Caruana-Vallejo Pons: Weiß setzt noch einen Sargnagel

Ermatteter Großmeister: Vallejo „verliert alle Hoffnung“
Von Hartmut Metz
Schach kann deprimieren. Bereiten sehenswerte Siege dem Gewinner wie Nachspielenden Genuss und Freude wie ein Kunstwerk, zeigt nach Niederlagen die Depression ihre fiese Fratze. Jüngstes Beispiel in der Weltspitze: Francisco Vallejo Pons. Der Spanier verkündete nach seinem letzten Platz beim Chess Masters im brasilianischen São Paulo und in Bilbao via Facebook seinen Rückzug. Vier Schlappen, sechs Remis und kein einziger Sieg hatten den Prügelknaben zermürbt. „Um Schach spielen zu können, muss man Hoffnung haben – und ich habe sie verloren!“, verkündete der Bundesligaspieler der OSG Baden-Baden in mattem Ton. Der Großmeister aus Menorca klagte: „Ich bin aus meiner Heimatstadt weg, seit ich zehn bin. Nach 20 Jahren ist es Zeit, um heimzukehren und sich auszuruhen.“ Der Weltranglisten-50. benötigt Abstand vom Schach und will sich „anderen wichtigen Projekten“ widmen. Vallejo Pons, der im Vorjahr noch in den Top 20 der Welt stand und als beste Platzierung Position 18 erreichte, schließt ein Comeback zumindest nicht ganz aus: „Ich will nicht sagen, dass ich nie mehr spiele – andere Champions traten auch zurück und kehrten nach ein paar Jahren mit glanzvollen Resultaten zurück. Aber jetzt brauche ich eine Pause.“
Im Finale des Chess Masters hatte es Vallejo Pons, der als einheimischer Star mitspielen durfte, aber auch nur mit der absoluten Elite zu tun. Der Rest des Quintetts steht aktuell ausnahmslos in den Top 8 – und selbst Weltmeister Viswanathan Anand gewann keine einzige Partie! Mit neun Remis und einer Niederlage musste der momentan ziemlich zahme „Tiger von Madras“ gegen die Jungstars zufrieden sein. Nur knapp vor ihm landeten der Russe Sergej Karjakin (10 Punkte bei drei Zählern für einen Sieg und einen für ein Remis) und der Weltranglistenzweite Lewon Aronjan (11).
An der Spitze scheinen sich Fabiano Caruana und Magnus Carlsen immer häufiger zu duellieren. Der Italiener büßte seinen deutlichen Vorsprung aus Brasilien noch ein. Der Weltranglistenerste aus Norwegen schloss kurz vor Turnierende auf und am Schluss musste bei jeweils 17 Punkten ein Blitz-Tiebreak entscheiden. In diesem machte Carlsen mit 2:0 kurzen Prozess und verdiente sich als Siegestrophäe unter anderem eine Baskenmütze.
Nachstehend einer der Gründe, warum Vallejo Pons von Abschied sprach: Caruana überfuhr ihn in der vierten Runde in São Paulo in nur 24 Zügen. In der Bundesliga ist er aber heute bei der OSG in Hamburg aufgestellt …

W: Caruana S: Vallejo Pons

1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5 c5 4.c3 Sc6 5.Sf3 Db6 6.a3 Sh6!? Eine interessante Idee. Schwarz zeigt keine Scheu vor dem Schlagen auf h6. Die spielbaren Alternativen sind c4, a5 und Ld7, die die Theorie kennt. 7.b4 7.Lxh6 kontert Schwarz mit Dxb2. 8.Lc1 bringt nun nichts, weil die schwarze Dame nicht zu fangen ist: Dxa1 9.Dc2 c4 10.Le2 b5 11.0–0 a5 12.Sbd2 Lxa3 (Ld7?? würde indes die stärkste Figur einbüßen. 13.Lb2 Da2 14.Ta1). cxd4 8.cxd4 Sf5 9.Le3 9.Lb2 wird häufiger gezogen, um den Läufer zu bewahren. Allerdings steht er dort auch passiv, fast wie ein „Großbauer“. Ld7 10.Ld3 Sxe3 11.fxe3 Der Vorteil dieses Abspiels: Weiß wird den Läufer los für den aktiv auf f5 postierten Springer. Kein schlechtes Tauschgeschäft, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie passiv er auf b2 gestanden wäre. Zudem wurde die f-Linie geöffnet und der Druck auf d4 genommen. g6 12.Sc3!?N Diesen natürlichen Entwicklungszug hat Caruana garantiert gut zu Hause vorbereitet, übersieht doch ein Spieler seines Kalibers nicht den folgenden Einschlag. Sxb4!? 13.axb4 Lxb4 14.0–0 Lxc3 15.Tc1! Obwohl Weiß zwei Bauern opferte, hält der Computer die Stellung nicht für schlechter. Tc8 16.Sg5 0–0 17.Dg4? Die Fortsetzung sieht normal aus. Doch als noch stärker entpuppt sich bei der Analyse 17.Tb1! Dc6 (Dd8 verliert bereits! 18.Tf6! De7 19.Df3 Le8 20.Dh3 h5 21.g4 und Schwarz ist wehrlos gegen den gegnerischen Ansturm. Ein Beispiel: La5 22.gxh5 Ld8 23.hxg6 fxg6 24.Txf8+ Kxf8 25.Dh8 matt) 18.Df3 Ld2 19.Kh1 Dc7 20.Dh3 h5 21.Tf6 Dc3 22.Lxg6! Dc1+ 23.Tf1 fxg6 24.Tbxc1 Txc1 25.Txc1 Lxc1 26.g4. Ld2 18.Dh3 h5 19.Txc8 Lxc8 20.Df3! Dd8?? Das stellt die Partie ein. Allein Dc7 hält die Waage. 21.Lxg6 Lxe3+ 22.Dxe3 (22.Kh1 Lxg5 23.Dxh5 fxg6 24.Dxg6+ Dg7 25.Txf8+ Kxf8–+) fxg6 23.Tf6 Kg7! (Dg7 24.Sxe6 Lxe6 25.Txe6 dürfte für Caruana aussichtsreicher sein, gleichwohl Vallejo Pons einen Bauern mehr auf dem Brett hat. Doch der auf d5 ist anfällig und die auf a7 und b7 weit von der Damenumwandlung entfernt – im Gegensatz zum e5-Bauern) 24.Df4 (weniger vielversprechend ist 24.Sxe6+ Lxe6 25.Txe6 Tf7) De7 25.Sh7! Th8 26.Sg5 Tf8 27.Sh7 mit Remis durch Zugwiederholung. 21.Sxf7 Lxe3+ 22.Kh1 22.Dxe3 Txf7 23.Ta1 Kg7 24.Dg3 g5 25.Txa7 h4 26.De3 ist ausgeglichen. Dh4 Dc7 23.Lxg6 kann der Nachziehende sein lassen. Ld2 24.Df6 und das Matt auf h8 lässt sich nicht mehr sinnvoll vermeiden. 23.Lxg6 23.g3 Dh3 24.Dxe3 (24.Lxg6 gewinnt auch: Lg5 25.Tc1 Ld7 26.Tc7 Lc6 27.Df6!! Lxf6 28.Sh6+ Kh8 29.Th7 matt) Txf7 25.Txf7 Kxf7 26.Df3+ Ke7 27.Df6+ Ke8 28.Lxg6+ Kd7 29.Dg7+ Kc6 30.Le8+ Kb6 31.Df8 und Dc5+ bereitet den Garaus. Lg5 24.Lh7+! Schwarz gab auf wegen Kxh7 (Kg7 25.Dd3 und Vernichtung auf g6) 25.Sxg5+ Dxg5 26.Dxf8. 1:0.

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