Deutscher Schachbund reagiert drakonisch: Falko Bindrich darf zwei Jahre nicht mehr spielen
Von Hartmut Metz
Auf dem stillen Örtchen geht es beim anstehenden Doppelspieltag in der Schach-Bundesliga ruhiger zu. Vor allem die Toiletten in Emsdetten stehen am Samstag und Sonntag kaum im Fokus der Schieds- richter. Der SC Eppingen verzichtet nämlich weiter auf einen Einsatz von Falko Bindrich, der jetzt vom Deutschen Schachbund (DSB) für zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen wurde. Grund der Sperre: Der 22-jährige Großmeister soll sich mit einem Schachprogramm auf dem Smartphone Vorteile auf dem Klo verschafft haben – oder verstieß zumindest gegen die Regularien, die ein „Beisichführen technischer Hilfsmittel untersagt“, wie der DSB sein Urteil begründet. Was Weltmeister Viswanathan Anand oder der Weltranglistenerste Magnus Carlsen mit Serienmeister OSG Baden-Baden bis dato nicht schafften, gelang mühelos durch den kuriosen Fall Bindrich: Die Schach-Bundesliga wurde selbst Thema in der „New York Times“, die den vermeintlichen Beschiss auf dem Klo natürlich entsprechend süffisant als „Toilettegate“ aufgriff.
Mitte Oktober hatte der Mülheimer Pawel Tregubow nach seiner Niederlage gegen Bindrich erste Verdächtigungen geäußert. Schiedsrichter Dieter von Häfen behielt den Zittauer daher tags darauf in der zweiten Runde besonders im Visier. Binnen 45 Minuten sei der Sachse dreimal verschwunden – was auch seinen Kontrahenten Sebastian Siebrecht misstrauisch machte. Der 2,02 Meter große Katernberger Großmeister verfolgte den Eppinger Akteur auf die sanitären Anlagen und lugte unter der Tür durch, um eine womöglich verdächtige Fußstellung zur Toilettenschüssel zu entdecken. Als Bindrich vom Klo zurückkam, forderte ihn der Schiedsrichter zu einer „Taschenkontrolle“ auf. Der 22-Jährige verweigerte diese „entrüstet“ – selbst gutes Zureden durch seinen Mannschaftsführer, dem durch das Reglement gedeckten Vorgehen nachzukommen, änderte nichts daran. Bindrich rückte sein Smartphone nicht raus, weil sich darauf „private Bilder und sensible Geschäftsdaten“ befänden. Der Unparteiische, der nur schauen wollte, ob ein Schachprogramm und womöglich die aktuelle Partiestellung zu entdecken sind, erklärte danach Siebrecht zum Sieger.
Das Spitzenteam Eppingen verlor so 3,5:4,5 gegen Außenseiter Katernberg und verzichtete fortan auf Einsätze des 22-jährigen Talents. Nach der Entscheidung des DSB lassen die Kraichgauer den Großmeister aus Zittau daheim. „Wir warten die einmonatige Einspruchsfrist ab“, will Eppingens Vorsitzender Rudolf Eyer den Ruf seines Vorzeigeklubs weiter möglichst unbeschadet lassen, „der Fall läuft bilateral zwischen dem DSB und Bindrich ab.“ Eyer konnte sich vorstellen, dass Bindrich nach seiner fruchtlosen mehrseitigen Rechtfertigung im Internet nun den ordentlichen Rechtsweg beschreitet gegen das „zweijährige Berufsverbot“. Sollten die juristischen Mühlen langsam mahlen, werde Eppingen in der nächsten Saison Ersatz für Bindrich verpflichten.
Bindrich reagierte mit einer Pressemitteilung: Mit dem Partieverlust vor Ort habe er die „maximale Konsequenz getragen“. Der Großmeister ist „nicht bereit, weitergehende Sanktionen, insbesondere eine Spielsperre, hinzunehmen“. Er lasse durch seinen Anwalt die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des DSB prüfen. „Auf jeden Fall werde ich Einspruch gegen die Entscheidung beim Präsidenten des Deutschen Schachbundes gemäß § 57 Abs. 3 der DSB-Satzung zur Vorlage beim Schiedsgericht einlegen und, wenn nötig, auch die ordentlichen Gerichte mit meinem Fall befassen“, kündigte Bindrich an.
Das Präsidium des DSB ruft nach dem „schweren Schaden“ für den Denksport zudem die Ethikkommission des Schach-Weltverbandes FIDE an. Der DSB will sich die allgemein übliche Doping-Auffassung bestätigen lassen, dass eine „Verweigerung zulässiger Kontrollmaßnahmen dem Gebrauch eines unzulässigen Hilfsmittels gleichzusetzen“ ist. Sollte die FIDE die Ansicht teilen, enden auch Bindrichs Toilettenbesuche in der Schweiz: Die Verantwortlichen des eidgenössischen Erstligisten SK Luzern zeigten sich weniger zimperlich als die Eppinger und boten Bindrich nach dem Skandal weiter auf. Anrüchiges wurde bei diesen Einsätzen immerhin nicht bekannt.
Erstveröffentlichungen: taz.de und Badisches Tagblatt (nur Printausgabe)