Anand – Andreikin (Variante): Ein “Knackzug” hebt Schwarz rasch aus den Angeln

Anand feiert beim WM-Kandidatenturnier grandi- oses Comeback
Von Hartmut Metz
Viswanathan Anand hat ein glanzvolles Comeback gefeiert. Nachdem er den WM-Kampf gegen Magnus Carlsen sang- und klanglos Ende 2013 verloren hatte, schrieb ihn nicht nur die ganze Schachwelt ab. Auch der Inder haderte mit sich und erwog gar, das Kandidatenturnier in Sibirien abzusagen. Doch ein Gespräch mit seinem alten Rivalen Wladimir Kramnik bestärkte ihn, doch in Chanty-Mansijk mitzuspielen. Der „Tiger von Madras“ stieg dabei wie Phönix aus der Asche empor! Als einziger blieb Anand in den 14 Runden ungeschlagen und deklassierte die Konkurrenz um einen vollen Punkt (das BT berichtete). „Ich leugne nicht, dass dieses Ergebnis zu den angenehmsten Überraschungen meiner Karriere zählt“, gestand der Ex-Weltmeister nach langer Durststrecke. Dank der 8,5:5,5 Zähler kletterte der Baden-Badener Bundes- ligaspieler auch in der Weltrangliste wieder auf Platz drei hinter Carlsen und Lewon Aronjan, nachdem der 44-Jährige zuletzt fast aus den Top Ten gefallen war. Favorit Kramnik, der mit sieben Punkten hinter seinem russischen Landsmann Sergej Karjakin (7,5:6,5) nur Dritter wurde, glaubt nun, dass Anand in dieser Form sogar Chancen bei der WM-Revanche gegen Carlsen besitzt.

„Tiger von Madras“ erkämpft WM-Revanche gegen Carlsen (Foto: Chessbase)
WM-Kandidatenfinale 2014 – Abschlussbericht von Hartmut Metz

Der Zweikampf soll wieder im Herbst stattfinden. Ein Ausrichter wird noch gesucht.
Nachstehend die wilde Partie Anands gegen Dimitri Andreikin aus der zwölften Runde. Angesichts seines komfortablen Vorsprungs von 1,5 Punkten remisierte der Inder am Schluss sicherheitshalber gegen den Russen.

W: Anand S: Andreikin
1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Lf5 5.Sg3 Lg6 6.h4 h6 7.Sf3 e6 Sd7 ist präziser, um den weißen Springer fern von e5 zu halten. 8.Se5 Lh7 9.Ld3 Lxd3 Das gierige Dxd4? führt zu einer schlechten Stellung nach 10.Sxf7! Lxd3 (Kxf7?? kostet die Dame: 11.Lg6+ Lxg6 12.Dxd4) 11.Sxh8 Lb4+ 12.Ld2 Dxb2 13.cxd3 Lxd2+ 14.Kf1 Sf6 15.Tb1 Dxa2 16.Txb7 Sbd7±. 10.Dxd3 Sd7 11.f4! So verteidigt der Anziehende den Springer auf e5. Lb4+ In Basel probierte der ukrainische Großmeister Igor Kowalenko gegen den Brasilianer Alexander Fier Sxe5!? 12.fxe5 c5 aus. Wassili Iwantschuk remisierte 1999 in Linares gegen Anand mit Sgf6 12.Ld2 Ld6 13.0–0–0 Dc7. 12.c3 Le7 13.Ld2 Sgf6 14.0–0–0 0–0 15.Df3 Eine Verstärkung im Vergleich zur WM-Partie Ende 2013 gegen Magnus Carlsen: 15.Se4 Sxe4 16.Dxe4 Sxe5! 17.fxe5 Dd5 18.Dxd5 cxd5 19.h5 b5 20.Th3 a5 21.Tf1 Tac8 22.Tg3 Kh7 23.Tgf3 Kg8 24.Tg3 Kh7 25.Tgf3 Kg8 und die beiden Kontrahenten einigten sich friedlich. Dc7 16.c4! a5 c5 beantwortet Anand mit 17.d5! und Großmeister Alejandro Ramirez gab auf der Webseite Chessbase.com exd5 (Sxe5? 18.fxe5 Dxe5?? 19.Lf4 lässt sich die Dame fangen!) 18.Sf5 Ld8 (Sxe5 19.fxe5 Dxe5 20.The1 Se4 21.Lc3+– Dc7 22.Lxg7 Tfe8 23.cxd5 ist komplett verloren) 19.Dg3 Sh5 20.Sxh6+ Kh7 21.Dd3+ an. Nach f5 22.Shf7 Sxe5 23.Sxe5 dxc4 24.Df3 Sf6 25.h5 Le7 26.Dg3 Sg4 27.Sxg4 fxg4 28.Dxg4 kämpft Schwarz ums Überleben. 17.Kb1 Tad8 18.Lc1 a4!? In der Vorläuferpartie entschied sich Alexej Drejew für Tfe8 gegen Wesselin Topalow, um den Läufer zur Verteidigung nach f8 zurückziehen – geriet aber später dennoch in einen Angriff. 19.The1. 19.The1 a3 20.b3 Lb4 21.Te3 c5 22.d5 exd5 23.cxd5 Sb6 24.Ted3 Dc8? Txd5! beseitigt den gefährlichen d-Bauern. 25.Txd5 Sfxd5 26.Txd5 Sxd5 27.Dxd5 Td8 und Alexander Baburin findet, dass Schwarz gute Konterchancen hat für leichten Materialnachteil mit Turm und Bauer gegen zwei Springer. 25.d6 Tfe8 c4 funktioniert nicht mehr. 26.bxc4 Sxc4 27.Td4! b5 28.Sc6 und der Läufer auf b4 und der Turm auf d8 sind angegriffen. 26.Sh5! Te6 27.Sxf6+?! Damit fängt die Krise an. Anand hatte geglaubt, dass es keinen Unterschied macht, ob er zuerst d7 spielt und dann den Springer beseitigt – doch die Reihenfolge ist entscheidend. 27.d7! Dc7 a) 27…Sbxd7 geht gar nicht wegen 28.Sxf6+ Txf6 29.Sxd7; b) 27…Sfxd7 verliert auch bald: 28.Dg4 g6 29.f5 Txe5 30.fxg6 f5 31.Df4 Te7 (Te6 32.Dxh6 Te7 33.Txd7 Sxd7 34.Txd7 Tdxd7 35.Sf6 matt) 32.Sf6+ Sxf6 33.Txd8+; 28.f5!! Der Knackpunkt. Txe5 29.Sxf6+ gxf6 30.Lxh6 und der schwarze König steht vor dem Matt. Txf6 28.d7?! 28.Sg4! kassiert die Qualität ein, weil sich der Turm nicht rühren darf. Tf5 (Te6 29.f5 Tee8 30.Sf6+ gxf6 31.Lxh6) 29.Sxh6+! gxh6 30.Dg4+ Kf8 31.d7. Dc7 29.Dg4 c4 Nun hat Andreikin Gegenspiel, auch wenn Weiß noch immer auf Gewinn steht. 30.Tg3 g6 31.h5 cxb3 32.Txb3! Sa4 33.hxg6 fxg6! Lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sc3+ verliert umgehend: 34.Txc3 Lxc3 35.gxf7+ Kh7 36.Dg8+! Txg8 37.fxg8D+ Kxg8 38.d8D+. 34.Txb4! 34.Sxg6? verdirbt die Stellung sogar! Kh7 35.Se5 Sc3. Sc3+ 35.Kc2 b5 Sxd1+ 36.Tc4 Dd6 37.Dxd1 ist hoffnungslos. 36.Kb3 Sa4 37.Df3? Deckt das Matt auf c3. 37.Ld2! Sc5+ 38.Kxa3 Ta6+! 39.Kb2 Da5 40.a4! Sxa4+ 41.Kc2 Dc7+ 42.Kd3 und der König bringt sich auf dem anderen Flügel in Sicherheit. Sc5+! 38.Kc2 38.Kxa3?? stellt einen Turm ein. Da5+ 39.Kb2 Dxb4+ 40.Ka1 Weiß steht aber immer noch besser! Sa4+ 39.Kb3 Sc5+ 40.Kc2 Sa4+

41.Kb3 Remis. Angesichts seines Vorsprungs im Turnier scheute Anand zurecht das Risiko und beschied sich weise mit der Zugwiederholung, die ihn einen halben Punkt näher an den Turniersieg heranbrachte. 41.Tc4!? bxc4 42.Lxa3 gewinnt immer noch, obwohl Weiß eine Qualität weniger hat – aber dafür den prächtigen Freibauern auf d7. Ellenlange Gewinnvarianten analysierten zahlreiche Kommentatoren mit ihren Computern: 42…Kh7! 43.Le7 Db8! 44.Tb1 Tb6 45.Txb6 Dxb6 46.Lxd8! Db2+ 47.Kd1 c3 48.Dd3 c2+ 49.Dxc2 Sc3+ 50.Kd2 Se4+ 51.Kd3 Sf2+ 52.Dxf2! Dxf2 53.Lf6 Df1+ 54.Kc2 Df2+ 55.Kc3 De1+ 56.Kc4 De2+ 57.Kc5 Df2+ 58.Kc6 Dc2+ 59.Kd6 Dd2+ 60.Ke6 Dxa2+ 61.Ke7 Da3+ 62.Ke8 Da4 63.Kf8 Db4+ 64.Le7 Dxf4+ 65.Sf7

Wer soll das aber am Brett finden? 41.Kd2 Dd6+ 42.Sd3 Txd7 43.Lxa3 sieht da noch einfacher aus. In Zeitnot vermeidet man jedoch lieber solche unwägbaren Varianten. Sb2!? 44.Txb2 Dxa3 45.Kc1 und gewinnt.


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