Leitao – Carlsen: Schwarz am Drücker schwingt die Keule…

Lockerer Carlsen spielt mit seinen Kumpels in der zweiten Liga
Von Hartmut Metz
Eine exakte Antwort kann Magnus Carlsen ausnahmsweise nicht geben. Aber auf die Frage eines Fans, wie viele Bier er trinken müsste, um gegen einen Meisterspieler zu verlieren, reagiert der 23-jährige Norweger gewohnt lässig: „Selbst stark besoffen steckt meine Schachstärke und mein Wissen in meinen Knochen“, behauptete der Weltmeister bei der Internet-Fragerunde seiner Anhänger auf dem Social News Aggregator Reddit.com. Zudem verriet Carlsen dort, dass er manchmal unter Konten von Freunden online Schach spielt. „Einige Partien habe ich gewonnen … oder viele“, berichtete der Superstar, um nachzu- schieben, „Ihr wärt erstaunt, wenn Ihr wüsstet, gegen wen ich im Internet schon verloren habe!“ Dass es Carlsen im Vergleich zu den meisten seiner Vorgänger auf dem Thron locker sieht, war auch vergangenes Wochenende zu sehen: Da trat der Weltranglistenerste kurzerhand in der zweiten norwegischen Liga zum Aufstiegsspiel mit seinen Kumpels von Stavanger an. Großmeister Wladimir Georgiew staunte nicht schlecht, als er plötzlich Carlsen gegenübersaß! Mit seinem Sieg in 40 Zügen trug der „Mozart des Schachs“ wesentlich zum 3,5:2,5-Erfolg über Nordstrand bei. Nebenbei verfolgt und kommentiert der Weltmeister das Kandidatenturnier in Russland, bei dem sein nächster Herausforderer gesucht wird. Dabei könnte es zur Neuauflage gegen Viswanathan Anand kommen. Der souverän führende Inder „beeindruckte“ seinen Bezwinger vor allem mit dem Auftaktsieg über Lewon Aronjan (siehe Schachspalte der vergangenen Woche). „Man sieht es nicht oft, dass der Weltranglistenzweite technisch so überspielt wird“, pries Carlsen seinen Vorgänger.
Der Fußball-Fan selbst bewies bei seinem Gastspiel in Brasilien, dass die Aussage mit den Bieren durchaus einen gewissen Wahrheitsgehalt besitzen dürfte – nüchtern führte er in Caxias do Sul die einheimischen Großmeister nämlich gnadenlos vor. Betrunken könnte es also auch reichen … Im Endspiel eines Vierer-Schnellschach-Turniers zog Rafael Leitao den Kürzeren. Er steht nur knapp außerhalb der Top 100 – hatte beim 0:2 aber auch mit Weiß keine Chance gegen Carlsen.

W: Leitao S: Carlsen
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 Lg4 5.cxd5 Lxf3 6.Dxf3 cxd5 7.Sc3 e6 8.Ld3 Sc6 9.0–0 Lb4 10.Ld2 0–0 11.Tac1 Tc8 12.a3 La5 13.b4 Lc7 Bisher verläuft die Partie unspektakulär. Weiß hat zwar das Läuferpaar, kann aber die Stellung nicht öffnen, um es zur Geltung zu bringen. 14.Dh3 Schielt nach h7. Doch der schützende Springer auf f6 ist nicht so leicht zu beseitigen. Ld6 15.f4 a5 Carlsen nimmt die nach vorne gestoßenen weißen Bauern am Damenflügel aufs Korn. 16.b5 Se7 17.e4? Ein vermeintlich unscheinbarer Fehler – doch Carlsen nutzt ihn konsequent aus. Txc3! Ein starkes Qualitätsopfer, nach dem Schwarz mehrere Bauern einsammelt. 18.Txc3 dxe4 19.Lc4 19.Lb1 ist nicht besser: Db6 20.Kh1 Sed5 21.Tcc1 Dxd4 22.Lxa5 e3 Die schwarzen Figuren beherrschen das Brett. 23.Df3 Lxa3 24.Tc2 Da4 25.Lc7 Se4 26.f5 (26.Le5 ist solider, aber auch verloren) Sd2 27.Txd2 exd2 28.Dd3 Der Angriff in Richtung h7 verpufft weiterhin: Sxc7 29.fxe6 f5 30.Dxd2 Dxb5 mit Gewinnstellung. Lxa3! Die nächste Keule für Leitao. 20.Txa3 Dxd4+ 21.De3 Dxc4 22.Tc1 Dxb5 23.Txa5 Dd7 24.Tac5 Sf5 Für die Qualität hat Carlsen zwei Bauern und mächtige Springer – eine mehr als ausreichende Kompensation. 25.Dc3 e3! 26.Lxe3 26.Le1 Se4 mit Rückeroberung der Qualität. Sd5 0:1. Leitao hatte etwas früh genug. Er hätte noch 27.Td1 b6! (Sxc3? verspielt den Vorteil. 28.Txd7 Sd5 29.Lf2 b6 30.Tc6 Sxf4 31.Lxb6=) 28.Tcxd5 (28.Tc6 Sfxe3 29.Dxe3 Dxc6) exd5 29.Lxb6 d4 30.Df3 (30.Lxd4? Td8 kostet den Läufer) Te8 versuchen können, auch wenn Carlsen auf Gewinn steht. Im Schnellschach passieren jedoch häufiger „Wunder“ bei knapper Bedenkzeit.


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