann es Schöneres geben?“, freute sich Nisipeanu nach dem Erfolg in Australien.

W: Nisipeanu S: Izzat
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Le3 0–0 8.Sf3 Sc6 c5 entspricht eher dem Geist der Grünfeld-Indischen Verteidigung. Mit dieser versucht Schwarz das starke gegnerische Zentrum unter Druck zu setzen. 9.h4!? Nisipeanu versucht einen direkten Königsangriff. Solider ist 9.Le2 e5 10.d5 Sa5 11.Lc5 Te8 12.0–0 mit leichtem Vorteil für Weiß. e5 10.d5 Sa5 11.h5 c6 Lg4 12.hxg6 hxg6 13.Le2 Lxf3 14.gxf3 belässt Weiß auch einen kleinen Vorteil. 12.hxg6 hxg6 13.c4 b5! Izzat geht das weiße Zentrum rigoros an. 14.Dc1?! Nimmt weiterhin den König ins Visier. Computer-Programme plädieren für 14.cxb5 cxd5 15.Dxd5 Dxd5 16.exd5 e4 17.Sd4 Td8 18.Tc1 Txd5 19.Sc6 Sxc6 20.bxc6 Ta5 21.Lc4 und Weiß steht etwas besser dank des gefährlichen Freibauern auf c6. Sxc4 15.Lxc4 bxc4 16.Lh6 Df6 cxd5 17.Lxg7 Kxg7 18.Dh6+ Kf6 19.Td1 d4 20.Dg5+ Kg7 21.Dxe5+ f6 22.Df4 (22.Dxd4? taugt nichts: Dxd4 23.Txd4 Tb8 24.Ke2 Tb2+ 25.Td2 Txd2+ 26.Kxd2 Te8 27.Te1 Lb7 28.Kc3 Txe4 29.Txe4 Lxe4 30.Kxc4 Lxf3 31.gxf3 muss Izzat nicht fürchten) g5 23.Dh2 Th8 24.Dxh8+ Dxh8 25.Txh8 Kxh8 26.Sxd4 Kh7 27.Kd2 La6 28.Kc3 Td8 29.f3 ergibt ein vorteilhaftes, aber noch lange nicht gewonnenen Endspiel. 17.Lxg7 Dxg7 18.dxc6 Df6 Le6! erweckt mehr Zutrauen. 19.Sg5 Tfe8 20.Dc3 Tac8 21.Df3 f6 (Txc6? erlaubt 22.Th7 Dxh7 – Df8 23.Df6 nebst folgendem Matt auf h8 – 23.Sxh7 Kxh7 24.Df6 Td6 Der einzige Zug, damit der Turm auf a1 nicht gleich ins Spiel kommt. Ein Beispiel dazu: 24…c3?? 25.0–0–0 c2 26.Th1+ Kg8 27.Th8 matt) 22.Sh7 f5 23.g4 Txc6 24.g5 (24.exf5?? kontert Schwarz mit e4!, wonach der Turm auf a1 hängt. 25.Dd1 e3!! 26.fxe6 Tcxe6 27.Tc1 De5! Führt zu unwiderstehlichem Angriff. 28.Df3 exf2+ 29.Kxf2 Db2+ 30.Kg3 Te3) Lc8 25.Td1 (25.Sf6+ Txf6 26.gxf6 Dxf6 27.Dh3 Kf7 28.Dh7+ Dg7 ist für Weiß nicht viel besser) f4 26.Dc3 mit leicht überlegener Position für den Anziehenden. 19.Sg5 19.Dxc4 bringt nicht ausreichend viel: Lg4 20.Sh2 Le6 21.Dc3 Tac8 22.Sf3 Ld7! 23.Dxe5 Txc6 24.0–0 Te8 25.Dxf6 Txf6 26.Sg5 Ta6 27.Tfd1 Te7 28.f3 f6 29.Sh3 Lxh3 30.gxh3 Ta3 und die aktiven Türme kompensieren den Minusbauern im Endspiel. Dxc6 20.Sh7 f6? Der entscheidende Fehler. Dxe4+ 21.Kf1 Dd4! 22.Sxf8 Kxf8 23.Th8+ Ke7 24.Da3+ Kf6 25.Tc1 Dd5 26.Dg3 Lf5 27.Txa8 Ld3+! 28.Kg1 Dxa8 hält das Gleichgewicht. 21.Dh6 Dxe4+ 22.Kf1 Lb7 Auf diesen Zug vertraute Schwarz. Doch Nisipeanu hat einen hübschen Konter, der leicht zu übersehen ist.

23.Sg5!! Kümmert sich nicht um die Bedrohung auf g2! Dxg2+ 24.Ke2 1:0. Schwarz gab auf wegen Dg4+ (Dxh1 25.Txh1 Lxh1 26.Dh7 matt) 25.Ke1 und egal, ob Schwarz auf g5 oder h1 nimmt, die verbleibende andere Figur ermöglicht das Matt auf h7.


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