US-Großmeister Timur Garejew plant beeindruckenden Weltrekord
Aljechin – Feldt: Weiß landet den entscheidenden Volltreffer

Von Hartmut Metz
Blindspiel beeindruckt Laien besonders: Sie können sich nicht vorstellen, wie sich jemand eine Brett- stellung mit allen 32 Schachfiguren merken kann – oder gar eine ganze Partie! So feierten die französischen Aufklärer Diderot und Alambert 1757 ihren Landsmann Philidor besonders. Sie würdigten in ihrer „Enzyklopädie“ die Sensation, dass es der Komponist ohne Ansicht der Bretter gleichzeitig mit drei Gegnern aufnahm. Die amerikanische Legende Paul Morphy wagte sich 100 Jahre später gegen acht Rivalen. Die Zahl erhöhte sein Landsmann Harry Pillsbury auf 22. Der Gedächtnisakrobat gewann in Moskau 17 Begegnungen, verlor nur eine und remisierte vier. Pillsbury gab an die 150 Blindsimultan-Vorstellungen. Der zehnjährige Alexander Aljechin war so beeindruckt davon, dass er das bald auch selbst probierte. Der spätere Weltmeister steigerte den Rekord 1924 auf 26 Bretter. Der Argentinier Miguel Najdorf schaffte gar 1947 unglaubliche 41:4 Punkte gegen 45 Kontrahenten. Weniger beindruckend war dagegen das 40:12 des Ungarn Janos Flesch 1960 in Budapest, den viele nicht als offizielle Bestmarke anerkennen. Aktueller Rekordhalter ist demnach Marc Lang.
Der Schwabe nahm es 2011 mit 46 Spielern blind auf und sammelte 34,5 Zähler.
Die Diskussion, ob Lang oder Flesch den Weltrekord hält, will Timur Garejew Anfang Dezember beenden. Der US-Großmeister mit usbekischen Wurzeln übte bereits mehrfach für den neuen Weltrekord. Das „Schach-Magazin 64“ berichtete nun über eine ganz besondere Trainingseinheit des Amerikaners: Garejew maß sich in Prag 4:15 Stunden lang nicht nur mit zwölf Spielern blind – die ganze Zeit strampelte der Großmeister auch noch auf einem Spinning-Fahrrad! Dem Bericht zufolge hatte der 28-Jährige mehr Mühe, ab und zu seine Wasserflasche zu ertasten, als die Gegner zu schlagen …
Die Partien verliefen sehr einseitig. Daher folgt nachstehend eine besonders kurzweilige Blindpartie, die Aljechin in großem Stil während des Ersten Weltkriegs gewann. Der spätere Weltmeister wurde verwundet im Krankenhaus in Tarnopol behandelt und übte sich nach fortgeschrittener Genesung gerne in der Kunst.
W: Aljechin S: Feldt
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 Lb4 ist der andere Hauptzug. 4.exd5 Sxd5 5.Se4!? 5.Sf3 Lb4 6.Ld2 Sxc3 7.bxc3 Le7 8.Ld3 beschert Weiß leichten Raumvorteil für die zerstörte Bauernformation. f5? Ein schwacher Zug, der den Bauern auf e6 rückständig macht und die Königsstellung schwächt, wie die Partie schön zeigt. Aljechin schlug Sd7 nebst c5 vor. 6.Sg5 Le7 7.S5f3 c6?! Laut Aljechin unnötiger „Zeitverlust“. Schwarz sollte sich weiter entwickeln, etwa mit 0–0. 8.Se5 0–0 9.Sgf3 b6 10.Ld3 Lb7 11.0–0 Te8?! Sd7 12.De2 Sxe5 13.Dxe5 Dd6 14.Te1 Dxe5 15.Txe5 Sc7 verteidigt den Schwächling auf e6 vorerst. 12.c4 Sf6 13.Lf4 Sbd7 14.De2 c5?? Sxe5 muss geschehen. 15.Dxe5 Dd7 und Schwarz steht nur wegen der Schwäche e6 schlechter.

15.Sf7!! Kxf7 Dc8 taugt nichts: 16.Dxe6 Se5 (Lf8 erlaubt 17.Sh6+ Kh8 18.Dg8+ Sxg8 19.Sf7 matt) 17.Sh6+ Kh8 18.Dxe5 gxh6 19.d5 Ld8 und Aljechin kann zwischen mehreren Gewinnzügen wählen wie 20.Dc3 oder 20.Dxf5.

16.Dxe6+!! 16.Sg5+ macht auch kurzen Prozess, wirkt aber nicht so spektakulär wie der Dameneinschlag. Kf8 17.Dxe6 und Schwarz kann aufgeben. Kg6 Kxe6 17.Sg5 matt. Das erlaubt das schönste Schlussbild. 16…Kf8 17.Sg5 ergibt nur Zugumstellung zur Variante mit gleich 16.Sg5. 17.g4! Raubt dem herausgezerrten König sein einziges Fluchtfeld h5. Der Springer auf f6 wie der Bauer auf f5 sind gefesselt und können den dreisten kleinen Soldaten nicht beseitigen. Le4 Sf8 und Weiß hat die Wahl zwischen den Mattzügen 18.Se5, Lxf5 und Sh4. 18.Sh4 matt.

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