Rekordmeister trifft heute auf Serienmeister OSG Baden-Baden
Gharamjan – Ragger: Schwarz sucht – und findet – den entscheidenden K.O.-Zug

Von Hartmut Metz
Die Schach-Bundesliga besteht seit 1980. Nur zwei Vereine zählen seitdem immer zum „Inventar“: Wie im Fußball kommt der eine Klub aus Hamburg. Bei den Denksportlern heißt er allerdings HSK und nicht HSV. Beide befinden sich zuweilen in Abstiegsgefahr, konnten aber bisher immer noch im letzten Moment den Kopf aus der Schlinge ziehen. Um Titel spielen die Hamburger selten, dafür investiert der größte deutsche Schachverein zu wenig in Top-Personal und setzt lieber auf Eigengewächse. Anders sieht das nicht nur beim HSV, sondern auch beim zweiten Bundesliga-„Dino“ aus: der SG Solingen. Die Klingenstädter führen mit 784:258 Punkten die ewige Tabelle mit großem Vorsprung vor der SG Porz (686:118) und dem HSK (594:448) an. Mit elf Titeln ist der aktuelle Tabellenführer auch Rekordchampion der Bundesliga – der letzte Titel liegt jedoch 19 Jahre zurück. Und die OSG Baden-Baden schickt sich an, nach zehn Meisterschaften in Folge aufzuschließen. Dazu müssen die Kurstädter jedoch heute (10 Uhr) in München den Bundesliga-Hit gegen Solingen gewinnen. Beide Teams weisen 14:0 Punkte auf – die Bundesliga ist damit so spannend wie seit vielen Jahren nicht mehr,
freut sich Solingens Teamchef Herbert Scheidt über das bisherige starke Auftreten seiner Truppe.
Doch auch wenn bei der OSG wohl drei Topleute wegen des anstehenden WM-Kandidatenturniers fehlen dürften, geht der Serienmeister als Favorit ins Spitzenspiel, betont nicht nur Baden-Badens Kapitän Sven Noppes.
Zu den zuverlässigsten Punktesammlern der Solinger zählt seit Jahren Markus Ragger. Der Österreicher war auch maßgeblich daran beteiligt, dass der Saisonstart gelang: In der ersten Runde bremste der Bundesliga-Rekordmeister den ambitionierten Aufsteiger Schwäbisch Hall mit einem 4,5:3,5 knapp aus. Die Schwaben gewannen danach alle weiteren Duelle und liegen mit 12:2 Punkten in Lauerstellung hinter dem Führungs-Duo. Nachstehend Raggers sehenswerter Erfolg über Schwäbisch Halls französischen Großmeister Tigran Gharamjan.

W: Gharamjan S: Ragger
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.d3 d6 7.c3 0–0 8.Sbd2 b5 9.Lc2 d5 10.Te1 d4 11.h3 Sd7 12.Sf1 Sc5 13.Sg3 a5 14.Se2 a4!? Ein interessanter Zug des Österreichers. Dd6 15.cxd4 Sxd4 (exd4 16.Lf4 Dd8=) 16.Sfxd4 exd4 17.Lf4 Dd8 18.Le5 Lf6 führt zu einer ausgeglichenen Stellung. 15.Sxe5! Das hatte Ragger nicht übersehen, wie er später erklärte. Sxe5 16.cxd4 Sc6 17.dxc5 Lxc5 „Meine Kompensation besteht darin, dass ich das Feld d4 kontrolliere. Da schauen alle Figuren hin“, erläuterte Ragger. 18.Le3 Sd4 Lxe3 gefällt den Programmen besser – gäbe aber die gewünschte Kontrolle von d4 umgehend auf. 19.fxe3 Dg5 (a3 20.bxa3 Txa3 21.Sf4±) 20.Sf4± und Weiß steht dank des Mehrbauern deutlich besser. 19.Dd2? Ein Fehler. 19.Tc1± überzeugt mehr. Lb4! 20.Sc3?! 20.Dxb4 Sxc2 21.Dc3 Sxa1 22.Txa1 gibt zwar die Qualität, ist positionell aber eher angeraten als die Partiefortsetzung. a3! Unterminiert die Deckung des Springers. 21.Lb3?! 21.Ld1! kontrolliert wichtige Felder vor dem König. c5 Befestigt den Springer und damit die Kontrolle über d4. Lxh3! ging schon an dieser Stelle. 22.Lxd4 Dxd4 Nun verbietet sich 23.gxh3? wegen axb2 24.Dxb2 Lxc3 25.Db1 Lxa1 26.Dxa1 Dxa1 27.Txa1. 22.Tec1?!

Der Franzose ahnt die Gefahr nicht, ansonsten hätte er zu 22.bxa3 Txa3 23.Db2 Sxb3 24.axb3 Txa1 25.Txa1 Dxd3 26.Sa2 Dxe4 gegriffen, auch wenn Schwarz danach merklich besser steht. Lxh3! 23.bxa3 23.gxh3?? kostet die Dame: Sf3+ 24.Kg2 Sxd2. Txa3 24.Db2

Sf3+!! Der Rechner bevorzugt zunächst lange Ta6. Ragger schwört jedoch auf direkten Angriff. 25.gxh3 La3 26.Db1 Tg6+ 27.Kf1 Dd7 28.Lxd4 Lxc1 29.Dxc1 Dxd4 30.Se2 (30.Dc2? b4 und der Springer darf nicht ziehen wegen des hängenden Turms auf a1) Dxd3 31.De3 Ansonsten geht ein weiterer Bauer flöten bei anhaltendem schwarzen Angriff. Dxe3 32.fxe3 c4 33.Lc2 Ta6 34.Sd4 b4 35.Tb1 Tb8 36.Ld1 Txa2 37.Sc6 Tb7 38.Txb4 Txb4 39.Sxb4 Th2 40.Lf3 Txh3 41.Kg2 Th6 42.Sd5 Kf8 Weiß kämpft in der Stellung ums Remis. 25.gxf3 25.Kf1 ist schlechter: Dd7! 26.Ld1 Lxg2+! gewinnt indes am einfachsten: (Dxd3+ reicht auch. 27.Le2 Lxc3 28.Dxa3 Dxe4 29.Lxf3 Dxf3 30.gxh3 b4 31.Db3 Lxa1 32.Kg1 – oder 32.Txa1 Dh1+ 33.Ke2 Dxa1 – Lc3) 27.Kxg2 Se1+ 28.Kf1 Sxd3 29.Dd2 Dh3+ 30.Kg1 Ta6 und Weiß verliert zu viel Material bei der Abwehr des Königsangriffs. Df6 26.Kh2 c4?! Ta6! bringt wieder die entscheidende Kraft heran für die Attacke. 27.a3 Lxc3 28.Dxc3 Dh4 29.Lg5 Dxf2+ 30.Kxh3 Dxf3+ 31.Kh4 h6 32.Dxc5 (32.Ld2 g5+ 33.Lxg5 hxg5+ 34.Kxg5 Tg6+ 35.Kh4 Dg4 matt) hxg5+ 33.Dxg5 Th6+ 34.Dxh6 gxh6; 26…Dh4? erlaubt noch die Ausrede 27.Th1! Lxc3 28.Dxa3 Le5+ 29.f4 Lxf4+ 30.Lxf4 Dxf4+ (Dxf2+?? 31.Kxh3) 31.Kxh3 Df3+ 32.Kh2 Dxf2+ 33.Kh3 Df3+ mit nur einem Dauerschach. 27.Tg1? 27.Kxh3! stellt den Gegner vor die größte Herausforderung. Dxf3+ 28.Kh2 Ta6 29.Se2 Ld6+ 30.Kg1 (30.e5 La3 31.Dd2 Lxc1 32.Txc1 cxb3 33.axb3 Tg6 34.Sg3 h5 35.Dd1 Txg3! 36.fxg3 Dxe3 37.d4 Td8 und Schwarz setzt sich durch, weil er einen Mehrbauern bekommt und der weiße König zu unsicher steht) La3 31.Dd2 Lxc1 32.Dxc1 Dxe2 33.Ld1 Dxd3 34.Lf3 Tg6+ 35.Kh2 Dd8 36.Df1 f5!–+ Der ungeschützte weiße Monarch bleibt das Problem, weshalb der Anziehende die Stellung kaum halten kann trotz des ungefähr gleich verteilten Materials. Le6 28.Lg5 28.Tg3 verliert nach Txb3! 29.axb3 Lxc3 30.Dc1 Lxa1. Ld6+ 29.Kg2 Dxg5+ 30.Kf1 Df6 31.dxc4 bxc4 32.Td1 Lb4 Gharamjan hatte genug. Er verliert mindestens eine Figur. 0:1.

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