Renommierte Barsbütteler Künstlerin Elke Rehder befasst sich mit den ersten Tageszeitungs-Kolumnen und Zeitschriften des königlichen Spiels
Hamppe – Meitner: Schwarz krönt sein geniales Opferspiel mit einem “unsterblichen Remis”

Von Hartmut Metz
Diese Schachkolumne ist inzwischen weit mehr als 1 000 Mal erschienen; Samstag für Samstag, seit einem Vierteljahrhundert. Die erste deutschsprachige Schach- spalte in einer Tageszeitung fand sich 1828 in der „Berliner Stafette“. 101 Jahre hielt das Blatt durch, ehe es kurz nach der Namensänderung in „Allgemeines Oppositionsblatt“ 1929 in der Wirtschaftskrise nicht mehr genügend oppositionelle Käufer fand. In dem Jahrhundert zuvor gehörte eine Schachspalte zum guten Ton einer jeden Tageszeitung. Eine reine Schachzeitung gründete Louis-Charles Mahé de La Bourdonnais als Erster. Der 19-Jährige von der Insel La Réunion fand im berühmten Pariser „Café de la Regence“ nach zwei Jahren keinen ebenbürtigen Gegner mehr und galt von 1821 an bis zu seinem Tod 1840 als stärkster Spieler der Welt. Obwohl er 1836 die erste Schachzeitung, „Le Palamède“, gründete, starb der Franzose mit 45 völlig verarmt in London. 1846 erschien die erste „Deutsche Schachzeitung“ von Hermann Hirschbach in Leipzig. Während sie nur drei Jahrgänge überlebte, wurde die im Juli 1846 in Berlin gegründete „Schachzeitung“ bis heute bewahrt und ging nach mehreren Umbenennungen im heute noch herausgegebenen „Schach“ auf. Die Historie der Schachspalten hat Elke Rehder interessant in ihrem Band „Schach in Zeitungen des 19. Jahrhunderts“ (Edition Jung, 29,80 Euro) aufbereitet.

Die Künstlerin aus Barsbüttel präsentiert zusammen mit Verleger Karl-Otto Jung auf 340 Seiten 210 Schachaufgaben und 200 Bilder der alten Blätter und Heroen. Spannend sind auch die Kurzporträts der vielen berühmten Autoren, die die Schachspalten und -zeitungen verfassten.
Das nachstehende Duell zählt zu den Klassikern, die in zahllosen Schachspalten abgedruckt wurden. Die „Unsterbliche Remispartie“ fand irgendwann zwischen 1870 und 1872 in Wien statt. Hofrat Carl Hamppe gilt laut Wikipedia als Begründer der Wiener Partie. Diese Eröffnung wandte er auch mit Weiß gegen Philipp Meitner an. Der Rechtsanwalt bewies bei den internationalen Turnieren in Österreichs Hauptstadt 1873 anlässlich der Weltausstellung und 1882 mit hinteren Mittelfeldplätzen sein Können – und besondere taktische Fähigkeiten in der nachstehenden Begegnung.

W: Hamppe S: Meitner
1.e4 e5 2.Sc3 Lc5 3.Sa4?! Meist handelt es sich in der Eröffnung um einen schwachen Zug in der Eröffnung, wenn eine Figur ohne Not zweimal zieht. Lxf2+! Ein durchaus korrektes Opfer, das den König auf Reisen zwingt. 4.Kxf2 Dh4+ 5.Ke3 5.g3 Dxe4 6.Sf3 Dxa4. Df4+ 6.Kd3 d5 7.Kc3 7.De1!? Sf6 (dxe4+ bringt weniger: 8.Kc3 e3 9.Kb3 Sc6 10.c3 Sa5+?! 11.Ka3) 8.g3 dxe4+ 9.Kc3 Dg4 10.Lh3!? (10.b3 ist eine bessere Möglichkeit für Weiß) Sd5+ 11.Kb3 Sc6!? (Schließt mit einer hübschen Remisschaukel ab. 11…Dg6 ergibt eine zweischneidige Stellung. 12.Lxc8 Sc6 13.a3 – oder 13.Lxb7 Sa5+ 14.Ka3 Dd6+ 15.b4 Dxb4 matt – Txc8 14.Ka2 e3 15.d3 Sd4 16.Dd1 0–0 17.c4 Dc6) 12.Lxg4 Sa5+ 13.Ka3 Sc4+ 14.Kb3 Sa5+. Gleich verliert 7.Df3?? dxe4+ 8.Dxe4 Lf5 mit Damengewinn. Dxe4 8.Kb3 8.d4! Sc6 9.b3 Dxd4+ 10.Dxd4 Sxd4 ist für Weiß mit der Figur für drei Bauern besser. Sa6? Sc6 9.c3 d4 10.Ka3 Dd5 11.b3 b5 12.c4 bxc4 13.Lxc4 Dd6+ 14.Kb2 Sf6 bewertet der Rechner als ausgeglichen. 9.a3? 9.d4! gewinnt. Ein Beispiel: exd4 10.Lb5+ c6 11.Lxa6 bxa6 12.a3 Dxg2 13.Sf3 Lg4 14.De1+ Se7 15.Sxd4. Für Gleichstand sorgt 9.Lxa6 bxa6 10.Ka3 Dxg2.

Dxa4+!? „Sensationell!“, findet Großmeister Roland Schmaltz mit Blick auf das „typische Magnetopfer, wie man es bei der Königsjagd häufig antrifft“. 10.Kxa4 Sc5+

11.Kb4? Mit 11.Kb5! konnte Weiß mehr Probleme stellen. Danach geht nur Se7!! 12.c4!! (12.Kxc5 a5 13.Lb5+ Kd8 14.Lc6!! b6+ 15.Kb5 Sxc6!! 16.Kxc6 Lb7+ 17.Kb5 La6+ 18.Kc6 Lb7+ mit Remis. Zum Matt führt 12.d4? a5 13.dxc5 Ld7+ 14.c6 Lxc6+ 15.Kc5 b6 matt) d4 Auch wieder der einzige Zug. 13.Kxc5 a5! Der König darf nicht ins eigene Lager zurückkehren. 14.Da4+! (14.Db3 ist ausgeglichen: b6+ 15.Dxb6 cxb6+ 16.Kxb6 Tb8+ 17.Kxa5 Sc6+ 18.Ka4 Ld7 19.b4 Sxb4+ 20.Kb3 Sd3+ 21.Ka2 Sf2 22.Lb2 Sxh1 23.Te1 f6 24.Lxd4) Kd8 15.Dxa5! Txa5+ 16.Kb4 Sc6+ 17.Kb3 und Weiß sollte langfristig gewinnen. a5+!! 12.Kxc5 Die Alternative 12.Kc3 überzeugt weniger: d4+ 13.Kc4 b6 14.Df3 Le6+ 15.Dd5 Lxd5+ 16.Kxd5 Sf6+ 17.Kc6 0–0 18.Sf3 Tfd8 19.Sxe5 Td6+ 20.Kb5 (20.Kxc7 Se8 matt) Td5 21.Sc6 Kf8 22.Tb1 Se6+ 23.Ka4 Tc5 24.b4 Txc6 25.Kb3 Schwarz hat einen Mehrbauern und die bessere Entwicklung. Se7! Droht b6+ nebst Ld7 matt. 13.Lb5+ Kd8! 14.Lc6!! Nur dieser Zug verhindert das Matt! b6+! 15.Kb5 Sxc6! La6+ verliert: 16.Ka4 Sxc6 17.Kb3 Lc4+ 18.Kc3 und der König kehrt in den sicheren Hafen zurück. 16.Kxc6 16.Ka4 Sd4 17.Df1 Ld7+ 18.Db5 Lxb5 matt oder 16.d4 Sxd4+ 17.Dxd4 Ld7 matt.

Lb7+!! Die Krönung des genialen Opferspiels. 17.Kb5 17.Kxb7?? Kd7! 18.Dg4+ Kd6 19.Dxg7 Thb8 matt. La6+ 18.Kc6 18.Ka4 verbietet sich wegen Lc4 19.d3 b5 matt. Lb7+ Beide Seiten haben nichts Besseres als ein Remis durch Zugwiederholung. ½: ½.


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