Fridmann – Drasko: weiß – am Zug – schwingt die Hufe

Schach-Olympiade: Deutsche Teams erst in der Schlussrunde gestoppt
Von Hartmut Metz
Die deutschen Schachspieler haben nach ihrem EM-Coup 2011 von einer weiteren Medaille geträumt. „Wenn man bei der Olympiade in der letzten Runde gegen Russland spielt, kann man zuvor nicht viel falsch gemacht haben“, lautete der Grundtenor nach der Schach-Olympiade in Istanbul. Die Auswahl von Uwe Bönsch überzeugte bis zur elften Runde mit 15:5 Punkten. Doch wenn man dann auf Russland trifft, stellt sich ein anderes Problem: Wie kann der Topfavorit geschlagen werden? Eine Antwort auf diese Frage wusste das deutsche Quartett nicht zu geben. Durch das 1:3 fiel der Europameister mit 15:7 Zählern vom fünften auf den zwölften Rang zurück. Ein immer noch achtbares Resultat unter 156 Teams – aber eben keine Medaille. Die gingen an Armenien, Russland und die Ukraine.
Letzterer Verband verbuchte bei den Damen ebenso Bronze. Die Ukrainerinnen schlugen in der Schlussrunde Deutschland mit 3,5:0,5. So verharrte das an Position neun gesetzte Team bei ebenfalls 15:7 Punkten und wurde nur Elfter. Die inzwischen in Ankara als Trainerin für den türkischen Schachverband arbeitende Elisabeth Pähtz zeigte die gewohnte Leistung mit 6,5:4,5 Punkten am Spitzenbrett. Die Erfurterin pausierte in keiner Runde. Tetyana Melamed (5,5:3,5) überzeugte dahinter, außerdem Marta Michna (6,5:2,5) an Brett vier. Schwach fielen die Ergebnisse von Melanie Ohme (4,5:4,5) und Elena Levushkina (4:2) aus. Pähtz beklagte daher auch im Interview mit dem Schach-Magazin 64 (Oktober-Ausgabe), dass man nicht auf die langjährige Spitzenspielerin Ketino Kachiani-Gersinska hätte verzichten sollen. Die 41-jährige Muggensturmerin wurde aus Altersgründen aus dem A-Kader gestrichen.
Bei den Herren blieben gleich zwei Spieler ungeschlagen: Der remisfreudige Wiesbadener Igor Khenkin lieferte mit sieben Remis und zwei Siegen an Brett zwei die gewünschte solide Leistung ab. Der Baden-Badener Bundesligaspieler Jan Gustafsson (5,5:1,5) zeigte sich von seinem Desaster beim Turnier in Dortmund gut erholt. Seine beiden Vereinskameraden in der Kurstadt, Spitzenspieler Arkadij Naiditsch (4,5:5,5) und Georg Meier (3,5:4,5), dürften weniger zufrieden gewesen sein. Herausragend spielte Daniel Fridman (7:3). Der Mülheimer erzielte am vierten Brett das drittbeste Ergebnis aller Teilnehmer – ohne die Niederlage in der Schlussrunde gegen den Weltranglistensiebten Sergej Karjakin wäre der Großmeister vom SV Mülheim-Nord nicht nur ungeschlagen geblieben, sondern hätte Gold als bester Einzelspieler an Brett vier erobert.
Nachstehend Fridmans schönster Sieg gegen Milan Drasko (Montenegro).

W: Fridman S: Drasko
1.Sf3 Sf6 2.c4 e6 3.g3 d5 4.d4 Le7 5.Lg2 0–0 6.0–0 Sbd7 7.Dc2 c6 8.Sbd2 Fridman vermeidet scharfe Hauptvarianten und baut sich solide auf – das beschert zwar keinen sonderlichen Eröffnungsvorteil, vermeidet jedoch auch, in vorbereitete Varianten zu laufen. b6 9.e4 La6 10.b3 Tc8 11.Lb2 c5 Ziemlich ambitioniert. Drasko will gleich die Gegenüberstellung der Dame auf c2 und des Turms auf c8 ausnutzen. dxe4 12.Sxe4 Sxe4 13.Dxe4 Lb7 ist ein übliches Abtauschverfahren in der Slawischen Verteidigung. 12.exd5 exd5 13.Df5 Nimmt die Dame aus der Schusslinie. 13.Tfe1! kommt vor allem in Betracht, führt allerdings auch zu einem ohne Computer-Hilfe kaum vorherzusehenden Schlagabtausch: cxd4 14.Sxd4 verhindert dxc4? 15.Sc6 cxb3 16.axb3 Lb5 17.Sxe7+ Dxe7 18.Sc4 Dd8 19.Txa7± und Weiß steht dank des starken Läuferpaars klar besser. g6 14.Dh3 h5 Eine interessante Idee. Schwarz schwächt jedoch vorschnell die eigene Königsstellung. cxd4 15.Sxd4 Sc5 16.Tad1 Tc7 17.Lf3 Dc8 18.Dxc8 Tfxc8 19.Le2 verdirbt auf beiden Seiten nichts. 15.Tfe1 Tc7?! b5 gefällt Computern am besten. Das scheint auch wiederum Ausgleich zu versprechen. 16.Dh4! Fridman fürchtet keinen Springer-Abzug von f6, mit dem seine Dame durch den Läufer auf e7 unter Beschuss kommt. Lb7?! Drasko sollte zu cxd4 greifen: 17.Dxd4 dxc4 18.bxc4 (18.Sxc4 bringt nicht viel: Lc5 19.Df4 Sg4 20.Te2 b5 21.Se3 Lxe3 22.fxe3 Sc5 23.Se5 Se6 24.Db4 Sxe5 25.Lxe5 Tc5 mit Ausgleich) Lb7 19.Sb3 und dank der aktiveren Figuren- und sichereren Königsstellung steht Weiß komfortabler. 17.Df4 Se8? Tc8 18.Tac1 dxc4 19.Sxc4 b5 20.Sce5 Sxe5 21.Sxe5 Lxg2 22.Kxg2 c4 23.bxc4 bxc4 24.Sxc4 Dd5+ 25.Df3 Tfe8 kostet nur einen Bauern und bietet noch Remischancen. 18.dxc5 Sxc5 19.Dh6 Jetzt ist die Dame doch nach h6 eingedrungen und stellt im Verbund mit dem Läufer auf b2 Mattdrohungen auf. Sf6 d4 20.Txe7! Dxe7 21.Te1 Dd7 22.Sxd4 f6 (Sd3 23.Sf5 f6 24.Dxg6+ Sg7 25.Se7+ Dxe7 26.Txe7 Txe7 27.Dxd3) 23.Lxb7 Txb7 24.Dxg6+ Dg7 25.Dxh5 und selbst bei einem Damentausch, den Weiß im Sinne des Königsangriffs vermeidet, wäre der Nachziehende mit Läufer und drei Bauern für den Turm materiell überlegen. 20.Sg5 Te8 Ansonsten folgt 21.Lxf6 nebst 22.Dh7 matt. 21.Sxf7! Ein hübscher Einschlag gegen den Schwachpunkt. 21.Sh7 gewinnt auch: Scd7 22.Lh3 Lf8 23.Txe8 Dxe8 24.Lxd7 Sxh7 25.Dxh7+ Kxh7 26.Lxe8 mit Mehrfigur. Kxf7 22.Sf3! Der nächste Schimmel schwingt die Hufe und galoppiert mit vernichtender Kraft heran. Lf8 Tf8 23.Sg5+ Ke8 24.Dxg6+ Kd7 25.Df5+ Ke8 26.Lxf6 Dd6 27.Dg6+ Kd8 28.Lxe7+ kostet die Dame. 23.Sg5+ Kg8 24.Dxg6+ Tg7 Lg7 25.Lxf6 Txe1+ 26.Txe1 Dxf6 27.Te8+ Df8 28.Dh7 matt. 25.Txe8 Dxe8 26.Dxf6 Dg6 27.h4 Dxf6 28.Lxf6 Tg6 29.Ld4 Schwarz gab auf, da er den Druck gegen d5 nicht abschütteln kann und den Bauern auch noch verliert. Ein Beispiel: dxc4? 30.Lxc5 Lxg2 31.Lxf8 Kxf8 32.Kxg2. 1:0.

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