Smyslow – Rudakovski: Der “Mut zur Lücke” wird für Schwarz bald zum “Baum der Erkenntnis”

Lehrreiches Buch des Baden-Badener Erfolgs- trainers Yaroslav Srokovski
Von Hartmut Metz
Obwohl Yaroslav Srokovski alle Ehren in der UdSSR und der Ukraine als Schachtrainer zuteilwurden, hat der 52-Jährige seine Heimat Lwiw verlassen. In der Schach-Hochburg war er Cheftrainer an der Sporthochschule und wurde 1985 mit der Tschigorin-Medaille als bester Trainer der UdSSR ausgezeichnet. Seine Schülerin Marta Litinskaja hatte im selben Jahr das Interzonenturnier der Frauen gewonnen und stieß in der WM-Qualifikation weit nach vorne. 1992 ging Srokovski nach Jugoslawien, zwei Jahre später zog er weiter gen Deutschland. Seit 2003 lebt der erfolgreiche Trainer im Schach-Mekka Baden-Baden und führte auch hier zahlreiche Schützlinge zu Titeln. Jetzt brachte der baden-württembergische Landestrainer ein sehr lehrreiches Buch heraus: „Strukturiertes Schachtraining – Ein Ratgeber für aufstrebende Schachspieler“ heißt es. Das 256 Seiten starke Werk aus dem Schachdepot Verlag (19,80 Euro) soll Vereinsspieler auf Kreisklassen- wie Oberliga-Niveau verbessern. Ihnen bringt Srokovski in zwölf Kapiteln klassische Prinzipien wie „schwache Felder“ oder „guter Läufer gegen schlechten Springer“ näher.
Der mit der Großmeisterin Ekaterina Borulya verheiratete Coach räumt ein, dass er dabei nicht immer einfache Kost serviert. „Es stimmt schon: Manche Beispiele sind nicht leicht für Kreisklassen-Spieler zu verstehen“, weiß er. Sie sollten jedoch durch einfache Beispiele wie in den Kapiteln „Offene Linien“ oder „Schwache Bauern“ vorangebracht werden. Mit der Struktur des Buchs will Srokovski aber auch starke Spieler ansprechen. „Ich machte schon ein paarmal die Erfahrung, dass Leute auf Niveau eines Internationalen Meisters oder gar Großmeisters Lücken in ihrer Ausbildung haben“, erzählt der Kurstädter, der selbst den zweithöchsten Titel des Weltverbandes FIDE, den eines Internationalen Meisters, trägt, aber selbst nicht mehr aktiv ist. So könne manches Ass den Vorteil eines guten Läufers gegenüber einem Springer nicht erkennen oder unterschätze schwache Felder.
Zu Letzterem folgt ein Beispiel aus dem sehr gelungenen Werk „Strukturiertes Schachtraining“. Der spätere Weltmeister Wassili Smyslow spielte bei der 14. UdSSR-Meisterschaft 1945 seinen Kontrahenten Josif Rudakowski mustergültig aus.

W: Smyslow S: Rudakovski
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Le2 Le7 7.0–0 0–0 8.Le3 Sc6 9.f4 Dc7 10.De1 Sxd4 11.Lxd4 e5 12.Le3 Le6 13.f5 Lc4 14.Lxc4 Dxc4

In dieser Stellung beginnen die Ausführungen von Srokovski im Buch. 15.Lg5! Eine typische Methode: Weiß tauscht den Springer f6, der den schwachen Punkt d5 schützt. Schwarz steht – in statischer Hinsicht, das heißt, wenn man dynamische Faktoren außer Acht lässt – auf Verlust. Die Punkte d5 und d6 sind Schwächen. Also sollte Schwarz versuchen, mit dynamischen Mitteln Gegenspiel zu bekommen. Tfe8? Tfc8! hält Srokovski noch für spielbar und verweist auf eine Analyse von Großmeister Igor Platonow. 16.Tf2 (16.Kh1 macht die Situation eher schlimmer: Tc5 17.Lxf6 Lxf6 18.Tf2 Tac8 19.Sd5 Txd5 20.exd5 Lh4 21.g3 Dxd5+ 22.Kg1 Ld8 und Schwarz steht sogar etwas besser) Tc5!! 17.Lxf6 Lxf6 18.Sd5 Txd5 19.exd5 Lh4 20.g3 Ld8 21.Td2 Lg5 mit ausreichendem Gegenspiel für die geopferte Qualität. Weiß hat einen offen stehenden König sowie Bauernschwächen. 16.Lxf6 Lxf6 17.Sd5! Ld8 Dxc2 18.Tf2 Dc5 19.Tc1 Dd4 20.Sc7 kostet die Qualität. 18.c3 b5 19.b3 Dc5+ 20.Kh1 Tc8 21.Tf3? Programme raten sofort zu 21.f6! Nun verbietet sich Lxf6 wegen 22.Txf6! gxf6 23.Sxf6+ Kg7 24.Dh4! De3 (Dxc3 25.Dxh7+ Kf8 – oder Kxf6 26.Tf1+ Ke6 27.Dxf7 matt – 26.Dg8+ Ke7 27.Sd5+ Kd8 28.Dg5+ Kd7 29.Sxc3) 25.Tf1 Th8 26.Dg4+ Kh6 27.Dh5+ Kg7 28.Se8+! Tcxe8 29.Dxf7+ Kh6 30.Tf6+ Kg5 31.Tf5+ Kg4 32.Dh5 matt. Kh8? f6 ist Pflicht.

Smyslow-Rudakovski

22.f6! gxf6 Tg8 23.Dh4 Lxf6 24.Sxf6 gxf6 25.Dxf6+ Tg7 26.Tg3 führt durch Zugumstellung zur Partie. 23.Dh4 Tg8 24.Sxf6 Tg7 25.Tg3 Lxf6 Le7 26.Txg7 Kxg7 27.Dxh7+ Kxf6 28.Tf1+ Kg5 29.Tf5+ Kg4 30.Dh3 matt. 26.Dxf6 Tcg8 27.Td1 d5 Dc7 rettet auch nichts mehr. 28.Txd6 b4 29.Txg7 Txg7 30.Td8+ Dxd8 31.Dxd8+ Tg8 32.Df6+ mit einfachem Gewinn. 28.Txg7 1:0. Rudakowski gab auf, weil Schwarz nach Txg7 29.Txd5 keine gute Verteidigung mehr hat gegen 30.Td8+.

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