Uschenina – Stefanowa: Weiß am Zug gewinnt – mit Köpfchen!

Ukrainerin Anna Uschenina besitzt die besten Nerven
Von Hartmut Metz
Anna Uschenina hat niemand auf der Rechnung gehabt. Die Ukrainerin steht lediglich auf Platz 37 der Weltrangliste. Entsprechend gering schienen ihre Aussichten bei der Schach-WM im russischen Chanty-Mansijsk. Doch die beiden Topfavoritinnen, Weltmeisterin Hou Yifan (China) und Humpy Koneru (Indien), schieden bereits in der zweiten Runde sensationell aus. Die dritte hochgehandelte Groß- meisterin im 64er-Feld, Anna Musitschuk, zog ebenfalls den Kürzeren – gegen Uschenina. Die 27-Jährige aus Charkow bezwang ihre inzwischen für Slowenien spielende Landsmännin in der Schnell- schach-Verlängerung mit 3:1.
Gute Nerven bewies die Außenseiterin ebenso im Halbfinale beim 2,5:1,5 über die Chinesin Ju Wenjun sowie im Endspiel: Dort warf sie selbst der 2:2-Ausgleich in der vierten Partie nicht aus der Bahn. Uschenina behielt in ihrer dritten Verlängerung erneut die Oberhand. Leidtragende war im Kampf um 60000 Dollar Preisgeld die ehemalige Weltmeisterin Antoaneta Stefanowa. Die Bulgarin konnte nach zwei Remis die Niederlage in Runde drei ausgleichen. Im Schnellschach unterlag die 33-Jährige mit 0,5:1,5. Lange dürfte Uschenina den WM-Titel allerdings nicht behalten. Die Ukrainerin muss im dritten Quartal des nächsten Jahres gegen Hou Yifan antreten. Die erst 18-Jährige hatte den Grand-Prix-Zyklus des Weltverbandes FIDE gewonnen und sicherte sich so die Revanche. Wenn es nicht nur über zwei Partien geht, sollte sich die Klasse der Chinesin in einem längeren Duell deutlich durchsetzen. Nachstehend die Partie der dritten Runde, in der die neue Weltmeisterin nach einem Theorie-Schlagabtausch in der Eröffnung gegen Stefanowa mit 2:1 in Führung ging.

W: Uschenina S: Stefanowa
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 a6 5.c5 Sbd7 6.Lf4 Sh5
Schwarz will den Läufer nicht auf dem Idealfeld belassen. Diesem bleibt danach nur der bescheidene Rückzug. 7.Ld2 Shf6 Immerhin hat Weiß durch das Manöver ein zusätzliches Tempo mit der Läuferentwicklung nach d2 gewonnen. 8.Tc1 g6 9.h3 Dc7 10.g3 Lg7 11.Lf4 Dd8 12.Lg2 0–0 13.0–0 Sh5 14.Ld2 f5 15.Db3 e5?! Dieses scharfe Abspiel ist noch bekannt, dürfte aber nach dieser Partie zu den Akten gelegt werden. Vorsichtiger geschah in der Partie Bologan-Malakhov, Konya 2012, Kh8 16.Sg5 Sdf6 17.Sa4 h6 18.Sf3 Se4 19.Le1 Kh7 20.Db6 Sg5 21.Dxd8 Txd8 22.La5 Tf8 23.Lc7 Se6 24.Le5 Lxe5 25.dxe5 f4 26.Sb6 Tb8 und Weiß hat nicht viel. 16.Sg5 exd4 17.Sxd5! 17.Se6?? kostet hingegen Material: De7 18.Sxf8 dxc3 19.Sxd7 (19.Lxc3 Lxf8) cxd2 20.Tc2 Dxd7. cxd5 18.Lxd5+ 18.Se6?! De7 19.Sxf8 Sxf8 20.Lxd5+ Kh8 21.Lb4 De5 22.c6 bxc6 23.Txc6 Ld7 24.Ld6 De8 25.Tfc1 und im Bundesliga-Match 2008 zwischen Eppingen und Baden-Baden schüttelten sich Ferenc Berkes und Etienne Bacrot friedlich die Hände. Kh8 19.Se6 Df6 Der erste neue Zug, den Schach-Programme bevorzugen. In den Verlust führte De7 20.c6 bxc6 21.Lb4 Df6 22.Txc6 Lb7 23.Sxf8 Lxc6 24.Sxd7 Lxd5 25.Dxd5 Dd8 26.Tc1 Dg8 27.Db7 Td8 28.b3 De8 29.La5 Sxg3 30.fxg3 f4 31.Lxd8 De3+ 32.Kh1 Dxc1+ 33.Kg2 Dc2 34.Df3 h5 (Dc8 35.Lf6 Dxd7 36.Da8+) 35.Lf6 d3 36.Lxg7+ 1:0 in Arik Braun (2533) – Viktor Laznicka (2601)/Gaziantep (Türkei 2008). 20.Sxf8 Dxf8?! Sxf8 21.Lxb7 Tb8 22.c6 De5 23.Lb4 Se6 24.Lxc8 Txc8 25.c7! Sg5 ist für Weiß merklich besser. 25…Txc7? 26.Txc7 Sxc7 27.Tc1 Sf6 28.Tc5 Scd5 29.Tc8+ Sg8 30.Lc5 Sdf6 31.Dc4 hält das Programm „Houdini“ schon für völlig hoffnungslos mit drei Bauerneinheiten im Minus. Schwarz kann sich nicht mehr vernünftig rühren nach Dd5 32.Lxd4 Dxc4 33.Txc4. 21.Lxb7 Tb8 22.c6 Sc5 23.Db6! Sxb7 Der Zug verliert zwar auch, verlangt jedoch Uschenina am meisten ab mit mehreren Feinheiten! Se4 24.Lb4 De8 25.Da7 Le5 26.Tfd1 Shf6 27.Txd4 erfordert von Weiß noch einige präzise Züge, zumal in der Variante Opfer auf g3 in der Luft liegen. 23…Lxb7 24.c7! (24.Dxc5 La8 25.c7 Tc8 26.Dxf8+ Lxf8 27.Tc4 Sg7 mit noch nicht entscheidendem Vorteil) Te8 25.Txc5 Lc8 reicht genauso wenig dem Nachziehenden zum Remis. 24.Da7! Nur so! 24.Lb4 Df7 25.Da7 Dc7 26.La5 Ta8! 27.Lxc7 Txa7 28.Lb6 Ta8 29.cxb7 Lxb7 geht noch für Schwarz. Le5 25.c7! Wieder mit Abstand der stärkste Zug. Schlagen auf b7 befreit die schwarzen Steine nur. 25.cxb7? Lxb7 und plötzlich sitzt Stefanowa am längeren Hebel. Vor allem der Läufer auf b7 schielt unangenehm in die feindliche Stellung. Ta8 Lxc7 26.Txc7 Le6 27.Txb7 kostet noch mehr Material. 26.Dxa8 De8 27.Dxa6 Sc5 28.Da8 Se4 29.Tc2 Sxd2 30.Txd2 Kg7 31.Tc2 Kh6 32.b4 Ld6 Was soll Schwarz ziehen? Der Läufer auf c8 ist genauso an die letzte Reihe gebunden wie die Dame. 33.Dd5 Sxg3 Ein Verzweiflungsopfer. 34.Dxd6 Sxf1 35.Dxd4 g5 36.Df6+ Kh5 37.Tc6 1:0.

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