„Tiger von Madras“ hauchdünn bei London Chess Classic in Front
Kramnik – Nakamura: Ein (weißer) „Hammerzug“ entscheidet die Partie sofort

Von Hartmut Metz
Das Schach-Jahr endet doch noch versöhnlich für den „Tiger von Madras“: Zwar verpasste Viswanathan Anand die Rückkehr auf den Schach-Thron beim WM-Match vor wenigen Wochen gegen Magnus Carlsen. Nun aber hat sich der 45-Jährige selbst verspätet zum Geburtstag beschenkt und die London Chess Classic gewonnen. Der Baden-Badener Bundesliga-Spitzen- spieler widerlegt damit die Unkenrufe, die ihm den Rücktritt nahelegten. Anand gehört weiter zur Weltspitze und hat noch immer Lust auf Schach, wie er zuletzt mehrfach betonte. Der Turniersieg in der britischen Metropole fiel denkbar knapp aus: In dem Mini-Turnier mit nur fünf Runden gewann der indische Nationalheld nur die letzte Partie gegen seinen Baden-Badener Mannschaftskameraden Michael Adams. Die vier Duelle davor hatte Anand durchweg remisiert. Die Feinwertung bescherte ihm Platz eins: Wie Wladimir Kramnik und Anish Giri kam er aufgrund der Drei-Punkte-Wertung für einen Sieg auf sieben Zähler. Doch als einziger hatte der Brahmane seinen Erfolg als Nachziehender mit den schwarzen Steinen errungen,
während der Russe und der äußerst talentierte 20-jährige Niederländer sich nur mit dem „Aufschlag“ durchgesetzt hatten.
Auf den Plätzen folgen Hikaru Nakamura (USA/6) und der Brite Adams, der mit einem Auftaktsieg über Fabiano Caruana (beide 4) gestartet war. Der Italiener konnte nicht an seine fantastische Form anknüpfen, als er beim stärksten Turnier der Schach-Geschichte, in St. Louis (USA), für Aufsehen sorgte. Der Weltranglistenzweite musste sich mit vier Remis bescheiden und verlor in der Elo-Ratingliste Boden auf Weltmeister Carlsen.
Die spektakulärste Partie in London gewann Kramnik. Dem Russen war es sicher wieder eine besondere Genugtuung, Nakamura einmal mehr in die Schranken zu weisen. Die beiden sind sich spinnefeind.

W: Kramnik S: Nakamura
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 Königsindisch entspricht dem kämpferischen Stil von Hikaru Nakamura. Gegen Wladimir Kramnik ist es aber wohl doch die falsche Wahl, da der Russe diese stark spielt. 5.Le2 0–0 6.Sf3 e5 7.d5 a5 8.Lg5 h6 9.Le3 Sg4 10.Ld2 f5 11.h3 Sf6 12.exf5 gxf5 13.Dc1 f4 14.g3! Der Computer zeigt keine Angst und will die Stellung am Königsflügel aufreißen. e4 15.Sh4 15.Sd4 ist gleichwertig. e3 16.fxe3 fxg3 17.Sg6 Wohl alles noch Computer-Analyse. Tf7 18.Dc2 18.Sf4 dürfte ausgeglichen sein. 18.Tg1 Lf5 19.Txg3 Sbd7 verspricht Schwarz aktives Spiel für den Bauern. Sfd7? Sa6 sieht natürlicher aus, um die Entwicklung der Figuren voranzutreiben. 19.0–0–0 Se5 20.Thf1!± Kümmert sich nicht um den h3–Bauern. Txf1 21.Txf1 Lxh3 22.Tg1 Df6 g2 kann den weißen Angriff nicht aufhalten: 23.Sxe5 dxe5 24.Dg6 Df6 25.Dg3 Lf5 26.Dxg2 Sd7 27.e4 Lh7 28.d6 c6 (Dxd6 29.Dxg7 matt oder 28…cxd6 29.Sd5 Df8 30.Lxh6) 29.Dh3 Sf8 30.c5 Kh8 31.Tf1 Dg6 32.Lh5 De6 33.Txf8+ Txf8 34.Dxe6. 23.Txg3 Sxg6 24.Txg6 Df7 25.Tg3 Lf5 26.e4 Lg6 27.Lg4! Df1+?! Kh8 erweist sich als zäher: 28.Le6 Df1+ 29.Sd1 Lh5 30.Th3 Lxd1 31.Dxd1 Dxd1+ 32.Kxd1 Sa6! 33.b3 (33.Lf5 Sc5 34.Kc2 a4 35.Lxh6 Lxh6 36.Txh6+ Kg7 37.Th7+ Kf6 38.Txc7 Tg8 führt nur zum Ausgleich, weil der Läufer nicht viel leistet und Schwarz plötzlich aktiv steht dank des Springers auf c5) Sc5 34.Lf5 Kg8 35.Kc2 Kf7 mit einigem Vorteil für Weiß, der aber noch nicht ausreicht zum Sieg. 28.Sd1 Le5 29.Lh3! Df6 30.Tg1 Kh7

31.Lf5! Tauscht eine aktive gegnerische Figur ab und verschafft sich einen Vorposten. Lxf5 32.exf5 Sd7 Der Entwicklungszug kommt zu spät. 33.Tg6 Df7 34.Txh6+ Kg8 35.Tg6+ Kf8 36.Sf2 Kramnik spielt diese Phase mit erstaunlicher Präzision! b5 37.Sg4 bxc4 38.Dxc4 Dxf5

39.Tg8+! Ein schöner Abschluss. Ke7 Kxg8 40.Sh6+ Kg7 41.Sxf5+. 40.Lg5+ Lf6 41.De2+ Nakamura gab auf wegen Se5 42.Lxf6+ Kd7 43.Db5+ c6 44.Db7 matt. 1:0.

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