Schirow – Polgar: Schwarz zieht mit ihrer Lieblingsfigur – und gewinnt

Königliches Spiel in mehr als 30 Ländern Schulfach
Von Hartmut Metz
Ein besonders gutes pädagogisches Hilfsmittel ist das Schachspiel. Es fördert die Entwicklung des Gedächtnisumfangs und verbessert die Konzentrationsfähigkeit. Schach trainiert das logische Denken, regt die Fantasie an und kultiviert die schöpferische Kreativität. All dies sind Voraussetzungen, die man auch für mathematisches Problemlösen braucht“, zählte Christian Hesse unlängst in der „Süddeutschen Zeitung“ auf. Um den Kindern nach dem vierten Schuljahr nicht wie üblich den „Spaß“ an seinem Fach zu verderben, plädiert der Professor für Mathematik an der Universität Stuttgart dafür, Schach in den Mathe-Unterricht zu integrieren. Die „positiven Aspekte des Schachs“ könnten als Bereicherung des Mathematik-Unterrichts eingesetzt werden, meint Hesse und verweist auf mehr als 30 Länder, in denen das bereits der Fall sei: Von Island über Russland bis Venezuela reicht die Phalanx. Im schachbegeisterten Armenien ist das königliche Spiel sogar von der zweiten bis zur vierten Klasse Pflichtfach mit zwei Wochenstunden. Das Europäische Parlament nahm im März 2012 eine Initiative an, Schach ins Bildungssystem zu integrieren. Ex-Weltmeister Garri Kasparow hatte sich dafür besonders eingesetzt.
In Ungarn engagiert sich die mit weitem Abstand beste Spielerin der Schach-Historie als Mutter zweier Kinder fürs Schulschach: Judit Polgar. Mit ihrer Stiftung entwickelte die 37-Jährige einen Lehrplan für Lehrer und ein Lehrbuch, „das kein Schachbuch ist!“, betont die Budapesterin, „wir lernen nicht Schach, sondern durchs Schachspiel!“ In den ab dem neuen Schuljahr in Ungarn vorgesehenen ein bis zwei Stunden pro Woche geht es ihr wie Hesse „vor allem darum, die Fähigkeiten der Kinder zu fördern“, erläutert Polgar.
In Deutschland sind die Schulen ungeachtet der bekannten positiven Auswirkungen noch von regelmäßigem Schach-Unterricht für alle Kinder weit entfernt. Immerhin mühen sich in Südbaden viele Vereine um Kooperationen mit Schulen. Dabei zählt Schach zu den regsten Anbietern innerhalb des Badischen Sportbundes Freiburg: 61 der 999 genehmigten Kooperationen im neuen Schuljahr befassen sich mit dem Denkspiel. Nur sechs weit mitgliederstärkere Verbände – Turnen (164 Kooperationen), Tennis (158), Fußball (106), Handball (78), Volleyball (68) und Leichtathletik (66) – sind aktiver. Die beachtliche Zahl an Kooperationen konnten die Schachspieler in Südbaden seit 1994 kontinuierlich steigern, nimmt man kleine Rückgänge in wenigen Jahren aus. Im Vorjahr erreichten die Südbadener die höchste Zahl mit 64 Kooperationen. Die 61 sind immer noch merklich höher als der drittbeste Wert, die 53 Kooperationen 2010/2011.
Springer gelten als Lieblingsfiguren von Kindern – und auch von Judit Polgar. Deshalb empfahl sie der BT-Schachspalte den folgenden Sieg aus dem Jahr 1994 in Buenos Aires über Alexej Schirow.

W: Schirow S: J. Polgar
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 d6 6.g4!? Ein besonders aggressiver Zug, der g5 bezweckt, um einen auf f6 auftauchenden Springer sofort zu vertreiben. a6 7.Le3 Sge7 Polgar lässt sich auf gar nichts ein und raubt dem g4–Vorstoß jeden Schrecken. 8.Sb3 b5 9.f4 9.De2 hatte Schirow das Jahr zuvor in Linares versucht: Sa5 10.0–0–0 Sc4 11.f4 Dc7 12.Td4 Lb7 13.Txc4!? Dxc4 14.Dxc4 bxc4 15.Lxc4 Sc6 16.f5 Se5 17.Sa5? (Waleri Salow, der die Partie 1993 gegen Schirow mit Schwarz gewann, empfiehlt als einzige gute Fortsetzung 17.Le2 Le7 18.Sa5 Lc8 19.Sa4 Ld8 20.Sb6 Lxb6 21.Lxb6 h5! mit leichtem Vorteil für Schwarz.) Sxc4 18.Sxc4 Tc8 19.Sa5 Txc3 20.bxc3 Lxe4 Salow stand dank des Läuferpaars und der besseren Bauernstruktur deutlich besser. Lb7 10.Df3 g5! Eine starke Neuerung. Polgar setzt darauf, das Feld e5 für die Springer freizukämpfen und dank des Vorpostens zu dominieren. Sa5 bevorzugte Garri Kasparow im selben Jahr in Nowgorod gegen Schirow. 11.fxg5 11.0–0–0 gxf4 12.Lxf4 Sg6 beschert Weiß nicht mal einen Bauern als Kompensation für das abgegebene wichtige Feld e5. Se5 12.Dg2 b4 13.Se2 h5!! Ein brillanter Zug, der ganz schwer zu finden ist, schließlich kann Weiß mit dem g5- und dem g4–Bauern schlagen. 14.gxh5? 14.gxh6? gönnt Schwarz volles Figurenspiel nach f5 15.gxf5 Sxf5 Nutzt die Fesselung des e-Bauern, der wegen der Dame auf g2 nicht schlagen darf. 16.Lf2 Lxh6. Nur 14.0–0–0! hxg4 15.Sg3 hält die Waage. Sf5! 15.Lf2 15.Lf4? Sh4 16.Dg3 Sef3+ 17.Kd1 Lxe4 führt bereits zu einer Verluststellung. Deshalb ist selbst das Damenopfer 15.exf5 Lxg2 16.Lxg2 Tc8 17.fxe6 fxe6 chancenreicher. Dxg5!! 16.Sa5? 16.Dxg5 ist noch am besten, gleichwohl Weiß hernach auch einen schweren Stand hat. Sf3+ 17.Kd1 Sxg5 mit Gewinnstellung. Se3! 17.Dg3 17.Lxe3 Dxe3 18.Sxb7 Sf3+ 19.Kd1 Dd2 matt. 17.Dxg5 ermöglicht ein sehenswertes Matt durch Sf3. Dxg3?! Sxc2+ gewinnt leichter. 18.Sxg3 Sxc2+ 19.Kd1 19.Kd2 reicht auch nicht. Sxa1 20.Sxb7 Lh6+. Sxa1 20.Sxb7 b3?! Tc8 21.Lxa6 Tc2 22.Lb6 Lh6 23.Sxd6+ Ke7 behält rascher die Oberhand. 21.axb3 Sxb3 22.Kc2 Sc5 23.Sxc5 dxc5 24.Le1 Sf3 25.Lc3 Sd4+ 26.Kd3 Ld6 27.Lg2 27.b4 ändert nichts. Ke7 28.bxc5 Lxc5 29.Lxd4 Thd8 30.Se2 Lxd4 31.Sxd4 e5–+. Le5 28.Kc4 Ke7 29.Ta1 Sc6 Schirow gab auf, weil das Nehmen des c5–Bauern ihn ins Unglück stürzt: 30.Kxc5 Tac8 31.Kb6 Lxc3 32.bxc3 Tb8+ 33.Kc5 (33.Kxc6 Thc8 matt) Thc8 34.Ta4 Tb2 35.Lf1 Se5+ 36.Kd4 Sf3+ 37.Ke3 Txc3+ 38.Kf4 Tf2 und Schwarz gewinnt. 0:1.

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