Bilguer vor 200 Jahren geboren: Autor des „Handbuchs des Schachspiels“
Bilguer – Mayet: Weiß gewinnt rasch – im guten alten Opferstil

Von Hartmut Metz
Ehrfürchtig nennen Kenner das Werk nur „den Bilguer“: Der Namensgeber des „Handbuchs des Schachspiels“ kam vor 200 Jahren, am 21. September 1815, auf die Welt. Paul Rudolf von Bilguer wurde nur 25 Jahre alt. Der Sohn eines preußischen Oberst hatte wohl kein glückliches Leben, musste er doch wegen des Vaters mit 18 gegen seinen Willen in den Militärdienst. Nach einer Tuberkulose wurde der Mecklenburger 1839 ausgemustert. Seiner Liebe, dem Schachspiel, konnte er aber auch nur noch kurz frönen, weil er ein Jahr später erblindete und am 16. September 1840 starb. Ruhm erlangte Bilguer zwar schon zu Lebzeiten durch die Zugehörigkeit zu den Berliner „Plejaden“, einer Gruppe von sieben Schachmeistern der Stadt. Vor allem beeindruckte er aber die Anhänger des königlichen Spiels, weil er drei Blindpartien – ohne Ansicht der Bretter – gleichzeitig spielen konnte. Das galt zu dieser Zeit noch als enorme Gedächtnisleistung. In die Schach-Historie ging Bilguer jedoch vor allem als erster Autor eines monothematischen Eröffnungswerks ein.
Andere Meister forderte der Leutnant auf, es ihm gleichzutun und die Theorie der ersten Partiezüge zu Papier zu bringen. Bilguer beschäftigte sich in der Monographie mit der Preußischen Partie unter dem Titel „Zweispringerspiel im Nachzuge – Zur Theorie des Schachspiels“. Auf dieses Konzept baute der frühere Infanterist beim „Handbuch des Schachspiels“ auf. Die Herausgabe erlebte Bilguer indes nicht mehr. Das Fragment nutzte und verfeinerte sein Freund Tassilo von Heydebrand und der Lasa und setzte die Arbeit „in unnachahmlich gründlicher Weise fort“, wie der Historiker Michael Negele urteilt. Das Werk entwickelte sich zum Klassiker und „Wegbereiter der modernen Schachtheorie“.
Nachstehend eine schöne Königsgambit-Partie, die Bilguer 1838 gegen Carl Mayet gewann. Letzterer zählte wie von Heydebrand und der Lasa zu den Berliner „Plejaden“.

W: von Bilguer S: Mayet
1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 Le7 4.Lc4 Lh4+
Auf diesen Zug verzichtet Schwarz heutzutage. 5.g3!? 5.Kf1 büßt zwar das Rochade-Recht ein, doch dafür steht der Läufer auf h4 ungünstig und behindert die Entwicklung des Springers auf g8. fxg3 6.0–0! gxh2+ 7.Kh1 Weiß hat zwar drei Bauern geopfert, dennoch hält der Computer die weiße Stellung nicht für viel schlechter. Sie birgt schließlich enormes Angriffspotenzial, vor allem gegen den Schwachpunkt f7. d6? d5! versucht die eigene Entwicklung zu beschleunigen und den Druck auf f7 zu mildern. 8.Lxd5 Sf6 9.Sxh4 (9.Lxf7+ wirkt verlockend, führt aber zu nichts: Kxf7 10.Sxh4 Tf8 11.e5 Dd5+ 12.Sf3 Se4! Nun ist schon 13.Sc3 geboten. (13.Sg5+? Kg6 14.Sxe4 Dxe4+ 15.Kxh2 Dxe5+ 16.Kg2 Dg5+ 17.Kh2 Dh4+ 18.Kg1 Lh3 und baldiges Matt ist nicht mehr abzuwenden) Sxc3 14.dxc3 Dxd1 15.Txd1 Kg8 16.Sxh2 Sc6 17.Te1 Le6 und Schwarz steht auf Gewinn mit den zwei Freibauern am Damenflügel und dem weit besseren Figurenspiel) Sxd5 10.exd5 Dxh4 11.De2+ De7 12.Dxe7+ Kxe7 13.b3 f6 14.La3+ Kf7 15.Te1 Te8 (g5 16.Te7+ Kg6 17.Sc3) 16.Txe8 Kxe8 17.Sc3 Kf7 18.Te1 mit Ausgleich. 8.Lxf7+! Kxf7 9.Sxh4+? 9.Sg5+ überzeugt mehr: Ke8 (Ke7 10.Dh5 De8 – Kd7 11.Dxh4 h6? 12.Dh3+ Ke7 13.Tf7+ Ke8 14.Se6 Se7 15.Txg7 (15.Sxd8? Lxh3) Lxe6 16.Dxe6 Dd7 17.Df7+ Kd8 18.Sc3 Sbc6 19.d3 Dh3 20.Sd5 Kd7 21.Sf6+ Kc8 22.Ld2 Df3+ 23.Kxh2 b6 24.Lc3 Kb7 25.Sd7 Dxf7 26.Txf7 Thd8 27.Sf6 Tf8 28.Th7 ist etwas besser für Weiß – 11.Tf7+ Kd8 12.Dxh4 Se7 13.Txg7 Tf8 14.Sc3 Tf1+ 15.Kxh2 h6 16.Sh7! Sbc6 17.d3 Se5 18.Dxh6 führt zu einer vogelfreien Stellung, die die Rechner für ausgeglichen halten. Aber so offen will Weiß seinen König nicht stehen haben) 10.Dh5+ g6 11.Dxh4 Sf6 12.d3. Sf6 10.d4 Lh3 11.Tf3?! Sieht trickreich aus, stärker ist jedoch 11.Tf2 Kg8 12.Df3 Dd7 13.e5 Dg4 14.Dxg4 Sxg4 15.Tf3 Sc6 16.Txh3 Sf2+ 17.Kxh2 Sxh3 18.Kxh3 Sxd4 19.Sa3 dxe5 20.Le3 Turm und drei Bauern sind besser als die zwei Figuren. Lg4?! Dd7 verteidigt den leichten Vorteil. 12.Txf6+! Dxf6 13.Dxg4 Df1+?! Tf8 14.Sc3 Df1+ 15.Kxh2 Df2+ 16.Sg2 Kg8 17.Le3 Df3 18.Dxf3 Txf3 19.Sd5 Sd7 20.Se1 Tf7 21.Sxc7 Taf8 22.Se6 Te8 23.d5 Sf8 24.Sg5 Tfe7 25.Lxa7 h6 26.Sgf3 Txe4± Weiß sollte die Stellung gewinnen. 14.Kxh2 Dxc1 15.Sc3! Dxa1? Das verliert. Dd2+ 16.Kh1 Dh6 (Df2 17.Dh3! Kg8 – Te8 18.Tf1 – 18.Tf1 Dxd4 19.De6 matt) 17.Sd5 Sc6 (Sa6 18.Dd7+ Kg8 19.Se7+ Kf8 20.Tf1+ Df6 21.Txf6+ gxf6 22.Sef5 Te8 23.Dg7 matt) 18.Tf1+ Ke8 19.Sxc7+ Ke7 20.Sd5+ Ke8 21.Kg1 (21.c3 Tf8) Sxd4 22.Sc7+ Ke7 23.c3 Taf8 24.cxd4 Txf1+ 25.Kxf1 Dc1+ 26.Kg2 Dc2+ 27.Kg3 Dxc7 28.Dxg7+ Kd8 29.Dxh8+. 16.Df5+ Ke8 Ke7 17.Sd5+ Kd8 18.Dg5+ Kc8 19.Dxg7 Sa6 20.Dxh8+ Kd7 21.Dxa8 Dxb2 22.Sf3 Dxc2+ 23.Kg3 und Weiß gewinnt schnell. Dxe4 (Kc6 24.De8 matt) 24.Sf6+ Kc6 25.Sxe4. 17.Dc8+ Ke7 18.Dxc7+?! 18.Sd5+ Kf7 19.Df5+ Ke8 20.De6+ Kd8 21.De7+ Kc8 22.Dxc7 matt. Ke8?! Sd7 19.Sf5+ Ke8 20.Sxg7+ Kf8 21.Sf5 Te8 22.Dxd6+ Kf7 23.Dxd7+ Kg6 24.Dg7+ Kh5 25.Se2 Thg8 26.Seg3 matt. 19.Dc8+ Kf7 20.Dxb7+ Ke8 21.Sf5 1:0. Schwarz gab auf wegen Sd7 22.Dxa8+ Kf7 23.Dxh8 Kg6 24.Dxg7+ Kh5 25.Se2 De1 26.Seg3+.

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