Swidler – Andreikin: Weiß nimmt sogleich die gegnerischen Schwächen ins Visier

Baden-Badener Bundesligaspieler erneut russischer Meister
Von Hartmut Metz
Was für Boris Becker früher Wimbledon im Tennis gewesen ist, scheint für Peter Swidler die russische Schach-Meisterschaft zu sein: sein „Wohnzimmer“. Becker sicherte sich mit 17 erstmals im Mekka des weißen Sports den ersten Titel – der 37-jährige Swidler feierte 1994 fast genauso früh das erste Championat im Land der Schach-Supermacht. Der Russe spielt allerdings weit konstanter als der einstige deutsche Nationalheld: Der St. Petersburger gewann nun in Nischni Nowgorod zum siebten Mal die Meisterschaft! Diesmal ging es jedoch knapper als sonst zu. Zwar führte der ehemalige Weltranglistenvierte fast durchweg vor Topfavorit Wladimir Kramnik. Doch der ehemalige Weltmeister riskierte in der Schlussrunde im Kampf um den Titel zu viel – Jan Nepomniachtschi gewann so das direkte Duell und schloss statt Kramnik zu Swidler auf. Die beiden Großmeister, die 6,5:2,5 Punkte verbuchten, trugen deshalb einen Stichkampf aus. In diesem bewies der Vater von Zwillingen seine Schnellschach-Kunst: Nach der Führung konnte er das zweite Duell trotz einer Gewinnstellung am Schluss leichten Herzens remisieren, um den siebten russischen Titel unter Dach und Fach zu bringen.
Swidler gehört zu den Stützen der OSG Baden-Baden und spielt wie Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) seit mehr als einem Jahrzehnt für den Abonnementmeister. In den vergangenen zehn Jahren hat der ehemalige Weltranglistenvierte nur eine Partie in der Bundesliga verloren! Mehr zu seinen Statistiken könnte der eloquente russische Meister sicher locker aus dem Ärmel schütteln – noch mehr gilt dies für seine Passion Cricket! Dort scheint er fast alles zu wissen …
Nachstehend Swidlers Sieg gegen Dimitri Andreikin.

W: Swidler S: Andreikin
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.d3 Swidler verzichtet auf die weit verzweigten und analysierten Abspiele nach 4.Lxc6. d6 5.0–0 Ld7 6.c4 g6 7.Sc3 Lg7 8.Le3 0–0 9.h3 Der Zug verhindert zum einen die unangenehme Fesselung durch Lg4, zum anderen torpediert die stille Fortsetzung auch einen Springerausflug auf das Feld. Das würde den gut postierten Läufer auf e3 stören. Sb8 10.Db3 c6 11.La4 Dc8 12.Dd1 Sa6 13.d4 Weiß öffnet das Zentrum, um seinen Raumvorteil zu nutzen. exd4 Te8 14.Lc2 erfordert b6, sofern Schwarz den Springer auf c5 implantieren will. 14.Lxd4 Le6 15.De2 Te8 16.Tad1 Sc5 17.Lc2 Scd7?! Programme plädieren für b5! 18.cxb5 cxb5, weil 19.Dxb5 zur Punkteteilung führt: Lxh3! 20.gxh3 Dxh3 21.De2 (21.Sh2?? verliert: Sg4 22.Sxg4 Dxg4+ 23.Kh2 Se6 24.Tg1 Dh4+ 25.Kg2 Lxd4) Scxe4 22.Sxe4 Dg4+ 23.Kh2 Sxe4 24.Tfe1 Dh5+ 25.Kg2 Dg4+ 26.Kh2 Dh5+ und Schwarz gibt ein Dauerschach. Das Schlagen 19.Sxb5 Scxe4 20.Lxe4 Lc4 taugt auch nicht viel. 18.Sg5 Dc7 19.f4 Da5 20.a3 h6 21.Sf3?! 21.Sxe6! überzeugt mehr. Txe6 22.Df2 Tae8 23.c5! dxc5 24.Lxf6 Sxf6 25.e5 Sd5 26.Sxd5 cxd5 27.Txd5 und der Anziehende hat seinen Bauern bei überlegener Stellung zurück. Sh5 22.Lxg7 Kxg7 23.Dd2 Db6+ 24.Tf2 Lxc4? Das verliert. Dxb2 erweist sich als besser: 25.f5 gxf5 26.exf5 Lxc4 27.Dd4+ Shf6 28.Dxc4 d5 29.Dd3 Dxa3 30.Sd4± Die Figur ist stärker als die drei Bauern, zumal der offen stehende schwarze König Angriffsmöglichkeiten bietet. Der Nachziehende kann seine Bauern hingegen am Damenflügel nur langsam und vorerst ungefährlich nach vorne treiben. 25.Sa4! Dc7 26.Dc3+ Shf6 27.Dxc4 b5 Auf diesen Figurenrückgewinn verließ sich Andreikin. 28.Db4 bxa4 29.Txd6 Tab8 30.Dd2 Ted8 Txb2 scheitert an 31.e5! Se4 32.Dd4 Sxf2 (Txc2 33.Txd7 Db6 34.Txc2) 33.Dxb2 und der Springer auf f2 ist gefangen. 31.e5 Se8 32.Dc3! Swidler nutzt das Feld c3 auf ein Neues. Sb6 Sxd6 verbietet sich wegen des Schachs nach 33.exd6+ Kh7 34.dxc7. 33.Txc6 Db7 34.f5 34.e6+ gewinnt ebenso: f6 35.Se5! fxe5 36.e7 Dxe7 37.Txg6+ Kh8 38.fxe5 Tbc8 39.Dg3 und der schwarze Monarch entrinnt dem Mattnetz nicht mehr. Sd5 35.Dc5 Dxb2 36.fxg6 f6 37.Sd4 1:0. Nach Kg8 38.Lf5 Db7 39.Le6+ Kg7 40.Lxd5 muss der König auch diesmal sein nahes Ende fürchten.

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