Popov – Tröger: Das Runde muss ins Eckige – nicht nur im Rasenschach!

Paul Tröger kannte sich auf 64 Feldern und Fußballplätzen aus
Von Hartmut Metz
Friedrich Sämisch war ein grandioser Spieler, der in den 1920er Jahren zu den besten der Welt zählte – doch das größte Manko des Berliners bestand in seinem grüblerischen Charakter. Das führte dazu, dass er bei Schachpartien permanent in Zeitnot geriet. 1969 in Linköping verlor Sämisch gar alle Partien durch Zeitüberschreitung! Als der Altmeister einmal gegen Paul Tröger spielte, entging Sämisch zunächst, dass ihm das Missgeschick wieder passiert war! Gedankenverloren brütete er weiter. Der neugierige Tröger bat den Schiedsrichter „aus journalistischem Interesse“, seinen Gegner keinesfalls zu stören, um zu ermitteln, wann Sämisch seinen Partieverlust realisiert! Erst nach mehr als 40 Minuten soll Sämisch auf die Uhr geblickt und seine Zeitüberschreitung bemerkt haben! Tröger bescherte dies nicht nur einen ganzen Punkt in der Tabelle, sondern auch eine wunderbare Anekdote für einen Artikel.
Der gebürtige Augsburger, der gestern 100 Jahre alt geworden wäre, zählte nicht nur zu den schillerndsten Persönlichkeiten des Schachsports nach dem Zweiten Weltkrieg. Tröger gehörte auch zu den Journalisten, die den „Kicker“ 1951 wieder aufleben ließen. Bis 1955 fungierte er als Chefredakteur der Fußball-Bibel. Später stand der Kölner dem Konkurrenzblatt „Fußball-Woche“ vor beziehungsweise arbeitete als Redakteur der „Deutschen Schachzeitung“. Zudem betreute Tröger mehrere Schachspalten. Ein halbes Dutzend Schachbücher, etwa sein letztes 1989, „Danke Partner – für Deinen Fehler!“, rundeten sein journalistisches Schaffen ab.
„Er war eine markante Persönlichkeit; in vielen Dingen konnte man von ihm lernen“, notiert der ehemalige deutsche WM-Kandidat Robert Hübner im „Schachkalender 2013“ bei seinen Erinnerungen an den früheren Mannschaftskameraden beim mehrfachen deutschen Meister SG Köln-Porz. Tiefgründige Finessen spricht ihm Hübner zwar ab, Tröger konnte aber als Taktiker durchaus beachtliche Erfolge erringen: 1957 gewann der Nationalspieler vor Wolfgang Unzicker die deutsche Einzel-Meisterschaft und obsiegte auch bei ein paar internationalen Turnieren.
Der Sportjournalist, der 1992 starb, war stets entflammt für seine beiden Leidenschaften – und sorgte so 1948 dafür, dass auch im Schach ein Pokal-Wettbewerb wie im Fußball eingeführt wurde. Dieser besteht noch heute als Dähne-Pokal. Im Zonenturnier 1960 in Budapest schlug Tröger den Bulgaren Luben Popov sehenswert.

W: Popov S: Tröger
1.c4 e5 2.Sc3 Sc6 3.g3 d6 4.Lg2 Le6 5.Sd5 Sge7 6.e3 Dd7 7.a3 Sd8 8.d3 c6 9.Sc3 d5 10.Sf3 f6 11.b3 Sf7 12.0–0 Td8 13.Lb2 g5!?
Tatendurstig springt Tröger den Gegner an. h5 verfolgt dasselbe Ziel. 14.cxd5 cxd5 15.d4?! Das kommt eher Schwarz entgegen. Nach der Abriegelung hat Weiß vor allem auf dem Feld f3 Probleme. 15.Tc1 sieht am logischsten aus, um Gegenspiel auf der c-Linie zu initiieren. e4 16.Se1 g4 17.Lxe4? Vermutlich hat sich Popov darauf verlassen, dass er nach dem fragwürdigen Figurenopfer genügend Gegenspiel bekommt, weil der schwarze König kein sicheres Plätzchen mehr findet hinter schützenden Bauern. dxe4 18.Sxe4 Sd5?! Lg7! gefällt dem Programm „Houdini“ noch besser. 19.Sc5 Dc6! 20.Sxe6 (20.Tc1 Sg5 21.f3 0–0 22.Scd3 – 22.fxg4?? Sh3 matt – Db5 23.b4 Sd5 24.De2 gxf3 25.Sxf3 Lf5 26.Sfe1 Sh3+ 27.Kg2 Lg4! 28.Dd2 – 28.Dxg4 Sxe3+ 29.Kxh3 Sxg4 30.Kxg4 Dd7+ 31.Kf3 ist hoffnungslos mit zwei Figuren gegen die Dame – Tde8 29.Sc2 Dc6 und angesichts der Doppelschach-Drohung auf e3 bricht die weiße Stellung wie ein Kartenhaus zusammen) Dxe6 21.Sg2 0–0 22.Sf4 Dd7 bringt dem Anziehenden auch nicht genug für die Figur. 19.Sd3 b6 20.Sd2 f5 21.Te1 Lg7 22.e4 fxe4 23.Sxe4 0–0 24.Sec5? Ein verlockender Zug, der jedoch die weiße Lage verschlimmert. bxc5 25.Sxc5 Sg5!! Das brillante Damenopfer hatte Popov sicher außer Acht gelassen. 26.Sxd7 26.Sxe6 Sh3+ 27.Kg2 Txf2+ 28.Kh1 Se3! gewinnt nicht nur die Dame, sondern erzwingt bald das Matt. Sh3+ 27.Kh1 27.Kg2 verliert zu viel Material: Txf2+ 28.Kh1 Se3 29.d5 (29.Txe3 Ld5+ 30.Tf3 Txf3 31.Dxf3 Lxf3 matt) Sxd1 30.dxe6 Sxb2. Lxd7? Das bringt Weiß zwar nicht ausreichend zurück ins Spiel, präziser ist allerdings Sxf2+! 28.Kg1 Sh3+ 29.Kh1 Se3! 30.d5 Sxd1 31.dxe6 Shf2+ 32.Kg2 Lxb2 33.e7 Txd7 34.exf8D+ Kxf8 35.Tb1 Td2. 28.De2 Sxf2+ 29.Kg2 29.Kg1 Sh3+ 30.Kh1 Tf2 31.Dc4 Lf5 32.Lc3 Tc2 und Weiß büßt weiteres Material ein. Se3+! 30.Dxe3 Lc6+ 31.Kf1 Sd1+ 32.Ke2 Sxe3 33.Kxe3 Lh6+ 34.Kd3 Tf2 35.Lc1 Lb5+ 36.Kc3 a5! Das Mattfinale lässt sich Tröger nicht entgehen. 37.Te5 Tc8+ 38.Tc5 Txc5+ 39.dxc5 Lg7 matt.

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